Kapitel 10 || Black Swan

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Sam, Dean und ich saßen in meinem Wohnzimmer auf der Couch und dachten sorgfältig nach. Tyr lag neben mir, den Kopf auf meinen Schoß. Mein Hund gewöhnte sich langsam an die beiden Winchesters, es war jetzt schließlich schon ein paar Wochen her, dass sie bei uns eingezogen waren. Seit ich Hugo getötet hatte, fanden wir keine Spur, die uns zu der Lösung des Sydney-Problems führen würde.
"Vielleicht sollten wir es einfach seinlassen" sagte ich und blätterte weiter in den Zeitungsartikeln, die bereits mehrere zwanzig Jahre alt waren und die ich im Keller der RAD gefunden hatte.
"Sag sowas nicht." meinte Sam, klang jedoch nicht besonders überzeugend.
"Wir hatten bereits schwerere Fälle." fügte er hinzu.
Ich hörte mit einem Ohr zu, als ich auf einen älteren Bericht stieß. Ich las ihn durch.
"Hört euch das mal an, Jungs."
Beide Winchesters sahen erwartungsvoll zu mir auf.
"Die Tanzschülerin Cathleen D. verzauberte vergangenen Sonnabend Alt und Jung mit ihrer Rolle des schwarzen Schwans im Ballett "Schwanensee"."
Weiter las ich nicht, sondern legte die Zeitung beiseite und griff nach einem zweiten Bericht von einer Zeitungsausgabe, die drei Wochen später gedruckt wurde.
"Cathleen D., Tanzschülerin an der berüchtigten Royal Academy of Dance, verstarb eines schrecklichen Todes kurz nachdem sie ein letztes mal den schwarzen Schwan im Ballett "Schwanensee" tanzte."
Ich faltete die Zeitung und gab sie Dean, als dieser seine Hand nach ihr ausstreckte.
Es reichte, den Brüdern nur Ausschnitte der Berichte vorzulesen, denn sie wussten genau, worauf ich hinauswollte.
"Eine wütende Ballerina, die auf Rache sinnt." sprach Dean meine Gedanken aus. Ich nickte. Auch Sam leuchtete dies ein. Nachdem beide Männer sich die Berichte komplett durchgelesen hatten, strich sich Dean über die Augen und sagte:
"Na dann, finden wir die Überreste und verbrennen sie."
Er machte Anstalten aufzustehen, jedoch ließen ihn die Worte seines Bruders zurück auf die Couch fallen.
"Hier steht, dass sie bereits verbrannt wurde. Und ihre Asche wurde von einem Hügel aus verstreut."
Sam seufzte enttäuscht.
Da kam mir eine Idee.
"Vielleicht weiß Michael ja etwas über Cathleen. Das Datum stimmt, er muss zu der Zeit ein Teenager gewesen sein und die Schule ist bereits seit Generationen unter der Leitung seiner Familie."
Ich sah Sam und Dean aufgeregt an. Morgen, wenn ich zur RAD ging, würde ich Michael darauf ansprechen.

"Und eins, zwei, drei."
Meine Tanzlehrerin, Miss Black, schaltete die Musik ein. Ich stand an der Stange, abseits der Tanzfläche, und beobachtete, wie meine Mitschülerin Gabrielle den Tanz des schwarzen Schwans meisterte, ohne auch nur den kleinsten Fehler zu machen. Gabielle war eine Perfektionistin, das war bekannt. Und jeder wusste, wie wild sie auf diese Rolle gewesen war. Für mich war es nur ein weiterer Grund, Michael auf Cathleen anzusprechen.
Ich konnte mir nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen, als ich das Gesicht sah, das Gabrielle machte, als sie von ihrem Tanzpartner an der Taille geführt wurde. Es war genau das siegessichere und selbstbewusste Gesicht, das sie immer zog, wenn sie das bekam, was sie wollte.
Als die Stunde vorbei war, nahm ich meine Sporttasche und trank an paar Schlucke aus meiner Trinkflasche. Beim Rausgehen wurde ich fast von Gabrielle überrannt, die ihrem Freund, der vor dem Raum auf sie gewartet hatte, geradewegs in die Arme lief. Ich verdrehte erneut die Augen und ließ das knutschende Paar hinter mir.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch 20 Minuten meiner Pause übrig hatte.
Vor der Tür zu Michaels Büro blieb ich stehen, klopfte ein paar mal und trat in den Raum. Michaels Büro war ein sehr gemütlicher Ort. An der linken und rechten Wand standen jeweils große, weiße Schränke, die teilweise mit Büchern, Unterlagen und verschiedenen Porzellanfiguren gefüllt waren. In der Mitte des Raums, an die Wand gegenüber der Tür geschoben, stand ein brauner Schreibtisch, auf dem ein alter Rechner stand. Michael saß auf dem schwarzen Bürostuhl und blätterte durch etwas, das aussah wie ein Fotoalbum. Er schwelgte so sehr in Gedanken, dass er meine Anwesenheit erst bemerkte, als ich die Tür hinter mir mit einem leichten Knallen schloss. Er sah hoh und klappte das Fotoalbum erschrocken zu. Ich konnte nicht genau erkennen, um was für Fotos es sich handelte, doch es musste sich um sehr alte handeln, da ich im Bruchteil einer Sekunde schwarz-weiß Fotografien erkennen konnte. Was immer es auch war, es musste etwas sehr persönliches gewesen sein.
"Evanna."
Michael legte das dicke Album beiseite und bedeutete mir mit einer Handbewegung, mich zu setzten. Ich ließ mich in das weiche Leder des Stuhls fallen und legte meine Tasche dabei neben mir ab.
"Was führt dich zu mir."
Das Lächeln des alten Mannes schenkte mir ein Gefühl der Geborgenheit. Meine Mutter kannte Michael gut, sie selber war Studentin an der RAD gewesen. Sie hatte mir erzählt, dass sie irgendwann einfach den Kontakt zu Michael verloren hatte.
Ich erwiderte sein Lächeln.
"Ich habe etwas herausgefunden. Bezüglich der Morde."
Michaels Interesse war sofort geweckt.
"Und? Sind es Vampire?" fragte er angespannt. Gleich als ich eintraf, erzählte er mir von seiner Vampirtheorie. Michael war kein Jäger, er wusste jedoch über alles bescheid. Woher, hatte er mir nie gesagt und ich wollte ihn nicht bedrängen. Wahrscheinlich hatte meine Mutter ihm alles erzählt.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
"Ich glaube es ist ein Geist. Vielleicht auch mehrere. Ich verspreche dir, dass ich mich darum kümmern werd-", Michael wurde plötzlich kreidebleich und ich brach aus Sorge mitten im Satz ab.
"Alles in Ordnung?"
Ich lehnte mich im Sessel leicht nach vorne.
Michael sah mich an ohne ein Wort zu sagen. Er strich sich über die linke Gesichtshälfte und stützte seinen Arm auf dem Schreibtisch ab.
"Michael.", ich bemühte mich meine Stimme ruhig klingen zu lassen, jedoch gelang mir dies nicht besonders gut, "Kanntest du eine Cathleen D.?"
Ohne einen Muskel zu zucken, murmelte er ein "Geh."
Ich verstand nicht, versuchte seine Reaktion nachzuvollziehen. Er unterbrach jedoch meinen jämmerlichen Versuch, auf ihn einzureden.
"Sofort!" seine Stimme wurde immer lauter. Ich nahm meine Tasche und stand auf, nahm den Blick kein einziges Mal von dem Mann, der vor mir saß. Als ich die Tür hinter mir schloss, griff ich nach meinem Telefon und wählte Deans Nummer aus dem Telefonbuch.
"Hallo?" meldete sich eine tiefe Stimme vom anderen Ende der Leitung.
"Dean. Ich glaube, ich hab ne Spur."

"Das heißt er kannte sie." war Deans Antwort auf meine Geschichte. Ich hatte ihm genau geschildert, was ich eben durchlebt hatte und lehnte nun auf dem Parkplatz gegen mein Motorrad.
Ich nickte.
"Ja. Das ist die einzige logische Erklärung. Du hattest seinen Blick sehen müssen, Dean. Reines...Entsetzten. Und als ich dann auch noch Cathleens Namen erwähnte, ist er komplett ausgetickt."
Ich klemmte mir das Telefon zwischen Schulter und Ohr, während ich nach meinen Schlüsseln suchte.
Ich war der ganzen Sache einen Schritt näher gekommen. Jetzt würde ich sicherlich nicht aufgeben.

November Rain//Dean WinchesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt