Kapitel 17 || California

899 44 2
                                    

Ich saß auf der Fensterbank, streichelte über Tyrs Kopf und kraulte ihn hinter seinen Ohren, was ihn seine Augen schließen und leise grunzen ließ. Ich lächelte bei dem Anblick.
Sam und Dean standen bereits vor meinem Apartment und bereiteten sich darauf vor, mit dem Impala loszufahren.
Ich seufzte, als mein Blick zu einer gepackten Tasche auf meinem Bett fiel. Hatte ich das wirklich vor? Ich war so lange alleine klargekommen, hatte erfolgreich getötet doch...
Dean hatte recht. Alleine gegen ein Pack Vampire würde ich nicht auskommen.
Als ich ruckartig aufstand, schreckte Tyr hoch und beobachtete mich, wie ich seine Leine von einem Kommode nahm und mir die gepackte Tasche über die Schulter hing.
Danach leinte ich meinen Hund an und verließ mein Apartment. Einen letzten Blick ließ ich durch die Wohnung gleiten, bevor ich das Licht ausmachte und die Tür abschloss. Ich würde wahrscheinlich sehr lange nicht mehr hier sein.
Unten auf dem Parkplatz bekam ich erfreute und zugleich verwirrte Blicke von den beiden Brüdern.
"Du hast es mir angeboten, also tu nicht so überrascht." grinste ich Dean an, der dies erfreut erwiderte.
Als sein Blick jedoch auf Tyr fiel, verschwand sein Lächeln sofort.
"Oh nein, es gibt nur zwei Regeln für Baby. Nummer eins, keine fremden Süßigkeiten. Nummer zwei, keine Hunde."
Bei seinen Worten hielt ich mitten in meiner Bewegung inne und verschränkte die Arme.
"Entweder ich und er oder keiner."
Dean sah mich herausfordernd an, doch Sam stellte sich zwischen uns, die Arme halb nach oben gestreckt, und sah uns beide an.
"Ich glaube nicht, dass Tyr uns Probleme bereiten wird, oder, Evanna?"
"Ganz sicherlich nicht." antwortete ich Sam, ließ die Augen jedoch nicht von Dean.
Dieser seufzte genervt und öffnete die Fahrertür.
Bevor er sich in den Sitz setzte, sah er mich an.
"Wenn er sich danebenbenimmt, fliegt er raus."
Darauf rollte ich nur mit meinen Augen, während ich mich auf der Rückbank niederließ und Tyr an meinen Füßen Platz nehmen ließ.
"Also, was jetzt?" fragte ich neugierig und verstaute meine Tasche neben mir auf dem Sitz.
"Wir spielen Van Helsing." sagte Dean und startete den Motor, während er das Radio anmachte.

Es stellte sich heraus, dass Dean einen wirklich, wirklich guten Musikgeschmack hatte. Er hatte viele Kassetten im Handschuhfach herumfliegen, eine sogar von Guns'n'Roses, meiner Lieblingsband, die er einlegte.
Als ich mich räusperte, um etwas zu sagen, drehte er schnell Paradise City leiser, um mich besser verstehen zu können.
"Das letzte mal, als ich mit Luke richtig geredet habe, war dies in Cali. Dort war sein Versteck."
"Kalifornien?" fragte Sam ungläubig.
Ich nickte.
Dean runzelte die Stirn.
"Aber er war jetzt hier. In New York."
"Ja, das stimmt. Aber ich glaube nicht, dass seine sogenannte 'Familie' auch hier ist."
Gedankenverloren kaute ich auf meiner Unterlippe herum und beobachtete die vorbeiziehenden Häuser und Bäume.
"Meinst du, dass er den Weg von der West- an die Ostküste einfach so auf sich genommen hat?" fragte Sam, der sich halb in seinem Sitz drehte, um so zu mir nach hinten sehen zu können.
Ich nickte als Antwort, auch wenn Sam mich ungläubig ansah.
"Er wollte mich töten...deswegen ist er gekommen. Luke muss nicht in New York bleiben. Denn er weiß genau, dass ich zu ihm kommen werde..."
Der letzte Satz war nicht mehr als ein Flüstern, jedoch war ich mir sicher, dass beide Brüder ihn gehört haben mussten.
"Kalifornien also. Wird 'ne lange Fahrt."
Dean drehte die Musik wieder lauter und Axl Rose's Stimme durchbrach die Stille, die sich nun verbreitet hatte.
Tyr hatte sich zu meiner linken Seite auf der Rückbank niedergelassen und seinen Kopf auf meinen Schoß gesetzt. Er bellte leise im Schlaf, als ich ihn hinter seinen Ohren kraulte.
Ich hatte Angst vor Luke. Ja, das hatte ich. Sehr sogar.
Doch ich war eine Jägerin, Vampire zu töten gehörte zu meinem Job.
Mein Vater hatte mich immer davor gewarnt, dass es kein Job für schwache Nerven war. Ich hatte Nerven aus Stahl, doch dies war etwas komplett anderes.

Es war bereits dunkel geworden und Sam war im Beifahrersitz eingeschlafen. Sein Kopf lehnte gegen das Fenster, das durch seinen warmen Atem beschlagen war.
Tyr schnarchte leise neben mir, nur Dean und ich waren noch wach.
Die Musik hatte er bereits seit dem Einbruch der Dunkelheit ausgeschaltet. Ich saß im Schneidersitz mitten auf der Rückbank und starrte aus dem Windschutzfenster auf die dunkle Straße, als ich Dean's Blick auf mir spürte.
Er sah mich durch den Rückspiegel an, seine grünen Augen schienen dunkler zu sein als sonst.
"Ist etwas?" fragte ich leise mit der Intention, Sam nicht zu wecken.
Dean legte seinen Fokus wieder auf die Straße.
"Nein. Ich frage mich nur warum dieser Vampir sich die Mühe gemacht hat und nach New York gekommen ist, wenn er doch so sicher war, dass du zu ihm kommen würdest."
Ich zuckte die Schultern. Luke hatte schon immer eine Leidenschaft für Dramatik.
Vielleicht war es der Grund warum ich mich damals in ihn verliebt hatte.
Als ich noch zur High School ging war er mein Schauspiellehrer. Wegen seines guten Aussehens von allen Mädchen angehimmelt, auch von mir.
Als er eines Tages für die männliche Hauptrolle in einer Theaterprobe eingesprungen war, ich spielte die große Liebe genau dieser Rolle, haben wir uns in einander verguckt.
Ich war fast 18, er Mitte 20. Der Altersunterschied war groß aber nicht riesig, das hatte mich nicht gestört.
Heimlich trafen wir uns und verbrachten Zeit miteinander. Er war mein erster Kuss und fast noch mehr geworden.
Doch durch mich war er nun dieses Monster geworden.
Ich musste zu ihm, das war mir während des Cathleen-Falls klargeworden.
Ich hatte Schulden zu begleichen.
"Evanna? Evanna, hörst du mich?"
"Äh-ja. Ja! Sorry, was?"
Dean seufzte leicht genervt. Er musste auf mich eingeredet haben, während ich an Luke gedacht hatte.
"Tut mir leid, Dean. Ich bin müde."
Er nickte verständnisvoll, woraufhin ich mich auf die Rückbank legte und die Augen schloss.
Ich glaubte nicht an Bestimmung und Schicksal. Aber irgendwas sagte mir, dass ich Luke hatte treffen sollen. Dass es so sein musste.
Doch ich musste abwarten. Die Zeit würde meine heißersehnten Antworten schon bringen.

November Rain//Dean WinchesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt