Kapitel 6 || Company

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Neben meinem Motorrad parkte ein schwarzer '67 Chevy Impala an der Straße. Es war noch sehr früh, die Vögel wurden gerade erst wach und begannen ihr tägliches Konzert zu geben. Gestern Abend hatte ich meine Erkenntnisse und Notizen mit den Brüdern geteilt. Danach sind sie ins Motel gefahren und haben ausgecheckt und ihre Sachen geholt. Man konnte ihnen die Müdigkeit in ihren Augen ansehen, also gab ich ihnen frische Bettwäsche und ließ sie danach in Ruhe. Durch die dünnen Wände konnte ich hören, wie einer der beiden geschnarcht hatte. Es störte mich jedoch nicht wirklich, da es seit längerem wieder schön war, nicht alleine sein zu müssen. Natürlich hatte ich Tyr, der auch diese Nacht, wie jede andere, am Fuße meines Bettes geschlafen hatte, jedoch fühlte es sich nach einer Weile trotzdem sehr einsam an. Es war nun schon fast ein Jahr her und immernoch ließ es mich nicht los. Jedes mal, als ich dachte, dass ich mich aus den Fängen der Vergangenheit gelöst hatte, stellte sich heraus, dass es nur eine Falle war und ich zurück in meine angsteinflößend vertraute Traurigkeit fallen würde.
Ich machte mir gähnend einen Kaffee und setzte mich mit einer Zeitung in die Küche, immer ein Auge auf den Herd behaltend, auf dem gerade Speck brutzelte.
Tyr lag neben mir auf dem Boden und hob sofort den Kopf, als er die verschlafene Gestalt Deans im Türrahmen enttdeckte. Er musste sich immernoch an zwei Männer im Haus gewöhnen und war gestern sogar fast auf die Winchesters losgegangen. Wer konnte es ihm verübeln - Rottweiler waren Wachhunde und Sam und Dean waren geradewegs in sein Territorium eingedrungen.

"Guten Morgen."
Ich lächelte den älteren Bruder schwach an.
"Warum so früh wach? Es ist Samstag."
Ich nahm einen Schluck Kaffee und kraulte Tyr am Ohr. Das beruhigte ihn immer.
Dean zuckte die Achseln und setzte sich mir gegenüber an den Esstisch.
"Auch einen Kaffee?" bot ich ihm an.
Er nickte und strich seine zerzausten Haare glatt.
"Schwarz, bitte."
Seine Stimme hatte einen rauen morgendlichen Unterton und klang dadruch noch tiefer als gestern.
Gedankenverloren stellte ich eine Tasse in die Kaffeemaschine und drückte den großen Knopf an der Seite. Mit einem dampfenden Zischen fing sie an zu arbeiten.
Ich nahm wieder am Esstisch platz und legte die Zeitung zur Seite. Damit keine unangenehme Stille entstand, drehte ich kurz an dem Radiolautsprecher, der auf der Fensterbank stand, und schloss meine Augen im Klang zu Axl Roses Stimme in Paradise City.
Dean lächelte schwach.
"Guns'n'Roses, hm?" fragte er.
"Ich legte meine Hände in den Nacken und nickte. Es gab eine Zeit, da hätte ich schwören können, dass Guns'n'Roses, Nirvana und AC/DC mein Leben gerettet haben. Natürlich war ich es selbst, die stärker wurde. Mein eigener Wille brachte mich heute dorthin, wo ich war.
"Eine meiner Lieblingsbands."
Die Kaffeemaschine gab einen Piepton von sich und ich machte Anstalten, aufzustehen, Dean hob jedoch die Hand und holte sich seinen Kaffee selber.
"Dein Musikgeschmack ist wirklich gut." meinte er und nippte an seinem Heißgetränk.
Tyr stand auf und verschwand kurze Zeit später in Schlafzimmer, behielt Dean jedoch immernoch im Auge.
Dieser lachte ein wenig.
"Er mag mich wohl nicht so besonders, oder?" fragte er und nahm einen großen Schluck Kaffee. Ich musterte ihn genau; seine vernarbte Haut, seine Bartstoppeln und seine grünen Augen. Es war unbestreitbar, dass Dean attraktiv war.
"Und.", sagte er nach einer kurzen Weile, in der wir uns einfach nur ansahen, "Wieso Jagst du nurnoch alleine. Was ist passiert?"
Seine tiefe Stimme überklang Paradise City und ich spielte schon mit dem Gedanken, die Musik einfach lauter zu drehen und Dean zu ignoriern. Jedoch war er der Sohn von John Winchester und ich wollte nicht unhöflich zu ihm sein, nachdem, was sein Vater getan hatte.
"Ich habe eigentlich immer mit meinem Vater gejagt. Er...war ein sehr guter Jäger. Jack Desjardin. Vielleicht hat dein Vater ihn mal erwähnt...ist aber eher unwahrscheinlich."
Dean führte die Kaffeetasse zu seinen Lippen, nahm jedoch nicht einen Schluck aus ihr. Er versuchte, sich daran zu erinnern, jedoch klingelte nichts in seinem Kopf. Er zuckte entschuldigend dir Achseln. Ich lachte sarkastisch.
"Ja...Ich kannte deinen Vater nicht gut genug, aber er hat bestimmt seine Gründe seinen Söhnen nichts von dem Mann zu erzählen, dem er das Leben rettete. Naja", ich ließ meinen Blick ziellos durch den Raum wandern, "ist auch egal. Auf jeden Fall, die Spezialität meines Vaters waren Vampire. Er war einer der Jäger, die sie alle tot sehen wollte. Für ihn waren sie wie Ratten."
Dean hing an meinen Lippen. Er sagte nichts, zeigte keine Emotion. Ich umschling meinen Oberkörper, da mir plötzlich sehr kalt wurde und drehte kurz danach die Heizung höher. Nun erklang knocking on heaven's door aus dem Radio. Eigentlich beruhigte mich Axl Roses Stimme immer, diesmal jedoch machte sie mich nur trauriger. Ich war wie gelähmt. Mein Blick galt dem weißen Tisch. Ich hatte nicht die Kraft, Dean anzusehen.
"Eines Tages...da überfielen wir ein Vampirnest, wie üblich. Es lief alles gut bis...bis...sie ihn gefangen nahmen. Sie wollten ihn töten und mich zu einem der ihren machen."
Eine Träne rann mir über die Wange, doch ich wischte sie sehr schnell weg. Ich hasste es zu weinen, es machte mich verwundbar. Allerdings hatte ich das Gefühl, den Winchester Brüdern alles anzuvertrauen und offen mit ihnen reden zu können. Dabei kannte ich sie kaum.
Ich fixierte Dean, sah ihm direkt in seine Augen. Meine grünen Augen trafen auf seine.
"Ich hätte es verhindern können. Ich hätte ihn retten können. Meine Leistung war ihm nie genug. Er hatte immer etwas zu verbessern, doch das störte mich nicht. Ich liebte ihn immernoch."
Immermehr Tränen bildeten sich und ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Leichte Schluchzer, die ich nicht unterdücken konnte, kamen von meiner gekrümmten Gestalt.
Es fühlte sich an wie im Film. Das Weinen, das perfekt dazu passende Lied, der gutaussehende Mann vor mir. Jedoch waren diese Momente in Filmen magisch und das hier war alles andere als magisch. Dean legte eine Hand auf meinen Arm. Ich richtete mich wieder auf, wischte mir die Tränen von den Wagen und senkte den Blick. Es war beschämend völlig verweint vor einem Winchester zu sitzten, jedoch auf irgendwie...befreiend. Als wäre es von Anfang an bestimmt.
"Ich weiß genau, wie du dich fühlst."
Ich erwiderte ein schwaches Lächeln,  als Sam durch die Tür kam. Er sah sich hilflos in meiner Küche um. Er trug dasselbe weiße Shirt wie Dean, jedoch hatte Sam sich bereits eine Jeans angezogen, wärend Dean immernoch eine Jogginghose trug. Ich sah Sam an.
"Bacon müsste fertig sein, Kaffeemaschine ist an. Bedien' dich ruhig."
Sam zog die Augenbrauen zusammen, als er meine roten Augen sah.
"Ist alles oka-" bevor er zuende sprechen konnte, fiel ich ihm ins Wort.
"Ja! Ja. Alles...bestens. Entschuldigt mich kurz."
Ich stand auf, zog den Gürtel meines schwarzen Bademantels enger und verschwand im Bad. Es reichte, wenn ich es einem Winchester erzählte. Sam würde es früher oder später sowieso erfahren und ich hatte nicht die Kraft, dasselbe nocheinmal zu erzählen.
Ich wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser, als ich eine große, bedrohlich aussehende Gestalt hinter mir im Spiegel sah.

November Rain//Dean WinchesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt