16 Uhr dreißig würde ihr Zug fahren, hatte Jako gesagt.
Kurz vor vier fuhr ihr Taxi am Bahnhof vor.
Marti war kaum noch zu bändigen vor Ungeduld und Neugier.
Jako zog den großen Koffer, den mit den Rollen, und trug auf den Rücken geschnallt eine von Martis Gitarren in einem Futteral. Ganz ohne Musik ging es eben nicht.
Marti hatte den kleineren Koffer und auf dem Rücken einen Rucksack mit etwas Proviant. Jako hatte gesagt, sie würden etwas länger unterwegs sein.
„Mann, Jako, nun sag schon..."
„Marti, gleich wirst du es erfahren, aber wenn du jetzt nicht die Klappe hältst und aufhörst zu nerven, kehren wir auf der Stelle um und vergessen die Reise!", drohte Jako grinsend, wohl wissend, dass Marti ihm kein Wort glaubte.
Marti hibbelte rum und platzte schier vor Ungeduld.
Trotzdem riss er sich zusammen und versuchte, etwas ruhiger zu sein.
Jako stellte den Koffer ab und sagte:
„Bleib kurz hier, ich schaue eben nach, ob das mit dem Bahnsteig passt, ja?"
Marti nickte.
Und während Jako vor diesem hässlich gelben Abfahrtsplan stand, atmete er tief durch und genoss einfach von Herzen die Vorfreude auf ein paar herrliche Tage mit seinem Ehemann, weit weg vom Alltag. Nicht, dass ihm der Alltag nicht Spaß machte. Mit Jako, seinem Schatz, war der Alltag schön, weil er voller Liebe war.
Aber trotzdem war es toll, einfach mal woandershin zu fahren und Zeit nur für sich zu haben.
Für Midnight war gesorgt. Sie würden die kleine vermissen, aber sie war in besten Händen. Sie hatten beschlossen, sie in ihrem Revier, also ihrer Wohnung, zu belassen. Felix und Bianca, Frodo und Vanessa, Frau Lindner, die Spacies und Dominik würden sich abwechselnd um sie kümmern, sie füttern, das Katzenklo säubern und mit ihr kuscheln.
Marti hatte sie vorhin noch eine ganze Zeit auf dem Schoss gehabt, sie gekrault und ihr erklärt, dass sie eine Weile weg sein würden, aber sie würden wiederkommen, sie solle sich keine Sorgen machen. Sie hatte gemaunzt, und Marti war beinahe davon überzeugt, dass sie jedes Wort verstanden hatte.
Jako kam zurück.
„Passt alles. Wir müssen zum Bahnsteig zehn."
Er nahm den Koffer und zog ihn ein paar Schritte in die angegebene Richtung. Marti trottete hinterher.
Plötzlich blieb Jako stehen, drehte sich um und sagte erschrocken:
„Marti, Scheiße, ich habe die Tickets vergessen!"
Marti blieb einen Augenblick vor Schreck die Luft weg, bis er das schelmische Funkeln in Jakos Augen bemerkte.
„Oh Mann, Jako, du Vollidiot, für einen Augenblick habe ich dir das geglaubt!"
Sie lachten beide.
„Wir müssen dann zu Wagen sieben, Abteil 32", sagte Jako.
Sie gingen die Treppe zum Bahnsteig zehn hinauf.
So.
Nun war es soweit.
Dort oben war so eine Anzeigetafel.
Und dort stand:
„Fernreisezug Berlin – Venedig"
Martis Herz machte einen Sprung.
Venedig?
Venedig!
Marti quietschte vor Freude, es klang irgendwie wie eine Mischung aus Gummi-Entchen und ungeölter Zimmertür.
„Jako, Dein Ernst? Wir fahren nach Venedig?"
Jako, der sich über die so offensichtliche Freude seines Mannes königlich amüsierte, lächelte und nickte.
„Gut?" fragte er.
„Ghuuuut!" rief Marti.
Wenn sie nicht beide so bepackt gewesen wären, hätte er ihn regelrecht angesprungen.
„Komm, lass uns unseren Wagen suchen", sagte Jako, und sie zogen am Zug vorbei, bis sie ihre Plätze gefunden hatten.
Es waren zwei Plätze in einem Liegewagen, und wie es ausschaute, waren die anderen beiden Liegeplätze nicht vergeben. Also würden sie mit etwas Glück die Nacht über in dem Abteil unter sich sein.
Klasse.
Sie richteten sich ein und Jako hatte seinen Spaß an Marti, der sich freute wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum.
Genau 16 Uhr dreißig ertönte der Pfiff, und der Zug setzte sich in Bewegung. Jako und Marti saßen aneinandergekuschelt, Arm in Arm und sahen zu, wie er die Menschen und den Bahnhof hinter sich ließ und zwischen Häuserschluchten, Gärten und Straßen dahinfuhr.
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Im Wechsel der Jahreszeiten
FanficDie Geschichte schließt sich an an die Geschichte "Nimm mein Herz und führe mich" an. Es geht wieder um Marti und Jako (Jarti), um ihre Beziehung, die in einer Ehe mündet, um Ehealltag und Highlights, um führen und gehorchen, und um allerlei Verwick...