Kapitel 7 || Luke

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Der Mann legte einen Finger auf seine Lippen, um mir zu signalisierem, keinen Ton von mir zu geben. Ich nickte widerwillig. Als ich mich umdrehte, blieb mein Blick am Glasbehälter neben mir hängen. Ich könnte ihn umstoßen, vielleicht würden Sam und Dean das zerbrechende Glas hören.
"Evanna."
Die Gestalt grinste im schwachen Licht der Wandleuchte. Den Blick nicht von mir nehmend, kam er näher, so nah, dass er nach meinen Haaren greifen konnte und eine Strähne um seinen Finger wickelte. Ich starrte beschämt zu Boden.
"Du weißt noch, wer ich bin, oder?" hauchte er mir ins Ohr. Sein nach Eisen stinkender Atem ließ mich fast würgen.
Ich zeigte keine Reaktion, sondern sah ihm nur in die eisblauen Augen. Es gab eine Zeit, da hätte ich alles für diesen Mann getan, doch Zeiten ändern sich und Menschen werden zu Monstern.
"Lass mich in Ruhe, Luke. Ich habe dir damals gegeben, was du wolltest. Warum bist du hier?"
Mein Blick war eisern. Viele Menschen brachen bereits unter diesem Druck zusammen, doch Luke war kein Mensch. Er ließ seine Hand an meiner Hüfte runtergleiten. Mir war nach Kotzen zumute. Was hatte ich nur damals in dem Mann mit den hellblauen Augen und dem pechschwarzen Haar gesehen? War sein Aussehen wirklich so blendend?
Er drängte mich gegen die Wand, die Augen stets auf meine gerichtet.
"Hey!" schrie ich. Sofort spürte ich eine eiskalte Hand auf meinen Lippen. Der Druck war so stark, dass ich glaubte, Luke würde mir den Kiefer brechen.
"Ich will nur reden, Evanna. Nur reden."
Er klang bedrohlich. Ich wollte ihn bekämpfen, ihm den Kopf vom Hals reißen, jedoch war ich unbewaffnet und somit komplett machtlos.
"Weißt du, ich habe dich vermisst. Wirklich. Du konntest das letzte Mal fliehen. Du warst jung als wir uns das erste mal begegneten...18 oder jünger. Du hattest immer schon etwas für ältere."
Er lächelte begierig. Seine perfekten Zähne wurden plötzlich von einer Reihe unmenschlich aussehender Reißzähne verdeckt. Mir wurde flau im Magen.
Die Badezimmertür wurde aufgerissen und ein mit einer Pistole bewaffneter Dean stand im Türrahmen. Hinter ihm, ein Messer schützend vor sich haltend, stand Sam, der denselben emotionslosen Gesichtausdruck hatte, wie sein Bruder.
Luke sah zu den beiden Brüdern. Das war genau die Art von Ablenkung, die ich gebraucht hatte. Ich trat Luke in die Weichteile, stieß ihn weg und sah die Winchesters an.
"Sind das meine Waffen?" fragte ich und erntete einen schuldbewussten Blick von Sam. Dieser warf mir eine Pistole zu und ich fing sie mit Leichtigkeit.
Die Waffe auf Luke gerichtet, kniete ich mich vor den Mann, der durch meinen Stoß auf dem Boden lag.
Luke lachte hämisch.
"Du weißt genau, dass du mich damit nicht umbringen kannst."
Er lehnte sich gegen die geflieste Wand und biß sich auf die Unterlippe.
Ich hob genervt eine Augenbraue.
"Oh ja, das weiß ich. Und glaub mir, so gerne ich es tun würde", ich schmiß die Waffe auf den Boden und sie landete mit einem Klirren auf den kalten Fliesen, "werde ich es nicht tun. Aber nur damit du es weißt, falls du oder dein dämlicher Blutsaugerclub auch nur in meine Nähe kommt, reiße ich euch allen persönlich die Köpfe ab."
Ich hielt seinem Blick noch einen Moment lang stand, hob dann die Pistole auf und drehte mich um. Deans grüne Augen sahen mich verständnislos an.
"Warum töten wir ihn nicht?" fragte er aufgebracht und wedelte mit der Pistole in seiner rechten Hand hin und her.
Ich rollte die Augen, schwieg einen Moment und sagte anschließend:
"Es ist nicht so einfach, Dean."
Dann verließ ich den Raum, wissend, dass Luke sich selbst verziehen würde. Sam legte das Messer zur Seite und sah mich verwirrt an.
"Nicht einfach? Kopf ab, fertig! Was ist daran nicht einfach?"
Dean schleuderte förmlich Blitze.
"Ich kenne diesen Vampir. Sehr gut sogar. Das hat nichts mit dem Fall in der RAD zu tun. Die Vampire sind allein meine Sache."
Es gab Dinge, die musste ich alleine regeln. Etwas, bei dem mir niemand helfen konnte, nicht einmal zwei Winchesters.
Mein Herz pochte wie wild, als ich den beiden Brüdern den Rücken zudrehte. Ich war mir sicher, dass Luke bereits durch das Badezimmerfeinster verschwunden war, durch das er in meine Wohnung eingedrungen ist, sonst hätte Dean ihn bestimmt schon längst erledigt.
Meine Gedanken schweiften zu jenem Tag, an dem sich mein Leben komplett verändert hatte. Die Vampire hatten mir das liebste auf der Welt genommen. Oh ja, ich würde mich rächen. Doch ich brauchte einen Plan, bevor ich willkürlich ein paar Monstern den Kopf abschlug.
Ich lehnte mich gegen die Wand im Flur und wartete darauf, dass Sam und Dean endlich von der Badezimmertür verschwanden.
"Und was machen wir jetzt?" fragte Sam. Er versuchte sichtlich, das eben geschehene zu vergessen, oder wenigstens auszublenden. Dean jedoch sah mich immernoch verständnislos an. Er hatte die Arme vor seiner Brust verschränkt und jegliche Emotionen aus seinem Gesicht verbannt.
Ich atmete hörbar aus.
"Dean, bitte. Du kennst meine Gründe nicht." beharrte ich. Langsam bereitete sich in mir eine unangenehme Wärme aus, die mich leicht schwitzen ließ.
"Dann sag sie mir. Ich würde deine Gründe sehr gerne erfahren."
Ich sah ihm fest in die Augen, bevor ich den Blick von Dean riß und auf Sam richtete. Meine Muskeln entspannten sich ein wenig, als ich auf Sams vorherige Frage einging.
"Ein paar der Mädchen jobbten am Wochenende in Table Dance Clubs. Darunter auch Sydney. Ich finde es nicht seh ansprechend aber es gab ihnen einen gewissen Kick. Eine Woche, bevor sie starb, fing sie an von so einem Typen zu erzählen, den sie im Wonderland kennengelernt hat. Sein Name war...", ich kramte in meinen Gedanken und versuchte mich daran zu erinnern, was ich bei den Konversationen zwischen Sydney und ihren wenigen Freunden aufgefangen hatte, "...Hugo. Ja, ich glaube er hieß Hugo."
Sam hob belustigt eine Augenbraue und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
Dean ließ endlich locker. Seine Lippen formten sich zu einem Grinsen.
"Na dann auf nach Wonderland."

November Rain//Dean WinchesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt