Gefühle

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Legolas
,,Du starrst schon wieder seit Stunden auf das Rätsel", meinte Lessien und setzte sich vor mich auf mein Bett. ,,Wir sind jetzt seit einer Woche hier und haben noch nicht einmal einen winzigen Teil des Rätsels gelöst", entgegnete ich und hob meinen Blick zu ihr, ,,Und je länger wir hier bleiben, umso länger muss mein Vater in Dunkelheit leben. Ein Dreivierteljahr ist vergangen, seit ich ihn verlassen habe. Ende Frühjahr sind Gimli und ich nach Erebor aufgebrochen und mittlerweile ist es Herbst. Ich will meinen Vater nicht länger als zwingend notwendig leiden lassen. Er hatte es sowieso schon schwer genug in seinem Leben..." ,,Ich weiß. Das hast du mir schon oft gesagt, aber trotzdem brauchst du auch Ruhe. Wir Elben brauchen nicht viel Schlaf, aber unsere Gedanken und unser Geist müssen öfter ein wenig zur Ruhe kommen, besonders in deiner Situation", sagte Lessien und wollte mir die Karte aus der Hand nehmen. Aber ich hielt diese fest. Diesmal wollte ich ihren Bitten nicht nachgeben, zu groß war mein Wille, endlich das Rätsel zu lösen und Vaters Heilung wieder einen Schritt näher zu kommen. Lessien ließ die Karte wieder los und seufzte. ,,Bitte Legolas", sagte sie, doch ich schüttelte wortlos den Kopf. Jetzt herrschte Stille und wir sahen einander an. Ich wollte meinen Blick wieder auf das Rätsel wenden, doch Lessiens smaragdgrüne Augen hielten mich gefangen, sodass ich meinen Blick nicht anwenden konnte. ,,Bin ich so faszinierend oder warum siehst du mich noch immer an?", fragte Lessien belustigt, allerdings noch mit einem anderen Unterton, der beinahe ein wenig verführerisch zu sein schien. ,,Möglich", antwortete ich, ,,Aber vielleicht versuche ich auch nur, zu ergründen, welchen Hintergedanken du diesmal verfolgst, bei dem Versuch, mich abzulenken." ,,Warum glaubst du hätte ich Hintergedanken?", fragte sie und lehnte sich ein wenig zu mir. ,,Ist nur so eine Ahnung", meinte ich, ,,Mittlerweile kenne ich dich gut genug, würde ich meinen." Sie grinste und ihre Augen funkelten herausfordernd. ,,Du denkst also, du würdest mich kennen?", sagte sie und kam mir noch etwas näher. Ich war deshalb etwas verwirrt, wich aber trotzdem nicht zurück. Vielmehr wollte ich die Herausforderung annehmen, die in ihren Augen glitzerte. ,,Ich weiß schon einiges über dich, zwar nicht alles, das gebe ich zu, aber dennoch eine ganze Menge", meinte ich. Sie lachte kurz auf. ,,Ich denke, ich weiß mehr über dich, wie du über mich", sagte sie mit leicht gesenkter Stimme, während sich ihr Gesicht meinem immer weiter näherte. ,,Das lässt sich ändern", meinte ich, während ich versuchte, meinen, immer schneller werdenden, Herzschlag unter Kontrolle zu bringen, was allerdings kläglich scheiterte. Mir war klar, was das bedeutete: Ich war definitiv kurz davor, mein Herz an Lessien zu verlieren. Faszinierend fand ich sie schon vom ersten Augenblick an und gemocht hatte ich sie auch eigentlich schon die ganze Zeit über, aber mich wirklich um sie zu sorgen, sie mehr als nur freundschaftlich zu mögen, hatte ich erst, seit Zegrath und Taric uns gefangen genommen hatten. ,,Du bist plötzlich so still", sagte Lessien, die sich weit zu mir nach vorne gebeugt hatte. ,,Ich war noch nie sehr gesprächig", entgegnete ich. Lessiens Gesicht war nur noch Zentimeter von meinem entfernt und näherte sich mit jeder Sekunde die verstrich. Instinktiv schlossen sich meine Augen. Ich erwartete ihre Lippen auf meinen zu spüren, doch stattdessen bemerkte ich nur, wie mir die Karte aus meiner rechten Hand gezogen wurde. ,,Die erste Regel der Kriegskunst: Lass dich nie von deinem Gegner ablenken", hörte ich Lessiens leise Stimme neben meinem Ohr. Ihr warmer Atem strich über meinen Hals, was dort eine leichte Gänsehaut verursachte. ,,Ich wusste nicht, dass du mich als Gegner siehst", flüsterte ich zurück und ignorierte das Gefühl von Enttäuschung, welches sich in mir breit machte. Lessien zog sich komplett von mir zurück und legte die Karte auf den Tisch zwischen den Betten. ,,Warum erzählst du mir nicht ein wenig von deinen Reisen durch Mittelerde? Und von deinen kleinen Freunden, den Hobbits?", meinte sie, als sei nichts gewesen. Diese Tatsache versetzte mir einen kleinen Stich im Herz. Hatte sie das alles, diesen Beinahe-Kuss, wirklich nur geschauspielert? ,,Legolas?", fragte sie und riss mich somit aus meinen Gedanken. ,,Ähm...natürlich", sagte ich und begann von den Hobbits und vom Auenland zu erzählen. ,,Es ist wirklich erstaunlich, was so kleine Wesen doch für große Sachen bewirken können, wenn sie sich nur einmal aus ihrer Heimat mit den grünen Hügeln und blauen Flüssen hinauswagen", endete ich schließlich. ,,Irgendwie erinnert mich das an das Rätsel...", meinte Lessien und nahm die Karte zur Hand. ,,Ja, das würde passen", sagte sie schließlich, ,,Das Auenland passt genau auf die Beschreibung in den ersten paar Zeilen." ,,Ich glaube, ohne dich wäre ich ziemlich aufgeschmissen", meinte ich mit einem schiefen Grinsen. Lessien lächelte mich an, was mich die Enttäuschung von vorhin fast vergessen ließ.

Thranduil
Tauriel, Feren und ich betraten gerade den Thronsaal, als sich ein merkwürdiges Gefühl in mir ausbreitete. Es war wie ein Schatten, der sich erdrückend über meine Seele legte und mir Angst machte. Ich spürte nahende Gefahr. Automatisch legte ich meine Hände an mein Schwert, welches ich, seit ich auch blind halbwegs damit umgehen konnte, so gut wie immer bei mir trug. ,,Was ist los?", fragte Tauriel, die meine Reaktion offenbar bemerkt hatte. ,,Etwas nähert sich", flüsterte ich, ,,Wie ein Schatten kriecht es immer näher und macht mir Angst. Wir sind in Gefahr!" ,,Ja ja, was meine bloße Anwesenheit doch für Emotionen hervorrufen kann", sagte eine Stimme hinter mir. Ich fuhr mit gezogenem Schwert blitzschnell herum. Die Stimme kam mir bekannt vor, doch ich musste sie schon seit mehreren tausend Jahren nicht mehr gehört haben. ,,Dein Schwert beeindruckt mich nicht", sagte die Person. ,,Wer bist du!?", fragte ich drohend. ,,Erkennst du mich denn nicht?", fragte die Person, ,,Ach, ich vergaß. Du kannst mich ja gar nicht sehen, dein Blick ist kalt, denn du bist erblindet, durch ein kleines Feuerchen und aufgebrachte Pferde." ,,Beantworte meine Frage!!!", fuhr ich ihn an. ,,Zu schade, dass du mich nicht sehen kannst", meinte die Person, ,,Du wärst beeindruckt, Cousin." Ich stockte. Jetzt erkannte ich die Stimme meines Gegenübers. ,,Celleth!?", stellte ich halb fragend fest. ,,Du kennst mich also doch noch", sagte dieser. ,,Seit ich dich verbannt habe, seit mehr als 1000 Jahren bist du nun schon verschollen. Einige sagen du wärst tot, andere meinen, du wärst in den Westen gezogen, aber dass du noch hier bist ist überraschend und erschreckend zugleich", sagte ich. ,,Offenbar hast du mich nicht vermisst...", stellte Celleth trocken fest. Ich schwieg und dachte angestrengt nach. Celleth' Anwesenheit machte mir Angst, zu gut erinnerte ich mich noch an ihn vor seiner Verbannung. Er war schon immer ein wenig neidisch darauf gewesen, dass ich der bessere Krieger war und später, als wir aus Doriaths hatten fliehen müssen, war er ebenfalls neidisch auf mich, da ich eines Tages den Thron besteigen würde und nicht er, wo er doch drei Monate älter war wie ich. Dennoch hatten wir uns relativ gut verstanden, bis Sauron sich nach dem Untergang von Numenor in Mordor niederließ. Meinem Vater und mir entging nicht, dass Celleth die dunkle Magie Saurons, faszinierend fand, sowie auch die Macht, die man mit ihrer Hilfe erlangen konnte. Als wir zufällig mitbekamen, dass er vorhatte, sich mit Sauron in Verbindung zu setzen, sperrten wir ihn ein. Nach dem Tod meines Vaters und Saurons Fall verbannte ich ihn, da er noch immer eine zu große Gefahr darstellte, denn während seiner Zeit in den Kerkern war sein Hass auf meinen Vater und mich mit jedem Tag gewachsen. ,,Was willst du hier?", fuhr ich Celleth an. ,,Dir eine Nachricht überbringen", antwortete dieser. Ich schnaubte verächtlich. ,,Von dir will und brauche ich keine Nachrichten!", sagte ich. ,,Schön, wie du willst", meinte Celleth, ,,Dann erfährst du eben nicht, was Legolas zugestoßen ist..." Ich hörte, wie seine Schritte sich langsam entfernten. ,,Was ist mit Legolas?", fragte ich beinahe schon panisch, ,,Was hast du mit ihm gemacht, du Schlange!!!" ,,Ich habe nichts getan", verteidigte Celleth sich, ,,Ich habe von meinen Leuten nur die Nachricht erhalten, dass ein Elb aus dem Norden von den Werwölfen gefangen genommen wurde. Er sei Orophers Erbe, sagten sie mir, allerdings noch relativ jung, um die 2500 Sommer alt. Da wusste ich, dass es Legolas war und nicht du. Allerdings sagten sie mir, die Werwölfe hätten ihn getötet aus Rache an Orophers Ignoranz gegenüber ihrer Kultur und ihren Werten. Das hier ist das Einzige, was von ihm offenbar übrig ist." Ich hörte, wie er seine Arme bewegte und kurz darauf, wie Tauriel nach Luft schnappte. ,,Das ist unverkennbar Legolas Armschiene", sagte sie erschrocken, ,,Sie ist voller getrocknetem Blut und zerkratzt." ,,Gib sie mir", sagte ich zu Celleth und streckte fordernd meine Hand nach vorne. Kurz darauf spürte ich etwas in meiner Hand und umschloss es mit meinen Fingern. Langsam ertastete ich de Gegenstand. Mit jedem Zentimeter, den meine Fingerspitzen ertasteten verkrampfte sich mein Herz immer mehr. Schließlich war auch ich mir sicher, dass dies Legolas' Armschiene war. Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte und konnte es nicht glauben, dass mein einziger Sohn, das Einzige, was ich von meiner geliebten Frau noch hatte, ebenfalls von mir gerissen wurde. Ich ließ mein Schwert fallen und es schlug klirrend auf dem Boden auf, während ich die Armschiene krampfhaft festhielt. ,,Du lügst", sagte ich, doch meine Stimme zitterte ein wenig. ,,Ich habe diese Nachricht von meinem engsten Vertrauten, aus erster Hand", entgegnete Celleth, ,,Ich lüge nicht. Legolas ist tot!" Die letzten drei Worte waren zu viel für mich. Meine Beine versagten ihren Dienst und ich sackte zu Boden. Meine blinden Augen waren mit Tränen gefüllt. ,,Lasst mich allein!", brachte ich gepresst hervor. Ich hörte, wie Celleth und Feren meinem Befehl folgten, aber Tauriel blieb und kniete sich zu mir, wie sie mir später erzählte. Ich hörte sie schluchzen. Jetzt brachen die Tränen auch aus mir heraus. Tauriel schloss mich in die Arme und ich spürte Vaters Umarmung in Form von Wind um ich herum, doch noch nicht einmal das vermochte mich jetzt zu trösten.

Struck by Fire ⚜A Middleearth Story | Book 2⚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt