Kapitel 16 || Like a daughter to me

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Dean und ich huschten beide ins Obergeschoss, wo sich Michaels Büro befand.
Von draußen waren durch die Tür gedämpfte Stimmen zu hören. Eine gehörte ganz klar Michael, die andere Sam.
Ich atmete tief durch, bevor ich ohne zu klopfen die Tür zu Michaels Büro aufschlug. Dieser sah mich erschrocken an.
Dean schloss die Tür hinter uns, während ich mich breitbeinig in die Mitte des Raumes stellte und die Arme verschränkte.
"Evanna..." fing Michael an, doch ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
"Ich verlange eine Erklärung von dir."
Mir gelang es am Anfang noch stark zu klingen, doch während ich sprach wurden meine Augen glasig und meine Stimme brach.
"Was hast du Cathleen angetan, Michael?"
Eine einzelne Träne rannte mir über die Wange.
Ich ignorierte sie.
"Es tut mir leid, ich-"
"Es tut dir leid?" Fragte sarkastisch ich und betonte dabei jedes Wort einzeln.
"Michael. Ich weiß du hast sie geliebt. Doch genau deswegen stelle ich mir eine Frage. Warum hast du sie umgebracht?"
Nun stiegen ihm ebenfalls Tränen in die Augen. Ich spürte die Blicke von den beiden Winchesters auf mir.
Ich ignorierte sie, so gut es ging.
Michael atmete schwer aus und ließ sich auf seinen Sessel fallen.
"Es...war ein Unfall. Ich- sie...sie war die Liebe meines Lebens.", sagte er, während er unbeholfen durch den Raum sah, "Es war Viktor. Er hätte es an ihrer Stelle sein sollen. Er hätte einen qualvolleren Tod haben sollen."
Michael sah hoch, direkt in meine Augen.
"Es tut mir leid, Evanna. Du warst wie eine Tochter für mich."
Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. Bevor ich realisierte, was überhaupt gerade passierte, hatte ich bereits zwei fleischige Hände an meinem Hals. Ich rang nach Luft.
Schwarze Schleier nahmen mir plötzlich die klare Sicht.
Sam und Dean handelten sofort.
Der jüngere Bruder brachte Michael mit einer geschickten Bewegung zu Boden und zwang ihn, mich loszulassen. Fast ohnmächtig fiel ich in Deans Arme, der mich, gegen einen Schrank gelehnt, auf dem Boden absetzte.
Ich atmete schwer, versuchte meine Augen offen zuhalten.
Er hat versucht mich umzubringen.
Ich sah ihn hasserfüllt an.
"Monster.", keuchte ich, "Ich habe bereits viele Kreaturen gesehen, doch du bist mit Abstand das abscheulichste, das mir je unter die Augen gekommen ist."
Ich griff mir an den Hals.
Plötzlich schreckten Sam und Dean auf, ich wusste nicht wieso, bis ich aufsah.
Viktor stand hinter Michael, ein Blick, der noch hasserfüllter war als meiner, lag diesem im Nacken.
Die Winchesters traten alle zwei ein paar Schritte zurück.
"Ich dachte, der wäre längst im Jenseits." Flüsterte mir Sam zu.
Ich kniff die Augen zusammen, sah mit an wie Viktor innerhalb einer Sekunde so nah an Michael herangekommen war, dass er einen Strick um seinen Hals warf.
Dieser erhob sich schneller, als ich gucken konnte.
Michael zitterte, versuchte sich loszumachen, doch vergebens.
Er erstickte.
Mein Blick glitt von Michael zu Viktor,  der nun vor mir stand und mir wie ein Gentleman eine Hand hinhielt, um mir helfen, aufzustehen. Ich nahm dankend an.
"Natürlich.", sagte ich letztendlich, "Es war nicht der Tanz. Es war der Mord an Michael, der dich freilässt."
Er nickte lächelnd. Seine Lippen kamen so nah an mein Ohr heran, dass sie es fast berührten.
"Ich werde sie von dir grüßen." flüsterte er und löste sich somit in Luft auf.
Nach einer längeren Pause, in der niemand auch nur wagte zu flüstern, sah Sam die hängende Leiche von Michael an.
"Es sieht aus wie Selbstmord." stellte er fest.
"Ja nur...etwas fehlt noch." meinte ich.
Ich stellte einen Stuhl direkt unter die Füße von Michael, und stieß ihn danach um, so dass es aussah, als wäre er umgefallen, als Michael sich erhängte.
"Ist alles okay?" fragte Sam mich.
Ich nickte leicht.
Die Wahrheit war, dass nichts okay war. Michael, ein Familienfreund, ein Mann der für mich wie ein zweiter Vater war, hatte versucht mich umzubringen.
Als ich in den Spiegel, der an der Wand gegenüber von mir hing, sah, raubte es mir fast erneut den Atem. Zwei große, rote Handabdrücke hatten sich deutlich an meinem Hals gezeichnet.
Schnell sah ich weg, hielt den Blick gesenkt.
"Wir sollten hier verschwinden. Jemand wird seine Leiche schon finden. Viktor und Cathleen sind jetzt beide weg...für immer."

Ein heißer Kakao sollte die Halsschmerzen lindern, die ich nach einer Zeit bekommen hatte. Außerdem hatte ich mir einen Kühlverband um den Hals gelegt.
"Das war es also." murmelte ich.
Die beiden Brüder tauschten einen Blick.
Wir wussten alle, dass sich jetzt unsere Wege trennten.
"Wirst du klarkommen?" fragte Sam erhlich besorgt.
"Natürlich.", mein Lachen war künstlich, "Es- es macht keinen Unterschied."
Stille.
"Dann...denke ich, ich gehe mal packen." meinte Sam und verließ meine Küche, als wenn er vor einer sehr peinlichen Situation fliehen würde.
Zurück blieben Dean und ich.
"Weißt du", fing er an, "ich fand Tänzer schon immer verrückt." grinste er.
"Du Arsch." lachte ich.
Plötzlich verschwand sein Lächeln und mit ihm mein Lachen.
"Was wirst du jetzt tun?" fragte er schließlich.
Ich zuckte mit den Schultern und nahm einen weiteren Schluck Kakao, der mittlerweile kalt geworden war.
"Ich werde wahrscheinlich hier in New York bleiben. Was jetzt aus der RAD wird, weiß ich nicht, aber ich will nie wieder auch nur einen Fuß in diese Tanzschule setzten."
Ich wusste, dass das nicht wirklich das war, was Dean gemeint hatte. Er meinte Luke, den Vampir, der sich damals in meine Wohnung geschlichen hatte.
"Ich werde den Vampir umbringen, keine Sorge." versicherte ich dem Mann vor mir. Seine grünen Augen musterten mich ungläubig.
"Du scheinst damit eine schwere Zeit zu haben." bemerkte er.
Ich seufzte.
"Es ist nichts, was ich nicht alleine hinkriegen würde. Ich- ich muss mir einfach etwas überlegen."
Dean stand auf, nahm dabei die Augen nie von mir, und lehnte sich gegen die Wand.
"Wo ein Vampir ist, sind andere nicht weit. Willst du die wirklich alleine bekämpfen?"
Ich runzelte die Stirn bei seinen Worten. Was sollte das denn bitte werden?
Natürlich, ich hatte mich nicht wirklich auf diesen Tag, an dem wir uns verabschieden mussten, gefreut, aber ein Jäger arbeitet allein. Jedenfalls meine Familie.
"Dean, was soll das werden? Ich war die meiste Zeit meines Lebens alleine. Mit ein paar Vampiren werde ich fertig."
Als ich bemerkte, dass ich aus versehen etwas sehr persönliches gesagt hatte, war es bereits zu spät. Er nickte jedoch nur und es schien als würde er wissen, wovon ich redete. Fast so, als könnte er meine Gefühle aus Erfahrung nachvollziehen.
"Manchmal brauchen wir einfach jemanden, der uns das Blut vom Messer putzt." meinte er.
"Überleg es dir."
Meinen Blick gesenkt haltend, griff ich nach einer Wasserflasche um dieses elende, trockene Gefühl, das sich in meinem Hals gebildet hatte, loszuwerden. Als ich wieder hochsah, war Dean bereits verschwunden.
"Mistkerl." sagte ich zu mir selbst.
Denn er hatte recht.

November Rain//Dean WinchesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt