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Vorab: Diese Geschichte basiert auf Suzanne Collins "Die Tribute von Panem"-Reihe. Aus dieser Reihe kommen auch einige Charaktere, die Rechte an ihnen gehören also nicht mir. Die Story habe ich erfunden, genauso wie die Tribute, die Betreuer, Mentoren usw.

Heute Nacht werde ich nicht schlafen können. Das merke ich schon, als ich ins Bett gehe. Es geht einfach nicht. Die ganze Nacht liege ich wach, lausche dem leisen Schnarchen meiner Geschwister. Jimmy, Mary, Sally und Natasha. Und ich. Lilly. Um 5 Uhr morgens sehe ich ein, dass der Schlaf nicht mehr kommen wird und stehe auf. Im Flur empfängt mich Kälte. Drinnen war die Wärme meiner Geschwister, hier bin nur ich. Barfuß, im dünnen, aber trotzdem verschwitzten Nachthemd und mit zerzausten blonden Haaren. Ich drücke den erstbesten Türgriff, den ich zu fassen kriege, herunter und taumele in den Raum. Die Küche. Groß, geheizt. Am besten ist es, wenn ich einfach Frühstück mache. Ich gehe zum Kühlschrank und hole unsere letzten Eier aus dem Kühlschrank. Während ich mich wieder auf die Arbeitsfläche zu bewege, schaue ich aus dem großen Fenster über dem Esstisch. Gerade geht die Sonne über Distrikt 5 auf. Distrikt 5. Dort haben sie uns hingeschickt, uns ein Haus zugeteilt. Alles nach System. Die schlimmsten "Verbrecher", die mit Glitzer, Schönheitsoperationen und bunter Haut nach Distrikt 12 und 11 und dann immer aufsteigend. Wir haben also relativ viel Glück gehabt. Es gibt nämlich nicht nur die bunten Kapitolaner, die die großen Einkaufsstraßen bevölkern. Es gibt auch Menschen, die ein relativ normales Leben geführt haben. So wie wir.

Weiter wurden wir eigentlich nicht bestraft, da sind nur noch die Hungerspiele, diese letzten, aber wie eh und je tödlichen Hungerspiele, mit 24 jungen Tributen aus dem Kapitol. Das Rührei ist in der Pfanne, und ich stochere etwas gedankenverloren darin herum. Plötzlich sehe ich aus dem Augenwinkel eine kleine, zarte Gestalt im Türrahmen stehen. Sally. "Guten Morgen, Sallylein. Gut geschlafen?" "Äh, ja, wenn man die Umstände bedenkt, ausgezeichnet." "Und wenn man sie nicht bedenkt?" Ich weiß genau, auf was sie hinaus will. Dabei habe ich ihr das schon so oft versichert. Aber so ist Sally eben. "Wenn man sie nicht bedenkt, nicht. Ich hab es einfach nicht vergessen können." "Sally", ich knie mich vor sie,"liebe Sally. Du hast nur sieben Lose. Du bist erst zwölf. Und ich verspreche dir, verspreche es hoch und heilig, wenn eine gewisse Sally Eisenberg ausgelost wird, dann wird ihre große Schwester, Lilly Eisenberg, für sie in die Hungerspiele ziehen." Sie nickt zaghaft. "Okay", sagt sie, kaum hörbar. "Gut. Gehst du die Hühner füttern? Bring gleich mal Eier mit, wir haben keine mehr", sage ich etwas erleichtert und küsse sie auf den Kopf. Und so schnell, wie sie gekommen ist, ist sie auch wieder weg. Ich wende mich wieder meinem Rührei zu, merke, dass es schon ein bisschen angebrannt ist und nehme die Pfanne schnell von der Herdplatte herunter. Die Lose. Wir alle mussten so tun, als würden wir schon seit wir zwölf sind jedes Jahr sechs Tesserasteine nehmen. Also hat Sally sieben Lose, Mary mit vierzehn einundzwanzig Lose und ich und Jimmy achtundzwanzig. Nur Natasha, sie ist erst neun, sie hat keine Lose. Eigentlich hätten Jimmy, Mary und ich noch mehr Lose, weil wir schon im nominierfähigen Alter waren, als meine Mutter und Harry noch gelebt haben. Doch sie sind während der Revolution gestorben. Harry war damals siebzehn, er stand mit den anderen Kindern vor Präsident Snows Palast. Und meine Mutter... was ihr zugestoßen ist, weiß niemand. Es will auch niemand darüber reden. Aber ich weiß, dass wir sie alle vermissen und immer vermissen werden.

Jimmy wartet nicht im Türrahmen, bis ich ihn bemerke. Er kommt rein, seine starken Arme schlingt er um mich. "Guten Morgen, kleine Schwester", sagt er lächelnd. Diese fünf Minuten, die er älter ist als ich. Mit denen ärgert er mich, seit wir sprechen können.
Er geht zum Kühlschrank und holt eine Flasche Milch heraus. Sein weizenfarbenes Haar glänzt in der hereinscheinenden Sonne. Jimmy erinnert mich manchmal an einen Engel. Und er sieht nicht nur so aus, er hat auch den Charakter eines Engels. "Guten Morgen, Jimmy. Alles klar?" "So gut es geht... ja. Bei dir?" Ich nicke kurz, um ihm klar zu machen, dass es mir gut geht. Er lächelt noch einmal und setzt die Milch auf. Dann höre ich schwere Schritte im Flur. Papa. "Hallo ihr zwei", sagt er mit seiner warmen, tiefen Stimme. "Wie geht es euch?" "Ja, ganz gut", meint Jimmy mit leuchtenden Augen. Papa ist schon immer sein großes Vorbild gewesen. "Ihr schafft das schon", sagt Papa beruhigend,"wir gehen da einfach hin und dann wieder nach Hause. Die Menschen aus den Distrikten haben das auch geschafft." Eigentlich hat er recht. Es haben so viele im Kapitol gelebt, wie in allen Distrikten zusammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer von uns ausgelost wird, ist gleich null.

Die Tribute von Panem: Tödliche Entscheidung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt