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"Wo ist Alex?", rufe ich. "Hier bin ich", röchelt jemand weiter hinten,"ich hab unsere Sachen!" "Das bringt uns nichts, wenn sie nicht helfen, hier rauszukommen", schreit Jimmy zurück. Ich habe meinen Messergurt um, aber der Eingang brennt genauso wie die Wände. Der Rauch kratzt in meiner Kehle. Meine Augen tränen. "Es muss einen Weg geben", sage ich, bin aber selber nicht überzeugt. "Können wir das Feuer nicht löschen?", frage ich. Alex denkt nach. "Wir haben nur ungefähr zwei Liter Wasser, das wird nichts... wir müssen ja auch trinken", antwortet er mit kratziger Stimme. "Das Wasser zu trinken nützt uns nicht, wenn wir hier bei lebendigem Leib verbrennen. Gib mal her", sagt Jimmy. Soweit ich das durch den immer dichter werdenden Rauch erkennen kann, reicht Alex Jimmy alle Wasserflaschen. "Beeilt euch", rufe ich panisch. Ich will hier nicht sterben. Nicht verbrennen, das habe ich nun wirklich nicht verdient. Jimmy steht unschlüssig da. "Lösch endlich den Eingang", röchele ich,"mach schon!" Ich mache meine Jacke auf und halte mir mein T-Shirt vor den Mund, Alex macht es genauso. Jimmy ist noch mit dem Löschversuch beschäftigt. Plötzlich rennt er los. "Jimmy!", schreie ich hysterisch,"was machst du da?" Jimmy steht schon halb in der Brandzone, mit entschlossenem Blick öffnet er die erste Flasche. Er schüttet ihren Inhalt auf den Boden, viel löscht es nicht, aber es ist ein gewaltiger Fortschritt. "Schnell, kommt hierher und versucht, das Feuer aufzuhalten", fordert Jimmy uns auf. Ich renne so schnell ich kann an die Stelle, auf die Jimmy gezeigt hat, Alex trifft kurz nach mir ein. Jimmy verschüttet inzwischen das Wasser aus der zweiten Flasche, aber nur wenig wird gelöscht. Der Meter, der uns von der Tür trennt, steht in Flammen. Wir werden riskieren müssen. "Jimmy, lösch die Tür, dann springen wir!", schreie ich gegen das Knistern des Feuers an, aus Angst, er könne mich nicht hören. Er hört mich und versucht, so gut wie möglich zu zielen. Mit einem Zischen verschwinden die Flammen rund um die Tür. "Ich spring zuerst", sagt Jimmy. Leichtfüßig landet er und stößt die Tür auf. Er ist gerettet, das Wichtigste ist also geschafft. "Alex, geh du", sage ich und mache ihm Platz. Wortlos springt er über den Feuerbereich und steht im Freien. Jetzt bin ich dran. Ich gehe soweit zurück wie es geht und nehme Anlauf. Ich kann wegen des Rauches kaum noch etwas sehen.

Ich habe mich verschätzt. Noch im Anlauf trete ich mit einem Bein in die Flammen. Panisch versuche ich, das Feuer zu löschen. "Spring, Lilly", ruft Jimmy, vielleicht ist es auch Alex. Also stoße ich mich ab und lande knapp hinter den immer höher werdenden Flammen. Ich stolpere, immer noch brennend nach draußen in die kühle Nachtluft. Sofort sind Jimmy und Alex zur Stelle und löschen die Flammen. Mein Bein tut furchtbar weh. Ein Teil meiner Hose ist weg, meine Schuhe sind noch da. Als ich mein Bein umdrehe, um den Teil um meinen Knöchel herum sehe, werde ich fast ohnmächtig. Nur noch ein Großteil des Fleischs ist noch da, alles ist rot. Der Anblick macht die Schmerzen noch größer. Ich beiße die Zähne zusammen, versuche, nicht zu weinen. Jimmy schüttet die letzten Tropfen Wasser über die Wunde, es hilft nur für ein paar Sekunden. Ein Krachen lässt mich mich umdrehen. Gerade stürzt das Dach unseres ehemaligen Lagers ein und das Haus geht endgültig in Flammen auf. Jimmy wendet sich sofort wieder meiner Verarztung zu, doch bald schüttelt er den Kopf. "Ich kann nichts mehr machen. Du, Alex?" Dieser schüttelt den Kopf. Jimmy wendet sich in einem letzten verzweifelten Versuch dem Himmel zu. "Joanne, wenn wir irgendeine Art Sponsoren haben, dann ist das der Moment, sein Geld für uns auszugeben!", ruft ihr. Angespannt schweigend warten wir. Nichts passiert. "Lasst mich einfach hier zurück", schlage ich vor. Jimmy fährt herum und durchbohrt mich mit einem Blick, der töten könnte. "Niemals, Lilly Eisenberg, niemals!" "Dann lasst uns in den Wald gehen", sage ich. "Was willst du denn im Wald?", fragen beide wie aus einem Mund. "Wasser. Aus den Wasserhähnen kommt keins, also könnte es wenn welches im Wald geben." "Und wie sollen wir dich dahin kriegen?", fragt Jimmy skeptisch.
In dem Moment kommt ein silberner Fallschirm auf dem Boden auf. Jimmy hechtet hin und packt das Geschenk aus. Ein silbernes Töpfchen, das er glücklich öffnet. Er nimmt etwas von der enthaltenen Salbe auf seinen Finger und riecht daran. "Probier mal, Lilly!" "Was, ich soll essen?", frage ich. Jimmy lacht. "Nein, schmier das auf deinen Knöchel", sagt er immer noch lachend. Ich schaue gespielt verwirrt. "Na, wenn du meinst..." Zuerst tut verspüre ich noch stärkeren Schmerz, als mein Finger die Verbrennungen berührt. Dann, als ich die Salbe mit zusammengebissenen Zähnen ein bisschen verschmiert habe, geht die Hitze aus meinem Bein weg. Ich stöhne erleichtert auf. "Es wirkt", sage ich,"lasst uns weitergehen." Jimmy wechselt einen Blick mit Alex. "Meinst du, dass du dafür bereit bist?", fragt er. Ich zucke mit den Schultern. "Wird schon schiefgehen. Ich  würde es jedenfalls probieren." "Wenn du meinst", sagt Alex,"soll ich dir aufhelfen?" Ohne eine Antwort abzuwarten, eilt er an meine Seite. Während ich mich langsam aufrappele, ist er so nah an mir dran, dass ich ihn riechen kann. Er riecht gut, nicht nach Dreck und Blut wie Jimmy und ich selber. Alex riecht nach Wald, obwohl er gar nicht lange in Distrikt 7 gewesen ist.

"Geht's?", fragt Jimmy, während ich um den Stein herumhumpele. "Ist schon okay. Ich kann laufen, vielleicht nicht so schnell wie sonst, aber wir haben ja Zeit", antworte ich. Die Wahrheit ist, dass mir jeder Schritt wehtut und ich mich eigentlich viel lieber wieder hinsetzen würde, aber ich habe mit der Waldsache angefangen und jetzt will ich sie auch zu Ende bringen. Zielstrebig humple ich in einen Seitenweg. "Äh... Lilly?", fragt einer der Jungen. "Was denn?" "Der Wald ist in der anderen Richtung. Also wenn du da wirklich hin willst..." "Oh", sage ich, drehe aber einfach um und bewege mich langsam in die entgegengesetzte Richtung. Jimmy und Alex laufen an meiner Seite, sie sagen nichts, auch wenn sie sehen, wie ich das Gesicht verziehe, wenn ich mit links auftrete. Aber sie müssen wohl verstanden haben, dass ich dahin will.

"Soll ich dich ein wenig stützen, Lilly?", fragt Alex, als die Schmerzen beinahe unerträglich werden. Wenn auch ungern, ich möchte jetzt keine Schwäche zeigen, nicke ich. Während Alex mich beim Gehen unterstützt, läuft Jimmy mit erhobenem Schwert vor uns her und versucht, den Bereich vor uns, aber auch das, was sich hinter uns abspielt, im Blick zu behalten. Alex hat keinen Pfeil eingelegt, aber was er uns von seinen Schießkünsten gezeigt hat lässt keinen Zweifel an seiner Erfahrung und seinen Reflexen. So kann ich mich halbwegs sicher fühlen. Denn Verteidigung wird in meiner Verfassung schwierig, ich bin voll und ganz auf die beiden angewiesen. "Lilly, du hast selbst gesagt, dass die meisten Tribute im Wald sind", startet Jimmy einen letzten Versuch, mich von meinem Vorhaben abzubringen. "Und so wie du guckst, ist Laufen für dich momentan kein Spaß. Es könnte da echt gefährlich werden", fügt er hinzu. "Die andere Möglichkeit ist Verdursten, Jimmy, ich riskiere das gerne", antworte ich knapp, immer noch damit beschäftigt, den Schmerz aus meinem Gesicht zu verbannen. "Wenn du meinst. Ich werde dir jedenfalls folgen", meint mein Bruder.

Wir laufen noch eine Weile und es wird immer anstrengender. "Seid ihr sicher, dass das die richtige Richtung ist?", frage ich vorsichtig. "Ja, aber es dauert noch eine ganze Weile, bis wir da sind. Wir sind nicht einmal beim Füllhorn", antwortet Alex,"brauchst du mal eine Pause?" Ich schüttele den Kopf. "Ach nein. Geht schon", sage ich. Beide wissen, dass ich lüge. Ja, eine Pause bräuchte ich eigentlich sehr dringend. Aber wenn ich Sponsoren haben will, darf ich keine Schwäche zeigen. "Möchtest du vielleicht noch einmal die Salbe auftragen?", fragt Jimmy. Das ist perfekt. Ich danke Jimmy in meinem Kopf und setze mich auf einen Baumstamm am Wegesrand. "Hast du sie, Jimmy?", frage ich. Jimmy kramt etwas in seinem Rucksack und holt schließlich das kleine Töpfchen heraus. Er reicht es mir und ich schmiere die kühle Creme auf das schon ein bisschen rosa gewordene Fleisch. "Habt ihr genauso viel Hunger wie ich?", fragt Alex. "Essen wär nicht schlecht", antworte ich,"mein Magen knurrt schon seit Stunden!" Alex verteilt ein paar Streifen Fleisch an uns alle. Sie können meinen Hunger nicht stillen, aber es geht mir schon etwas besser. Um uns herum sind immer noch die baufälligen Holzhäuser, dabei laufen wir schon seit etwa fünf Uhr morgens. Jetzt steht die Sonne schon hoch am Himmel, es ist vielleicht elf Uhr.
Eine Kanone wird abgeschossen. Wen es getroffen hat, werden wir wohl erst heute Abend erfahren und das wird noch lange dauern. Als ich mich wieder ganz okay fühle, stehe ich auf. "Jungs, lasst uns weiter gehen. Nein, du brauchst mich gerade nicht stützen, Alex, das geht schon. Am besten gehst du ganz hinten, einverstanden?"

Je höher die Sonne steht, desto wärmer wird es. Ich schwitze stark in meinen Klamotten und ziehe meine Jacke aus. "Ist euch auch so warm?", frage ich. Jimmy nickt, Alex empfindet das Gleiche. Aber unsere Unterhaltung erstirbt und wir laufen schweigend weiter. Langsam werden die Häuser in unserer Umgebung größer und schöner. Hier ist es nicht so dreckig wie in den Armenvierteln. "Was meinst du, Jimmy", ruft Alex von hinten,"sollen wir es riskieren, zum Füllhorn zu gehen, um uns besser orientieren zu können oder versuchen wir, drum herum zu kommen?" "Ich glaub wir finden den Wald auch so. Ich will jedenfalls nicht auf die Karrieros treffen", antwortet Jimmy. "Wie du willst", sagt Alex,"ich wollt nur fragen." Inzwischen stützt er mich wieder. Ich bezweifle immer öfter meine Entscheidung, in den Wald zu gehen, aber jetzt kann ich nicht mehr widerrufen.

Auf einmal ertönt eine weitere Kanone. Ein Hovercraft erscheint am Himmel. Und ein Körper wird in die Luft gehoben. Nur eine Hauswand trennt uns von ihm. "Hier sind welche", flüstert Alex.

Die Tribute von Panem: Tödliche Entscheidung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt