Frühling, Sommer, Ja Teil 12 - Telefon und Weisheit

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Das Festnetztelefon in der Fischer- Joikoschen Wohnung fristete ein trauriges Dasein. Es hatte schon oft neidisch zu seinen Brüdern, den Handys, geschielt, die offensichtlich einen regen Kontakt zur ganzen Welt hatten und dann auch noch liebevoll herumgetragen wurden... man spielte sogar mit ihnen...oh Mann, diese Dinger wurden echt verwöhnt.


Das arme Telefon hatte vor lauter Verzweiflung schon versucht, sich mit seinem Kabel zu erdrosseln, war aber von Marti im letzten Moment, und dann noch aus Versehen, gerettet worden...
Danach war es in dumpfes Brüten verfallen und vegetierte nun vor sich hin.


An diesem Tag jedoch klingelte es plötzlich. Es erschrak selber vor seinem eigenen, ungewohnten Geräusch, und dass es vor Schreck keinen Herzinfarkt bekam, lag einzig und allein daran, dass es... gar kein Herz hatte.
Jedenfalls klingelte es.
Jako ging dran.
„Joiko?"


„Ja, Hallo Schwiegersohn. Fischer hier."
Jako grinste. Er hatte seine Schwiegermutter inzwischen ganz schön ins Herz geschlossen.
Die Fischers wirkten nach außen hin wesentlich distanzierter als seine eigenen Eltern, aber wenn man sie erst mal besser kannte, waren sie ziemlich cool.
„Hallo Frau Fischer. Wie geht es Ihnen?"
„Gut, aber ich möchte eher wissen, wie es meinem Sohn geht."
Jako lächelte.
„Marti hat die OP gestern gut überstanden. Es geht ihm gut, er unterhält die gesamte Schwesternschaft mit seinen Blödeleien. Die haben ihn alle ins Herz geschlossen und fressen ihm aus der Hand."
Frau Fischer lachte.
„Das kann ich mir gut vorstellen. Der verrückte Bengel."
Nun lachten sie beide.


„Jakob, hören Sie mal. Wir haben gestern die Hochzeitseinladung bekommen. Sie ahnen ja gar nicht, wie sehr wir uns freuen!"
Jako strahlte. Das tat gut.
„Wissen Sie, wir wissen nur zu gut, dass unser Marti verdammt anstrengend sein kann. Und irgendwie haben wir immer befürchtet, dass Sie... ach verdammt, Jakob, was halten Sie davon, wenn wir endlich mal zum Du übergehen?"
„Gerne", sagte Jako und strahlte noch mehr.
„Also Jakob, du kannst mich beim Vornamen nennen, oder einfach Mama, so wie Marti das macht."
„Okay, Mama."
„Wie auch immer, wir haben befürchtet, dass du irgendwann von seiner Verrücktheit die Nase voll hast und ihn zum Teufel jagst. Dabei mochten wir dich von Anfang an, und wir denken, mit dir an seiner Seite wird er das Leben schon meistern. Du bist der Richtige."


Jako war sprachlos.
Absolut glücklich und sprachlos.
„Dankeschön..."
„Um so mehr freuen wir uns, dass ihr nun tatsächlich heiraten werdet. Wir werden selbstverständlich kommen. Martis Bruder hat vorhin ganz begeistert hier angerufen, er und seine Freundin kommen auch. Wir kümmern uns um Hotelzimmer, auch für die beiden gleich mit, darum müsst ihr euch also nicht sorgen."
„Na ja, also, wir hätten sonst auch noch unsere Schlafcouch zu bieten..."
„Ach Blödsinn. Haltet euch eure Wohnung für die Hochzeitsnacht lieber gästefrei", sagte sie, und Jako hörte regelrecht das Augenzwinkern.
Wieder lachte sie beide.
Als sie nach einer Weile auflegten, fühlte Jako sich wohl und zufrieden. Er war in Martis Familie angekommen.
Das Telefon war enttäuscht. Wenn es nach ihm ginge, hätten die beiden noch ein paar Stunden weiter reden können.


Eine halbe Stunde später war er auf dem Weg in die Klinik.
Marti saß zufrieden in seinem Bett, das Laptop auf den Knien, das Jako ihm gebracht hatte.
Er hatte am Sonntag noch ein Vlogvideo hochgeladen gehabt, wo er der Community von der bevorstehenden OP erzählt hatte. Nun las er Kommentare, und es waren fast durchweg nur Genesungswünsche und sonstige liebe Wünsche.
Und da er ziemlich viel Langeweile hatte, nahm er sich die Zeit, viele der Kommentare zu beantworten. Etliche Fangirls würden wohl heute mal wieder in Ohnmacht fallen.


Er freute sich, als Jako das Zimmer betrat. Er stellte das Laptop auf das kleine Nachtschränkchen.
Sie umarmten und küssten sich.
„Schön, dass du da bist, Jako."
„Ich hab immerhin Sehnsucht nach dir, Frechdachs."
Marti schob Jako ein Stück von sich.
„Hast du auch, wie versprochen, brav regelmäßig gegessen? Obwohl ich nicht da bin?"
„Ja, hab ich."
„Und ...die Finger von den Zigaretten gelassen?"
„Jaha! Meine Güte, Marti, wenn man dich so hört, käme niemand auf die Idee, dass du es bist, der mir Gehorsam schuldet", sagte Jako und lachte mit seiner tiefen, sexy Stimme.
„Es gibt eben Dinge, bei denen ich auf dich aufpassen muss!"
„Und das machst du auch sehr eindringlich. Du bist echt süß", sagte Jako, und dann küsste er Marti auf die Nasenspitze.


„Deine Mutter hat angerufen. Sie hat mit das Du angeboten, und sie freuen sich total..."
Und Jako erzählte von dem Gespräch mit seiner Schwiegermama.
Bei dem Hinweis auf die gästefreie Wohnung musste Marti schmunzeln.
„Tja, das ist eben meine Mama. Eine weise Frau. Nun weißt du endlich, von wem ich das habe."
Jako grinste
„Du und weise?", neckte er.
„Das ist mir neu."
„Aber selbstverständlich. Ich bin die Weisheit in Person", sagte Marti, und sah dabei dermaßen irre drein, dass Jako in schallendes Gelächter ausbrach.


Als er später am Abend oben in der WG saß und nach einem guten Abendessen (Er hatte in der WG-Küche tatsächlich für die anderen gekocht, eine Reispfanne mit Spargel und Erbsen, gar nicht schlecht) mit Frodo ein bisschen zockte, war er mit sich und seiner Welt im reinen.


Manchmal passt einfach alles, dachte er, manchmal ist das Leben einfach gut.

Im Wechsel der JahreszeitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt