Erzähler
Eine Woche später stand das Sternenlichtfest bevor. Überall in den Hallen des Waldlandreiches wurden Vorbereitungen für das morgige Fest getroffen. Tauriel war gerade bei Gwil gewesen. Der jungen Südelbin ging es schon viel besser. Ihre Wunden waren durch Brethils Heilkünste mittlerweile schon fast verheilt und sie hatte gemeint, dass sie sogar auf das Fest gehen durfte. In Brethils Begleitung natürlich, der sich wirklich rührend um sie kümmerte. Es war offensichtlich, dass sich die beiden sehr gern hatten und so hatte Tauriel die beiden alleine gelassen, als Brethil das Zimmer betreten hatte. Jetzt lief sie ziellos durch die Hallen. ,,Freust du dich auf das Fest?", hörte sie plötzlich Ferens Stimme neben sich. Sie blieb stehen und sah zu ihm. Der Elb stand an eine Säule gelehnt da und sah sie an. Es wirkte beinahe so, als hätte er auf sie gewartet. ,,Ja, ich freue mich sehr", antwortete Tauriel mit einem Lächeln auf den Lippen, ,,Ich habe versucht es jedes Jahr zu feiern, als ich im Süden war, um mich ein wenig an meine Heimat zu erinnern." ,,Das freut mich zu hören", meinte Feren und kam auf sie zu. ,,Dürfte ich dich ein Stück auf deinem Weg begleiten?", fragte er. ,,Gern", antwortete Tauriel lächelnd, ,,Allerdings weiß ich nicht, wohin mein Weg mich gerade führt..." ,,Wie wäre es mit den Trainingsplätzen?", schlug Feren vor, ,,Es sei denn du hast deine Liebe zum Umgang mit Waffen verloren." ,,Wie kommst du darauf?", entgegnete Tauriel. Feren zuckte nur mit den Schultern. Tauriel lachte kurz auf. ,,Trainingsplätze ist vollkommen in Ordnung", meinte sie dann und signalisierte Feren mit einem Kopfnicken, dass sie losgehen konnten.
Nach einigen Stunden, die sie mit Bogenschießen und Schwertkampf verbrachten, hatten sie genug und verließen die Trainingsplätze wieder. ,,Du hast dich im Schwertkampf verbessert", meinte Feren, während sie durch die Gänge liefen. ,,Meinst du?", fragte Tauriel. ,,Ja, es sei denn ich habe vergessen, wie gut du kämpfen konntest, bevor du....naja uns verlassen hast", antwortete Feren. Tauriel lächelte. Gerade liefen sie eine breite Treppe hinunter, auf deren linker Seite man in den Wald sehen konnte. Feren blieb plötzlich stehen und Tauriel ebenfalls. ,,Was ist?", fragte sie sichtlich verwirrt. ,,Ich...", setzte Feren an, ,,Kann ich dich etwas fragen?" ,,Natürlich", sagte Tauriel. ,,Morgen ist ja wie gesagt das Fest", begann der Elb, während er sie ansah, ,,Und ich wollte dich fragen, ob du..." Er unterbrach sich selbst, als er bemerkte, dass Tauriel nicht mehr zu ihm, sondern hinter ihn blickte. Er drehte sich ebenfalls um und sein Blick verdunkelte sich ein klein wenig. Thranduil stand alleine auf der großen Plattform unterhalb der Treppe und es sah so aus, als würde er in den Wald starren. Tauriel betrachtete ihn von der Treppe aus. Er war majestätisch und schön, so wie er es immer gewesen war, aber ihn so allein und verlassen dastehen zu sehen, machte sie irgendwie traurig. Langsam ging Tauriel an Feren vorbei, die Treppe hinunter. Sie wusste selbst nicht warum, es war als hätten sich ihre Beine verselbständigt. Ihr Blick lag unentwegt auf Thranduil, während sie lief und so bemerkte sie nicht Ferens Blick, der zwischen ihr und Thranduil hin und her huschte. Ferens braune Augen funkelten wütend in die Richtung seines Königs. Er konnte einfach nicht begreifen, warum Tauriel ihn jetzt einfach stehenließ und zu Thranduil ging. Es wirkte beinahe so, als wäre Thranduil wichtiger für sie wie er es war. Dieser Gedanke versetzte ihm einen Stich ins Herz. Er wollte gehen und Tauriel und Thranduil nicht weiter beobachten, doch seine Füße waren wie angewurzelt.
Tauriel hatte Thranduil mittlerweile fast erreicht, blieb aber stehen, als er etwas sagte. ,,Wer seid Ihr?", fragte der Elbenkönig über seine Schulter. ,,Tauriel, hir nin (mein Herr)", antwortete sie sofort. ,,Ich dachte du hilfst bei den Vorbereitungen?", meinte Thranduil. ,,Nein, mein König", entgegnete Tauriel, ,,Ich war mit Feren bei den Trainingsplätzen und war gerade auf dem Rückweg." Thranduil schwieg kurz. ,,Ich habe Euch hier stehen sehen und....ich weiß nicht, irgendwie hat es mich traurig gemacht, Euch so alleine hier stehen zu sehen", fügte Tauriel noch etwas unsicher hinzu. Thranduil drehte sich zu ihr und tatsächlich huschte ein leichtes Lächeln über seine Lippen. ,,Du solltest wissen, dass ich niemals alleine bin, Tauriel", meinte er dann, ,,Du magst es mir vielleicht nicht glauben, aber mein Vater ist immer bei mir." Tauriel sah ihn ein wenig verwirrt an. Ein Wind wehte um Thranduil herum, doch Tauriel spürte keinen Wind, noch nicht einmal eine leichte Brise. ,,Ich kann mir denken, dass dir die Verwirrung ins Gesicht geschrieben steht", meinte Thranduil, ,,Du hast keinen Wind gespürt oder?" ,,Law (Nein)", antwortete Tauriel verwirrt. ,,Dieser Wind ist die einzige Möglichkeit, wie mein Vater mich berühren kann, sodass ich es auch spüre", erklärte Thranduil, ,,Und wenn du daran glaubst, dass er hier ist, kannst auch du ihn spüren. ... Aber das versuchen wir vielleicht ein anderes Mal. Jetzt hätte ich eine Bitte an dich, bei der ich nicht weiß, ob du ihr zustimmen wirst..." ,,Das wisst Ihr erst, wenn Ihr Eure Bitte genannt habt", meinte Tauriel. ,,Ich würde gerne versuchen, dein Gesicht zu sehen", sagte Thranduil, ,,Das kann ich allerdings nur mit meinen Händen. Nur durch ertasten, kann ich Dinge sehen. Würdest du mir diesen Gefallen tun? Ich würde nämlich gerne wissen, ob ich auch Gesichter durch ertasten sehen kann." ,,Ihr seid der König", entgegnete Tauriel, ,,Euch einen Wunsch zu verweigern, wäre äußerst unhöflich, wenn nicht sogar eine Widersetzung." ,,Vergiss doch für einen Moment, dass ich König bin und sage mir deine ehrliche Meinung zu meiner Bitte", bat Thranduil, ,,Wenn es dir zu unangenehm ist, dann lasse ich es." ,,Nein, das geht schon in Ordnung, es ist schließlich nur das Gesicht", entgegnete Tauriel. Thranduil nickte und streckte dann seine Hände zu ihr. ,,Komm ruhig näher", sagte er sanft. Tauriel gehorchte und blieb direkt vor dem blonden Elb stehen. ,,Du musst mir helfen, dein Gesicht zu finden", flüsterte Thranduil dann und seine Augen senkten sich zu seinen Händen. Tauriel verstand, nahm zögernd die Hände des Königs und hob sie bis zu ihren Wangen an. Dann legte sie die Hände Thranduils an ihre Wangen und ließ ihre Hände wieder sinken. Thranduil strich langsam über ihre Wangen und tastete dann weiter zu ihrer Stirn und ihrer Nase. Danach strich er zuerst über ihr Kinn und dann, ebenso langsam, über ihre vollen Lippen. Einen Augenblick später stoppte er, die Hände federleicht an ihren Hals gelegt. ,,Warum rast dein Herz?", fragte Thranduil, ohne die Hände von ihrem Hals zu nehmen. ,,Ich...ich weiß nicht...", stammelte Tauriel und ihre Stimme wurde zu einem Flüstern, ,,Es ist nur...noch nie hat mich ein Mann so...so zärtlich berührt." Tatsächlich waren Thranduils Berührungen sehr sanft gewesen, allerdings machte die Tatsache, dass er der König war, Tauriel ziemlich nervös. Und dann war da noch diese Sache, diese eine Sache, die sie gerade eben genannt hatte. Es waren Thranduils sanfte Berührungen gewesen, die ihr Herz hatten so schnell schlagen lassen. Sie wusste nicht warum, konnte es aber auch nicht verhindern. Noch immer spürte sie die Wärme seiner Hände an ihrem Hals und langsam breitete sich ein wohliges Gefühl in ihr aus. Es war Geborgenheit. Ja, aus unerklärlichem Grund fühlte sie sich geborgen, wenn er nahe bei ihr war, sie berührte. Langsam hob sie den Blick zu seinem Gesicht. Der große Elb hatte seine blinden, blauen Augen geradeaus über ihren Kopf hinweg gerichtet. Er schien sich nicht verändert zu haben, in den 75 Jahren, in denen sie das Reich nicht betreten hatte. Noch immer war er einer der schönsten Elben, die sie jemals gesehen hatte. Wie ein großer, heller Engel in weinrot gekleidet, stand er im goldenen Licht der späten Herbstsonne dicht vor ihr. ,,Ich spüre, dass du mich ansiehst", sagte er mit einer Sanftheit in der Stimme, die für Tauriel beinahe schon unheimlich war, da sie ihn noch nie so sanft hatte sprechen hören. Langsam lösten sich seine Hände von ihrem Hals, worauf sich ihr Herzschlag allmählich wieder beruhigte, aber auch das Gefühl der Geborgenheit wich ein wenig. ,,So still kenne ich dich gar nicht", meinte Thranduil nach kurzem Schweigen, ,,Aber aus deinem Schweigen kann ich deuten, dass dich etwas verwirrt. Nur was?" ,,Bitte denkt jetzt nichts falsches, aber...", begann Tauriel, ,, ...Als Ihr mich berührt habt, da habe ich mich plötzlich so geborgen gefühlt, so wie ich immer gedacht habe, könnte man sich nur bei seinen Eltern fühlen." Thranduils Atem stockte kurz, als er den letzten Satz vernahm, bevor er dann hörbar ausatmete. ,,Ich wollte dich übrigens noch etwas bezüglich des Festes fragen, Tauriel", setzte der Elbenkönig an, Tauriels Aussage ignorierend, ,,Ich wollte dich fragen, ob ich dich zum Fest begleiten dürfte?" Kurz stockte Tauriel und sah Thranduil erstaunt an. ,,N...natürlich gern", antwortete sie schließlich, ,,Wie gesagt, Ihr seid der König." Thranduil seufzte leise. ,,Ich erwarte dich morgen kurz vor Sonnenuntergang vor meinen Gemächern", sagte er, ,,Und nun würde ich gerne alleine sein. Ich muss mit meinem Vater sprechen." ,,Wie Ihr wünscht", sagte Tauriel und wollte gehen, hielt aber noch kurz inne. ,,Ihr hattet meine Antwort auf Eure Frage, was mich denn verwirrte, einfach übergangen...", stellte sie fest. ,,Ein anderes Mal, Tauriel", entgegnete Thranduil über seine Schulter, ,,Da ist noch so viel mehr, dass du wissen musst..." Jetzt war Tauriels Neugier erst recht geweckt, doch sie beschloss geduldig zu sein. Feren befand sich nicht mehr auf der Treppe, wie sie feststellte. Eine Weile später traf sie ihn aber bei den Ställen. ,,Bitte entschuldige, dass ich dich einfach habe stehenlassen", sagte Tauriel. ,,Ist gut", meinte Feren, obwohl es das eigentlich ganz und gar nicht war. Als er gesehen hatte, dass Thranduil Tauriel über die Wangen gestrichen hatte, war er kurz davor gewesen, wutentbrannt dazwischen zu gehen. Gerade noch rechtzeitig hatte er sich aber zügeln können und hatte seiner Wut auf den Trainingsplätzen Luft gemacht. ,,Also, was wolltest du mich fragen?", fragte Tauriel. ,,Würdest...würdest du mit mir zum Fest gehen?", fragte Feren und sah sie hoffnungsvoll an. ,,Feren, ich...", stammelte sie überrascht. Erwartungsvoll sah Feren sie an. ,,Ich würde liebend gerne mit dir zum Fest gehen, aber mich hat schon jemand gefragt und ich habe zugesagt", sagte sie, verriet aber bewusst nicht, dass Thranduil ihre Begleitung für das Fest war, da sie das Gefühl hatte, dass es besser war, wenn er es nicht vor dem Fest erfuhr. ,,Ich verstehe...", murmelte Feren und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie enttäuscht er war. ,,Es tut mir leid", sagte Tauriel, ,,Hättest du mich zuerst gefragt, hätte ich dir zugesagt." ,,Das ist in Ordnung", behauptete Feren, ,,Also, wir sehen uns spätestens heute Abend." Mit diesen Worten ging er einfach davon. Seine Gedanken kreisten um Tauriel. Wer hatte sie wohl gefragt? Thranduil wohl kaum. Seit dem Tod seiner Frau war er nie mehr mit weiblicher Begleitung erschienen, sondern stets nur mit Legolas an seiner Seite. Oder vielleicht doch? So wie es vorhin gewirkt hatte, schien er Tauriel plötzlich sehr zugetan zu sein. Aber er musste wohl oder übel bis zum Fest warten, um es herauszufinden, denn von Tauriel würde er es nicht erfahren, so wie es schien.
DU LIEST GERADE
Struck by Fire ⚜A Middleearth Story | Book 2⚜
FantasyDie Suche nach der Feuerrose führt Legolas und Gimli bald außerhalb der bekannten Regionen Mittelerdes, während Thranduil im Waldlandreich jeden Tag auf Legolas' Rückkehr wartet. Doch dann geschehen merkwürdige Dinge und der blinde König befürchtet...