Frühlingsblüten, Sommerastern, Herbstzeitlosen, Winterschnee Teil 13

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Schneeregenzyklus: Schokolade und Sahne


 Er zögerte einen Augenblick, dann stand er auf.
„Ich zeig es dir einfach."
Er verließ kurz das Schlafzimmer, und als er wiederkam, hielt er Jako einen Briefumschlag hin.
Jako sah ihn fragend an, öffnete dann den Umschlag und las das amtliche Schreiben.
Na toll.
Marti war geblitzt worden. Als er letztes Wochenende nach Salzgitter gefahren war. Zu seinen Eltern. Jako hatte nicht mitgekonnt.
Das Schreiben sagte aus, dass Marti in einer Ortschaft zu schnell gefahren war. Erheblich zu schnell.
Der Führerschein dürfte erst mal weg sein.


„Marti Fischer!", knurrte Jako, und seine Stimme bebte vor Zorn.
Marti stand neben ihm, mit gesenktem Kopf.
Jako knallte wütend mit der Hand neben sich aufs Bett.
„Marti Fischer, du kannst froh sein, dass ich versprochen habe, dich nie im ersten Zorn zu bestrafen. Wenn ich meinem ersten Impuls nachgeben würde, würdest du jetzt eine Tracht Prügel ernten, die sich gewaschen hat, und daran wäre nichts erotisch für dich, Freundchen, das kannst du mir glauben."
Er atmete durch.
Nicht los schreien, Jako, dachte er. Das bringt nichts. Lieber beruhigen, und die Sache später in Ruhe mit Marti besprechen.
„Marti", sagte er, „ich will dich nicht anschreien. Aber das fällt mir gerade schwer. Ich brauche Zeit."


Marti nickte. Und dann tat er etwas, womit Jako so nicht gerechnet hätte. Er griff nach seinem Kissen, legte es auf den Boden und kniete sich darauf. Immer noch mit gesenktem Kopf.
Jako schluckte.
„Marti, ich... gut... bleib so."
Und dann ging er in die Küche.


Als Jako das Schlafzimmer verlassen hatte, ging es Marti nicht besonders.
Er fühlte sich beschissen, um ehrlich zu sein.
Zu wissen, dass Jako stinksauer war, war schon blöd. Aber zu wissen, dass er es so sehr zu Recht war, war einfach Scheiße.
Marti schämte sich.


Jako war in die Küche gegangen. Er brauchte eine Weile bis er ein bisschen runterkam.
Wie gerne hätte er jetzt eine geraucht! Aber nein, das verkniff er sich. Er wusste, wie wichtig das Marti war.
Er musste schmunzeln. Ja, auch wenn man das als Außenstehender vielleicht nicht auf den ersten Blick sah: sein Marti erzog auch ihn, und das nicht zu knapp. Durch seine liebevolle Art, seine Aufrichtigkeit, seine Fürsorge. Eigentlich ein gutes Gefühl.
Er seufzte.
Er würde gleich in Ruhe mit Marti reden. Ihm klar machen, warum er so sauer war.
Und ihn bestrafen. Eine Strafe finden, die dafür sorgte, dass Marti in Zukunft weniger halsbrecherisch fuhr.
Er dachte an ein Gespräch von letzter Woche mit einem Kommilitonen. Ein sehr aufwühlendes Gespräch.
Und in seinem Kopf begann eine Idee, Gestalt anzunehmen.


Er holte Milch aus dem Kühlschrank und begann, eine heiße Schokolade zuzubereiten. So richtig in der Ich-nehm-mir-Zeit-Deluxe-Variante mit geraspelter Kuvertüre, Rohrzucker und Zimt. Und viel Sahne obendrauf.
Dann rief er Marti.
Der kam angetrottet und staunte, als Jako ihn bat, sich zu ihm an den Küchentisch zu setzen und das duftende, köstlich aussehende Getränk vor ihm abstellte.


„Okay", sagte Jako, „als erstes mal – zwei Wochen Hausarrest. Du wirst die Wohnung nur zum arbeiten verlassen."
Marti nickte. Er nahm schüchtern einen Schluck von der Schokolade. Sie war köstlich. Genau so, wie er sie am liebsten mochte.
„Das ist noch nicht alles", sagte Jako.
„Aber für den zweiten Teil deiner Strafe muss ich erst telefonieren und was klären."
Er sah Marti über die sahnegefüllte Tasse an.
„Aber jetzt möchte ich erst mal mit dir besprechen, warum ich so sauer bin."
Marti nickte.


„Also Marti. Es geht mir dabei doch nicht um den verdammten Führerschein. Wir wohnen mitten in Berlin, wir kommen super ohne aus. Das Auto benutze wir ohnehin nur selten.
Es geht mir auch nicht um das Brechen von Regeln. Meine Güte, das gehört zum Leben dazu."
Er sah Marti tief in die Augen.
„Nein, Marti. Es geht mir darum, dass du dich und andere in Gefahr bringst. Ich habe Angst, dass du durch deine halsbrecherische Fahrweise irgendwann mal verletzt wirst, oder noch schlimmer. Ich will dich nicht auf dem Friedhof besuchen, du Idiot. Und auch nicht im Gefängnis, weil du irgendwen totgefahren hast."


Marti schluckte. Knallharte Worte von Jako. Aber man konnte nicht bestreiten, dass der bei alledem recht hatte.
„Es tut mir leid", sagte Marti leise.
„Nein, tut es nicht", fuhr Jako ihn an, „sonst würdest du das doch nicht immer wieder machen. Immer wieder die gleiche Scheiße."
Marti schluckte.
„Ach Marti, sorry. Aber ich hab dich doch lieb und will nicht, dass dir was passiert."
„Ich weiß", flüsterte Marti, „es tut mir ehrlich leid."
Jako lehnte sich über den Tisch und streichelte seinem Mann sanft über das Haar.


„Weisst du, Jako, die Tatsche, dass du böse auf mich bist, und die Tatsache, dass es notwendig ist, mich zu bestrafen, das straft mich mehr, als eine Tracht Prügel das je könnte."
Jetzt musste Jako trotz alledem schmunzeln.
Marti war einfach so unglaublich süß.


„So", sagte Jako, und klatschte in die Hände. „Ausgetrunken?"
Marti nickte.
„Gut, dann räume bitte die Tassen in die Spülmaschine und lass mich kurz allein. Ich muss telefonieren."
Marti gehorchte und ging ins Wohnzimmer, wo Midnight auf dem Sofa lag.
Er setzte sich zu ihr und begann, sie zu kraulen.
Die Katze schnurrte und drückte sich an ihren Marti.
Das schnurrende, warme, vertrauensvolle Tier tat seiner Seele gut.


Jako kam ins Wohnzimmer. Er lehnte sich in den Türrahmen und sah zu, wie sein Mann mit der Katze schmuste. Es war ein so liebevolles, friedliches Bild und eine Welle der Zuneigung überflutete ihn.
„Marti", sagte er, „Stell dich darauf ein, dass wir beide heute Nachmittag noch mal raus müssen. So in..." Er sah auf die Uhr, „... ca. zwei Stunden."
Martis Blick fiel aus dem Fenster. Draußen stürmte und schüttete es immer noch.
Er sah zu Jako.
„Bei diesem Wetter? Ernsthaft?"
Mit einem Satz war Jako bei ihm, legte seine Hände unter Martis Kinn und drehte dessen Gesicht zu sich hoch.
„Marti", knurrte er, „du willst doch wohl nicht jetzt die Dreistigkeit besitzen, dich mir zu widersetzen?"
„Nein. Bitte sei mir nicht mehr böse. Was auch immer ich an Strafe zu tragen habe, werde ich tragen, aber bitte, sei mir nicht mehr böse."


Jako ging in die Hocke und legte die Arme um ihn.
„Ich bin dir nicht mehr böse. Ich hab dich lieb und ich sorge mich doch nur um dich, verstehst du?"
„Ich liebe dich auch, Jako."
Sie küssten sich, umarmten sich, hielten sich und spürten, wie sehr sie sich doch liebten und wie viel sie einander bedeuteten.
Es war ein wunderbarer, warmherziger Augenblick.

Im Wechsel der JahreszeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt