Eine Woche später, zum nächsten Kursabend, war diesmal Marti pünktlich. Er hatte es geschafft, sich mal wirklich rechtzeitig aus dem Studio los zu eisen. Ehrlicherweise lag es an ihm, wenn er zu spät dran war, denn er war im Job einfach der Perfektionist, der unbedingt "dies und jenes noch zu Ende bringen" wollte.
Heute hatte er sich jedoch bewusst gemacht, dass gemeinsame Dinge mit Jako einfach wichtiger waren.
Die Kollegen hatten sich eins gegrinst, als er fast verlegen gewesen war, als er pünktlich zum Ausgang gestrebt war.
Er war gerade dabei, die Schuhe zu wechseln. Jako war noch nicht da, es war aber auch noch eine Viertelstunde Zeit.
Die Tür zum Garderobenraum öffnete sich und zwei weitere Paare traten ein. Eines davon waren Jonas und seine Schwester.
Während Marti sich die Schuhbänder zu band, spürte er, dass jemand vor ihn getreten war. Er schaute nach oben.
Jonas.
"Hi", sagte der.
"Hi", antwortete Marti.
"Dein Tanzpartner noch nicht da?"
"Sieht so aus."
"Ähm....", stotterte Jonas, "hätt...hättest du eventuell heute Lust, mit mir etwas trinken zu gehen?"
Marti bemerkte, dass Jako den Raum betrat. Der wirkte gestresst.
Marti war ein Freund klarer Verhältnisse. Und es tat ihm leid, dass ihr kleiner Spaß, den sie beim letzten Mal miteinander gespielt hatten, also so zu tun, als hätten sie sich hier gerade erst kennen gelernt, bei Jonas offensichtlich falsche Vorstellungen ausgelöst hatte.
"Hör mal. Es tut mir leid, Jonas, das ganze war eigentlich ein Spaß zwischen Jako und mir. Wir haben eigentlich nur ein bisschen rumalbern wollen und hatten keineswegs vor, dich damit zu foppen. Um es kurz zu machen, Jako und ich kennen uns schon recht lange, und wir sind nicht nur ein Paar, wir sind miteinander verheiratet. Tut mir leid."
Dann stand er auf und wandte sich an Jako, der das mit bekommen hatte. Er legte seine Hände in Jakos Nacken, zog ihn zu sich und küsste ihn zärtlich. Unmissverständlich.
Jonas wurde erst rot, dann blass, dann wieder knallrot. Er fühlte sich verschaukelt. Er war sauer.
Vor allem, weil seine Schwester so etwas schon geahnt hatte. Er hatte es ihr nicht geglaubt, hatte es nicht glauben wollen. Er fand diesen Marti nun mal heiß, und hätte gerne was mit ihm angefangen.
Er hasste es, wenn seine Schwester recht behielt.
Er hasste es, wenn er nicht bekam, was er wollte.
Er würde das nicht einfach so hinnehmen.
"Ich wollte das nicht im Raum stehen lassen", sagte Marti zu Jako. Der nickte. Ja, war wohl vernünftiger so.
Dann grinste er.
"Hast dir die Chance auf ne aufregende Affäre gerade kaputt gemacht."
Marti lachte.
"Erstens genügt du mir völlig, uns solange du dich ein bisschen anstrengst und das so bleibt, habe ich keinen Bedarf, außerhalb der eigenen Küche zu essen. Und außerdem wäre Jonas nicht mein Typ."
"Ach",fragte Jako, "was ist denn so dein Typ?"
Marti grinste.
"Groß, schlank, feingliedrig, langhaarig."
Er schaute abschätzend in Jonas Richtung.
"Weil, klein, gedrungen und strubbelig bin ich selber."
Das stimmte, Jonas war ihm vom Typ her durchaus nicht unähnlich.
Jako lachte.
"Ich dachte, Marti, du würdest dich mögen, so wie du bist?"
"Tu ich ja auch. Aber im Bett stehe ich eben nicht so sehr auf meinen eigenen Typus. Sonst brauchte ich zum Sex ja keinen Gatten, sondern nur nen Spiegel. Wäre billiger."
Einen Augenblick schaute Jako verblüfft drein, dann prustete er los, und Marti lachte mit ihm mit.
Es machte Spaß, so aus voller Seele fröhlich zu sein.
Jonas jedoch, der sich mit seiner Schwester unterhalten hatte und ihr Gespräch nicht mitbekommen hatte, war der festen Überzeugung, sie würden sich über ihn ausschütten vor Lachen. Sich über ihn lustig machen.
Das würde er so nicht hinnehmen.
Während Jako und Marti in den Kursraum gingen, kratzte Jako sich etwas verlegen am Hinterkopf.
"Hör mal, Marti..."
"Ja...?"
"Ich habe eine Gitarre ersteigert. Ein ganz besonderes Stück. Die, von der ich dir erzählt habe."
Marti nickte. Ja, sein Mann hatte davon erzählt, regelrecht geschwärmt. Und er konnte das gut nachvollziehen. Sie war wirklich etwas besonderes. Etwas edles. Mit Seele.
"Na ja, und ich soll sie so schnell wie möglich abholen. Der Typ hat wohl schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn ich sie nicht spätestens bis morgen abgeholt habe, tritt er von der Absprache zurück."
Jako seufzte.
"Felix und ich wollen gleich noch los. Das ist im tiefsten Brandenburg, wir nehmen den Zug, bleiben über Nacht dort und kommen morgen zurück. Das heißt... wenn das für dich okay ist?"
Marti nickte. Natürlich war es das. Er würde sich doch da nicht in den Weg stellen. Er spürte doch Jakos Begeisterung. Das war es doch wert, mal einen Abend alleine verbringen zu müssen.
"Ich müsste dann gleich noch zehn Minuten eher hier raus, um es noch rechtzeitig zum Bahnhof zu schaffen..."
"Na klar", sagte Marti. "Ich freue mich doch für dich."
Er küsste Jako erneut, so lange, bis Patrice den Raum betrat und die Tanzstunde eröffnete. Jonas hatte das Gespräch belauscht, und in seinem Kopf formte sich ein Plan.
Als Jako tatsächlich 10 Minuten vor Schluss den Raum verließ, behauptete er, dringend zur Toilette zu müssen, und ging ebenfalls kurz raus. Als er zurückkehrte, trug er eine sorgenvolle Mine zur Schau.
Patrice hatte wegen der entstandenen Unruhe die Stunde bereits beendet und alle gebeten, auf der ausliegenden Anwesenheitsliste eine aktuelle Telefonnummer zu hinterlassen, da es eventuell sein könne, dass die Stunde nächste Woche ausfiel. Er würde sie selbstverständlich zum Schluß hinten dran hängen.
Während Jonas sein Handy zückte, denn wie die meisten hatte auch er seine eigene Nummer nicht im Kopf, nutzte er die Gelegenheit, schnell Martis Nummer zu notieren. Vielleicht würde ihm das noch mal nützlich sein.
Martis Gedanken waren bei Jako.
Er liebte diese Begeisterung bei seinem Mann.
Instrumente waren für ihn Lebewesen. Man konnte sie lieben, auf jeden Fall liebkosen, man musste sie mit Respekt behandeln.
Sie waren ein großer Teil seines Lebens.
Nun, das war bei ihm, Marti, auch nicht anders.
Er liebte Musik, das war seine Welt, und daher behandelte auch er seine Instrumente sehr sorgsam.
Er freute sich auf den Moment, wo er morgen von der Arbeit nach Hause kam und einen strahlenden oder vielleicht auch völlig versunkenen Jako vorfinden würde
Er grinste.
Wie er Jako kannte, würde der morgen die Uni schwänzen. Na ja, sie würden ohnehin erst am späten Vormittag zurück in Berlin sein. Da käme es dann auch nicht mehr drauf an.
Beim Schuhe Wechseln wurde er wiederum aus seinen Gedanken gerissen.
Jonas stand vor ihm.
"Marti, ich muss dich mal sprechen. Ich muss dir was sagen."
Der Blick aus Jonas' Augen verhieß nichts gutes.
Marti schluckte.
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Im Wechsel der Jahreszeiten
FanfictionDie Geschichte schließt sich an an die Geschichte "Nimm mein Herz und führe mich" an. Es geht wieder um Marti und Jako (Jarti), um ihre Beziehung, die in einer Ehe mündet, um Ehealltag und Highlights, um führen und gehorchen, und um allerlei Verwick...