Kapitel 11 || Dead eye to eye

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Ich sah mir das schwarze Tutu genau an. Es war mit kleinen Diamanten am Rock versehen, die sich in gekringelten Mustern über fast den gesamten schwarzen Stoff verteilten. Ich strich vorsichtig über den samtigen Stoff und die große, schwarze Feder, die am Bodysuit befestigt wurde und beim Tragen die gesamte linke Schulter der Tänzerin verdecken würde. 
Michael wollte, dass ich genau jetzt aufhörte nachzuforschen, das hatte er mir vorhin gesagt, nachdem er sich für seinen Anfall gestern entschuldigt hatte. Ich sah in seinen Augen, dass er mich am liebsten aus dem Gebäude schmeißen würde. Jedoch tat er dies nicht, wahrscheinlich, meiner Mutter zuliebe, damit ich meinen Abschluss hier machte, denn die RAD war letztenendes immernoch eine der besten Tanzschulen des Landes. Dies wüede mir viele Türen öffnen.
Ich nahm die Augen von dem Tutu und verfestigte meinen Griff um den Kleiderbügel, an dem mein Tanzkleid der letzten Veranstaltung hing. Ich hatte es immernoch nicht geschafft, es zurückzugeben, da ich so sehr mit dem Fall beschäftigt war und gleichzeitig die Gastgeberin spielen musste.
Ich durchquerte den mit gestapelten Kartons und Kisten befüllen Raum.
Als ich die Stange, an die das Kleid gehörte, fand, hing ich den Kleiderbügel dran und wollte den Requisitenraum verlassen, jedoch hielt mich eine plötzliche Kälte zurück.
Wie erstarrt drehte ich mich um und fand ein Mädchen vor mir, nicht älter als achtzehn. Ihr Gesicht war kreidebleich und um ihre Kehle zog sich eine dicke Schramme. Sie trug das schwarze Schwanentutu, das so gut an ihr aussah, dass man denken würde, es wäre nur für sie hergestellt worden.
Ich hatte bereits viele Geister gesehen, jedoch erschien mir dieser anders. Das komplette Szenario, das sich mir bot, wirkte surreal. Als wäre ich mitten in einem Bild, das Tim Burton zur Inspiration gezeichnet hatte. Der Geist kam einen Schritt auf mich zu und instinktiv rückte ich näher an die Wand, die mir im Rücken lag, heran. Ich hatte weder Salz noch etwas aus Eisen zur Hand. Als sie mich nicht angriff, sondern einfach nur da stand und ein paar Stöhner von sich gab, wurde ich etwas mutiger.
"...bist du Cathleen?" fragte ich, den Körper an die Wand gepresst. Ich war bereit jederzeit zur Seite zu springen.
Der Geist fasste sich an die Kehle und nickte, sogut sie konnte. Sie machte ein schmerzerfülltes Gesicht und ich ertappte mich dabei, wie ich fast schon Reue empfand.
Cathleen kam einen weiteren Schritt auf mich zu. Ich rührte mich nicht, sondern wartete auf ihre nächste Aktion. Dabei ließ ich meine Hand unauffällig in meine Jackentasche gleiten und umfasst mein Handy. Ich hatte Deans Nummer auf Kurzwahl gestellt, nur um sicherzugehen.
Cathleen versuchte zu sprechen, brachte jedoch nur einen Ton heraus, der wie ein "Eva" klang.
Ich hob fragend eine Braue. Meinte sie mich?
Zögernd vollendete ich das Wort, das sie sagen wollte.
"E...Evanna?"
Sie nickte erneut und wieder sah es schmerzvoll aus. Ich schluckte.
"Woher kennst du mich? Woher kennst du mich, Cathleen?"
Plötzlich spannte sich der Körper des Geistes an, der Kopf fiel kraftlos nachvorne. Es sah aus, als würde sie an einem unsichtbaren Seil erhängt werden. Cathleen stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus und löste sich dann wortwörtlich in Luft auf. Erschrocken starrte ich die Stelle, an der bis vor kurzem noch ein Geist stand, an und griff dann nach meinem Handy, um Dean anzurufen, doch er nahm nicht ab. Fluchend verließ ich den Requisitenraum.
Ich wusste nicht, was ich von der Sache halten sollte. Ich war zwar nicht besonders lange Jägerin, jedoch waren die Geister, die ich bis jetzt bekämpft hatte, alle mörderisch gewesen.
"Hey, Evanna."
Ich drehte mich zu der hochnäsigen Stimme Grabrielles um, hob eine Braue und verschränkte die Arme vor der Brust. Gabrielles schwarzes Haar war zu einem strengen Dutt frisiert und ihre sonst so bleiche Haut wirkte durch das wohlige Licht des Kronleuchters gesünder als sonst. Es war ein Fakt, jeder wusste es:
Gabrielle schreckte nicht vor einer Crash-Diät zurück, um die perfekte Ballerinafigur zu haben und behalten.
"Michael hat mich beauftragt dir zu sagen, dass du meine Zweitbesetzung bist für den Auftritt in zwei Wochen. Du weißt schon. Der schwarze Schwan. Natürlich musst du dir keine Sorgen machen, den Part zu ruinieren, da ich sowieso nicht fehlen werde."
Sie setzte ein gespieltes Lächeln auf, strich über den Stoff ihres Trainingskleidchens und verschwand in einen Übungsraum nebenan.
Auf so eine kindische Conversation hatte ich nun wirklich wenig Lust.
Dann vibrierte mein Handy. Ich nahm es aus der Tasche und akzeptierte den Anruf.
"Dean?" fragte ich.
"Nein, hier ist Sam." meldete sich eine Stimme vom anderen Ende.
"Oh...", ich konnte die Enttäuschung, die ich mir selbst nichteinmal erklären konnte, nicht verstecken, "...ja, ähm. Sam. Was gibt's?" Ich hielt mir das Telefon an das andere Ohr, während ich nach dem Schlüssel für mein Schließfach, in dem ich meine Sporttasche und Kleidung befand.
"Nunja, es scheint als wäre Michael sehr tief in diese Angelegenheit verstrickt. Dean und ich waren bei ein paar Leuten, die uns Informationen geben konnten." Er zögerte. Meine Unruhe wurde dadurch nurnoch verstärkt.
"Gib mir das Telefon." hörte ich eine zweite Stimme von der anderen Seite der Leitung sagen. Auf ein kurzes Rascheln folgte die familiäre Stimme Deans.
"Evanna. Michael kannte Cathleen. Sie waren sehr, sehr gut befreundet." sagte er.
"Und?" fragte ich daraufhin.
"Es gab eine Dritte Person. Cathleens Tanzpartner, Victor Ross. Michael soll Zeuge einer schweren Tat gewesen sein."
Stille. Ich schluckte und musste meine Gedanken sortieren.
Wenn dieser Victor Cathleen getötet hatte, dann war ihr Geist vielleicht hier, um uns zu warnen.
"Bei mir gibt's auch was neues. Cathleen ist mir erschienen." ich kaute unruhig auf meiner Innenlippe herum.
"Was ist passiert?" fragte Dean angespannt.
"Nichts. Sie hat versucht...versucht mit mir zu reden, glaube ich. Aber sie konnte nicht, da ihr Hals zerdrückt war. Tod durch Ersticken. Aber was wirklich merkwürdig ist; sie wusste wer ich bin."
Ich umfasste meinen Oberkörper mit der freien Hand. Mir war plötzlich eiskalt.
Es war, als würde ich direkt in Eiswasser geworfen. Und ich war dabei zu ertrinken.

November Rain//Dean WinchesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt