Collage / Tanzkurs Teil 3 - Peinlichkeit und Schlafstörung

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Marti sah ihn fragend an.
"Ich, ähm, Marti..."
Jonas stotterte. Setzte neu an.
"Marti, als ich eben zur Toilette wollte, und hier durch musste, war dein Mann gerade dabei, sich die Jacke anzuziehen. Und dann hat er mir gesagt, dass er mich süß findet und hat versucht, mich zu küssen..."
Einen Augenblick lang sah Marti ihn entgeistert an, dann begann er lauthals zu lachen.
Jonas schnappte nach Luft. Damit hatte er nicht gerechnet.
"Also wirklich", sagte Marti, immer noch lachend, "das ist ein dermaßen dummer Versuch, der ist sogar zum dafür schämen zu peinlich."
Jonas funkelte ihn wütend an.
"Ach ja? Er ist denn raus gestürmt. Ich bin hinterher, weil ich ihn zur Rede stellen wollte. Hab ich dann aber nicht, weil er draußen schon euren Kumpel umarmt hat, und ich wollte ihn nicht bloßstellen. Ich habe mich dann zurückgezogen. Aber ich habe noch gehört, wie der zu deinem Mann gesagt hat: 'Hast du es Marti schon gesagt?' Und er hat geantwortet: 'Nein.' Und euer Freund wieder: 'Du musst es ihm sagen!"

Jetzt wurde es Marti zu bunt.
Dieser Jonas ging ihm nur noch auf die Nerven.
"Jetzt hör mir mal gut zu. Erstens, was den Versuch, dich zu küssen, angeht, glaube ich dir kein Wort. Zweitens, ich vertraue Jako. Hundertprozentig. Und wenn es etwas gibt, das er mir noch nicht erzählt hat, gibt es dafür sicher einen guten Grund."
Er holte Luft.
"Und drittens. Selbst wenn ich Single wäre, würde ich nichts von dir wollen, okay? Du bist überhaupt nicht mein Typ. Und jetzt lass mich in Ruhe!"
Erneut schnappte Jonas nach Luft. Mit einer so deutlichen Abfuhr hatte er nicht gerechnet.
Marti nahm sich kopfschüttelnd die Jacke vom Haken und verließ das Gebäude.
Auf dem Weg zur U-Bahn ließ Marti seinen Gedanken freien Lauf.
Er musste immer noch lachen.
Was dieser Kerl sich dachte! Hatte er sich vorgestellt, dass er ankommt, irgendwelchen Mist behauptet und Marti daraufhin seinen Mann in den Wind schießen und mit ihm, Jonas, was anfangen würde?
Er schüttelte den Kopf. Was für ein Idiot.
Jako und irgendeinen Typen küssen. Was für ein Unfug.

Marti geriet in einen Regenguss und kam klatschnass zu hause an.
Midnight kam zur Begrüßung angeflitzt, aber er kraulte sie nur kurz, denn er wollte aus den nassen Klamotten raus. Er warf sie in ein Wäschefass im Badezimmer, duschte heiß und schlüpfte in bequemes Joggingzeug. Dann machte er sich einen Tee und kuschelte sich aufs Sofa.
Midnight machte es sich sofort auf ihm gemütlich. Sie schnurrte vor sich hin und verbreitete Wärme
Trotzdem fühlte er sich einsam.
So relativ ungeplant eine Nacht ohne Jako zu verbringen, gefiel ihm nicht besonders. Er vermisste ihn.

Er kraulte Midnights Fell. Zwischen den Öhrchen und im Nacken, das mochte sie besonders gerne.
"Was meinst du, Kleine, magst du heute bei mir im Bett schlafen? Dann fühle ich mich nicht so alleine."
Sie maunzte.
Marti lächelte und sagte:
"Ich betrachte das mal als Ja."
Martis Gedanken bewegten sich im Kreis und kehrten immer wieder zu dem zurück, was Jonas gesagt hatte.
Das Gespräch zwischen Jako und Felix, das er angeblich belauscht hatte.
Hatte er das wirklich, oder hatte er sich das ebenso aus den Fingern gesogen, wie die Sache mit dem Kuss?
Was der sich wohl dabei gedacht hatte?
Wirft ein paar erlogene Sätze in den Raum, und glaubt, damit eine glückliche, stabile und vertrauensvolle Beziehung auseinander zu bringen?
Was für ein Unfug.

Später am Abend nahm Marti sein Handy und wählte Jakos Nummer.
Zu seinem Erstaunen ging Felix dran.
"Ja, hallo Marti!"
"Hallo, Felix. Wo ist denn Jako?"
"Du, der ist gerade dabei, sein neues Schmuckstück in Empfang zu nehmen. Da hat er mir das Handy gegeben. Weißt doch, wie er ist. Er möchte gerade nicht gestört werden."
Marti grinste. Ja, das konnte er sich sehr gut vorstellen.
Dann überlegte er einen Augenblick. Sollte er Felix fragen? Ob Jako ein Geheimnis hatte?
Kurzzeitig erwog er sogar, Felix die ganze, unangenehme Geschichte zu erzählen. Aber dann entschied er sich doch dagegen.
"Okay, dann grüß ihn von mir, ja?"
"Mach ich, Marti."

Marti ging schlafen, er fühlte sich irgendwie unwohl und müde.
Im Halbschlaf dann begannen seine Gedanken, seltsame Wege zu gehen.
Das mit dem angeblichen Kuss -Versuch...so ein Blödsinn.
Oder?
Ein kleiner Zweifel schlich sich an und bohrte sich in sein Hirn. Immerhin war so etwas ja schon mal vorgekommen.
Nun gut, damals war Jako betrunken gewesen. Das entschuldigte zwar nichts, erklärte es aber. Das war also eine völlig andere Situation gewesen.
Einfach so, während sein Mann sich quasi im Nebenraum befand, irgendjemanden zu küssen, traute er Jako nicht zu.
Das würde er nie tun.
Warum auch, er liebte doch seinen Marti, und sie hatten ein ausgeprägtes Sexleben und tauschten viel und hingebungsvoll Zärtlichkeiten aus.
Er hatte keinen Grund, so etwas zu tun.
Einen Grund hatte er im Sommer auch nicht, bohrte der Zweifel weiter. Und jetzt hat er sogar noch Geheimnisse vor dir...
Ach verdammt, dachte Marti.
Ich habe ihm doch verziehen. Und er hat es mir versprochen, treu zu sein. Ich vertraue ihm. Na, wenn du meinst, bohrte der Zweifel. Aber das hast du im Sommer auch. Und trotzdem.
Marti wälzte sich herum.
Ach, lass mich doch in Ruhe, dachte er.
Er schlief schlecht. Die ganze Nacht hatte er seltsame Träume. Von Jako, der irgendwelche Leute küsste. Männer, Frauen, ohne wirkliches Gesicht. Und der sich dabei über ihn, Marti, amüsierte, ja geradezu ausschüttete vor Lachen.
Er wachte mehrfach schweißgebadet auf. Selbst Midnight wurde es irgendwann zu viel, und sie verzog sich auf den Teppich vor dem Bett.

Als Marti am Morgen aufstand, fühlte er sich wie gerädert. Sein Kopf brummte, und er war müde, als hätte er kein Auge zu bekommen.
Er rief im Studio an und meldete sich krank. Das war nicht so schlimm, da heute keine Szene mit ihm gedreht werden sollte. Er könnte die Zeit nutzen, um Texte zu lernen.
Aber erst mal musste er ein bisschen klar kommen.
Er ging ausgiebig duschen. Dadurch fühlte er sich etwas besser.
Dann verließ er kurz die Wohnung und holte sich frische Croissants vom Bäcker. Dazu Kaffee, Frühstücksei und Erdbeermarmelade (selbstgemachte von Omi Lindner).
Er frühstückte in aller Ruhe und ließ sich Zeit dabei.
Anschließend räumte er die Küche auf, setzte sich an seinen Schreibtisch, der in seinem Musikzimmer stand und begann mit dem Texte lernen.
Es ging nicht besonders gut, da seine Gedanken immer wieder abschweiften.
Ach, wenn Jako doch bloß endlich wieder hier wäre!
Dann könnten sie reden, und alles käme wieder in Ordnung.

Im Wechsel der JahreszeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt