22.Kapitel

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„Carson". Als erstes stiftet das Wort nur Verwirrung, doch dann erinnere ich mich wieder an die Vorahnung vom Puppenmacher. Carson ist nicht ein Wort oder ein Begriff, es ist ein Name. Alles was ich mit diesem Namen verbinde ist vollkommen negativ. Mein Herz beginnt heftig zu pochen und kalter Schweiß beginnt sich auf meinem Körper zu bilden. Mein Mund wird trocken und ich versuche die Angst herunter zu schlucken. Meine Handflächen sind  auch feucht geworden, diese färben sich grün vom Moos, dass am Baum wächst, doch mir darüber weiter Gedanken zu machen wäre fahrlässig. Ich habe plötzlich den Drang diesen Carson anzugucken um zu erfahren vor wem ich mich hüten muss, doch bevor ich meinen Kopf umdrehe um zu schauen schaffe ich es noch diesen Drang zu unterdrücken. Nun stehe ich starr und stumm hinter diesem Baum der mir das Gefühl gibt versteckt zu sein. Ich bin froh, dass ich mich hinter diesen Baum retten konnte und so kehren meine Gedanken wieder zu Josephine zurück. Schnell blicke ich zu ihr und schaffe es nur meine Augen zu bewegen, sodass mein Körper immer noch versteckt ist. Ihre Augen sind auf Carson geheftet und ihre Atmung geht nur noch Stoßweise. Sie verkörpert die pure Angst und meine Schuldgefühle kommen immer mehr an die Oberfläche. Aber ich musste an mich denken, denn wenn ich es nicht getan hätte wären wir beide entdeckt worden. Ich beobachte sie wieder und genau in dieser Sekunde dreht sie ihr bleiches und vor Angst gelähmtes Gesicht zu mir. Ich sehe, dass die Furcht und Verzweiflung ihre Augen verzehrt. Sie sieht mich an, aber nicht wütend oder enttäuscht, sondern einfach als ob ich im Moment das einzige für sie wäre auf das sie bauen kann. Ich begegne ihrem ängstlichen Blick traurig, aber verständnisvoll. Was werden wir jetzt tun, wo Carson hier ist? Wir gucken uns weiter an bis seine Stimme das erste Mal in meinen Ohren erklingt. Sie ist tief und hat einen befehlerischen und harschen Ton. Josephine wendet ihren panischen Blick sofort wieder zu ihm und ich drücke meine Hände zu einer Faust um nichts zu tun, was ich bereuen würde. So hören wir ihm beide zu, voller Furcht. Ich im sicheren Schutz der moosbewachsenen Tanne und sie völlig Schutzlos auf der Straße. „Komm jetzt sofort hierhin! Was erlaubst du dir eigentlich? Ich hoffe du weißt, dass diese Aktion schreckliche Folgen für dich und deine Freunde im Haus hat! Aber wie hast du es eigentlich raus geschafft? Hat dich jemand unterstützt? Ist dieser jemand zufälliger Weise neben dir, da wo du andauernd hinschaust und man einen kleinen Teil eines Zehs sehen kann? Aber das würdest du mir doch sofort sagen nicht wahr Josephine? Du vertraust mir doch und unterstützt mich." Seine Worte triefen nur so von gespielter Ironie und Sarkasmus. Er hat mich bemerkt, ich bin nicht mehr sicher und war es auch nie! Natürlich habe ich sofort meinen Zeh weggezogen, als er ihn erwähnte, doch das bringt jetzt überhaupt nichts mehr. Soll ich einfach auf drei mit Josephine loslaufen und mein Glück versuchen? Oder hat er eine Pistole? Das würde diesen Plan verhindern. Doch die Option mich zu stellen und erneut in diese Hölle zu kommen, steht hinter der Option bei der Flucht erschossen zu werden, denke ich. Doch bevor ich weitere Fluchtpläne in meinem Kopf aufbauen und zerschlagen kann, beginnt Carson mit kindlicher Stimme Josephine anzusprechen:" Wenn du nicht zu mir kommst, komme ich zu dir! Verstanden meine kleine? Ich weiß doch, dass du viel lieber ein Geschenk basteln möchtest und nicht durch diesen endlosen Wald laufen willst. Es soll Morgen sogar regnen und dann wären deine hübschen Anziehsachen dreckig. Du musst mir nur den Gefallen tun und die kleine Spaßverderberin bei dir behalten, damit sie uns helfen kann! Schaffen wir das zusammen?" Die Gesichtszüge von Josephine entgleiten und sie schüttelt wild ihren Kopf, ich kann ihr den Kampf der in ihren Kopf zwischen beiden Persönlichkeiten herrscht ansehen, jedoch habe ich keinen blassen Schimmer wer die Oberhand gewinnen wird. Das geht eine ganze Zeit so weiter, bis sie ihren Kopf wie in Trance wieder nach oben richtet und ein entschlossenes und leicht kindliches „Ja natürlich." über ihre Lippen lässt. Sie wendet sich wieder an mich, doch diesmal mit einem völlig anderen Gesichtsausdruck. Ein glaubhaftes und kindliches Lächeln, so wie von einem kleinen Mädchen das noch an den Weihnachtsmann glaubt. Josephine schaut hektisch zwischen Carson und mir hin und her. Er nickt zustimmend in ihre Richtung und ich erkenne, dass die Entscheidung in diesem Moment gefallen ist und es sehr schlecht für mich aussieht. Doch ich weiß was meine Priorität ist, nie wieder da rein zu kommen, egal was es kosten wird. Schlimmsten falls mein kurzes Leben. Mein Kopf fängt an Strategien zu entwerfen, wie ich Carson erstmals loswerde und Josephine erneut überzeuge in ihre andere Persönlichkeit zu fliehen, sodass sie ihn nicht unterstützen kann. Ich schaue mich um und entdecke dieses mal rein gar nichts was mir in dieser Situation annähernd helfen könnte. Deshalb wende ich meinen Blick zu Carson und prüfe seine Hände und Hosentaschen, ob dort irgendwelche Gefahren für mich lauern könnten. Ich habe etwas Glück und entdecke keine Pistole, jedoch erkenne ich eine zierliche Spritze in seiner Hosentasche, wahrscheinlich eine Betäubungsspritze. Plötzlich packt jemand fest meinen Arm an. Ich drehe mich schnell um, erkenne Josephine und versuche mich nach meinem kurzen Schreck, ihr zu entziehen, doch sie lässt nicht locker. Sie ist leider stärker als ich vermutet hatte. Somit werde ich vollständig aus meinem unsicheren Versteck gezogen. Josephine lächelt Carson zu und winkt ihn fröhlich herbei, dieser zwinkert mir zu und behält uns beide in seinem Blickfeld. Er kommt im strammen Schritt auf uns zu und ich weiß, dass ich fast verloren bin, doch ich bin mir nicht im Klaren wie ich jetzt handeln soll. Er hat uns fast erreicht und ich versuche weiter mich Josephine zu entreißen, leider erneut ohne jeglichen Erfolg. Ich trete ihr stark gegen das Schienbein, aus Überraschung und Schmerz, lässt sie endlich meinen Arm los. Ich beginne zu rennen, in diesen dunklen und geheimnisvollen Wald. Es dämmert inzwischen und bald könnte man den Sonnenuntergang entdecken. Leider komme ich mit dem laufen nicht sehr weit, da Carson und Josephine mir hinter her sprinten. Nach einigen weiteren Meter packt Carson mich am Arm. Ich muss jetzt handeln und kann keinen meiner geliebten Pläne entwickeln. Während ich so überlege falle ich hin und Carson liegt über mir. Währenddessen grinst er mich verschmitzt und angsteinflößend an. Trotz seines normalen Gewichts fällt es mir schwer zu atmen und mich zu bewegen. Die einzige Bewegung die ich ausführen kann ist ein leichtes winden meines Körpers oder die Bewegung einzelner Finger. Doch Stopp, er liegt über mir und ich könnte ganz leicht an seine Hosentasche kommen. Meine Finger pressen sich unter ihm in diese Richtung, doch bevor ich zu greifen kann, steht er auf und hält mich im Polizeigriff. Dieser Griff schmerzt sehr in den Armen und ich hatte gehofft ihn niemals ertragen zu müssen. Ich versuche mich durchbeißen und treten zu befreien. Daraufhin verlässt sein Mund nur ein genervtes Seufzen und er rollt wahrscheinlich seine Augen. „Wenn du nicht anders willst muss ich dir wohl etwas zum Ruhigstellen verpassen!" Er zückt die Spritze und will sie brutal in meinen Arm stechen, der immer noch schmerzt. Jedoch bricht er abrupt ab und richtet sich an Josephine. „Meine Liebe, du willst doch sicher keine Bestrafung?" fragt er mit einem hinterlistigen Unterton. „Nein natürlich nicht, sonst werde ich das mit dem Basteln nicht hinkriegen.!" Als sie diesen Satz ausspricht, wirkt sie mir wirklich traurig. Dies wirkt jedoch so irrational, gegenüber dem was er ihr schon alles angetan haben muss. Ich denke sie hat den ganzen Schmerz nicht mehr mit ihrer normalen Persönlichkeit ausgehalten und ist deshalb in diese zweite Person geflüchtet „Dann gib ihr doch diese kleine Spritze!" Ich schaue Josephine bettelnd an und versuche mit ihr zu reden und sie zu überzeugen. Josephine jedoch schaut mich nicht an und ergreift schnell die Spritze, die meinen Untergang in dieser Minute theoretisch darstellt. Ich muss sie für nur einen kurzen Moment zum Zögern bringen. Zu einem kleinen Aussetzer der Persönlichkeit. Meine Gedanken wiederholen all das gesagte und ihre kleine Katze Stella schießt mir quasi in den Kopf, keine Sekunde zu spät, denn sie setzt grade die Spritze an meinen bleichen und geschwächten Arm an. „Hey Josephine, ich weiß das du keinen Ärger bekommen willst aber schenk mir nur eine Minute, bevor du diese Spritze verwendest!" Josephine schaut zu Carson um nach Erlaubnis zu fragen, dieser nickt ihr zu und blickt mich mit zweifelnden Blick an. Schnell wende ich mich wieder an Josephine „ Hey denk mal nach. Was hast du hier? Was hält dich hier? Hier ist nichts! Nur Schmerz, Kälte und Grausamkeit! Ein Leben ohne Hoffnung! Das bist nicht du! Du musst mir glauben du verdienst keine Bestrafungen von keinem Menschen auf der Welt! Sie sind unsere Peiniger und nicht unsere Retter! Versteh es doch, wir beide verdienen ein glückliches Leben in der Freiheit bei unserer Familie und unseren Freunden! Ich weiß nicht was passiert ist oder wie lange du schon hier bist, aber ich kann dir sicher sagen du wirst Hilfe bekommen! Ich werde auch für dich da sein! Bitte denk an deine Eltern! Selbst wenn dir das nichts bedeutet, denk an Stella. Wie allein sie doch sein muss. Ganz ohne deine Liebe ihr gegenüber! Sie wird dich schrecklich vermissen! Genau wie deine Eltern! Die Welt vermisst dich, du weißt so vieles nicht mehr über die aktuelle Welt! Natürlich ist es schwer all das zu vergessen, doch wenn du bleibst wirst du hier sterben! Und hier zu sterben bedeutet dann für immer den vergessenen beizutreten. Niemals einen ersten Kuss zu erleben oder den Abschluss zu schaffen. Keine Träume mehr! Keine Wünsche! Niemals eine richtige Zukunft! Fühlst du denn nicht das dir etwas fehlt, dieses Stück im Herzen? Denk doch mal daran was du schon alles erlebt hast. Oder denk einfach an etwas einfaches, Weinachten mit deiner Familie. Denk mal daran wie dir Kekse auf der Zunge zergangen sind und das ganze Haus nach Weinachten roch ..." Carson unterbricht mich mitten im Satz. „Es reicht!" Jedoch genügte es und danke Gott, ich habe es geschafft sie zu überzeugen. Dies erkenne ich an dem Fluss aus Tränen der über ihre und meine Wangen läuft. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich angefangen habe zu weinen. Nun stehen wir hier und weinen uns die Seele aus dem Leib. Teils Erleichterung, Teils Verlust der jungen Jahre. Diese Situation wird natürlich von unserem zweiten Folterer unterbrochen, durch ein genervtes Aufstöhnen und ein nachäffen meiner Stimme „Du verdienst was Besseres bla bla bla... Das hast du aber ganz toll gemacht Kimberly! Jetzt muss ich euch beide zurückschleppen ins Haus und das wird mir wahrscheinlich Rückenschmerzen verschaffen. Und wenn ich Schmerzen durch euch erleide, reicht eine einfache Bestrafung einfach nicht mehr aus!" Josephine und ich bauen mit einer leichten Panik Blickkontakt auf. So blicken wir uns nun in die müden Augen und entdecken unser ausgelaugtes, jedoch hoffnungsvolles Spiegelbild. Doch mein Blick gleitet weiter runter zur Spritze und ich weiß nun endlich was ich zu tun habe. Hastig gucke ich Josephine an und signalisiere ihr durch meinen Blick, dass sie mir die Spritze zuwerfen soll. Sie wirft und ich fange die kleine, aber rettende Spritze in letzter Sekunde auf, bevor sie auf den kalten Waldboden treffen kann und Carson sie aufheben könnte. Er hat unsere Aktion beobachtet und kommt in schnellen Schritten auf mich zu. Carson wirkt bedrohlich, er streckt sich und lässt seine Hände grausam knacken. Uns trennen nur noch einige Meter, Josephine stellt sich hinter mich und symbolisiert mir somit ihre Unterstützung.

Diese ganze Szene könnte aus einem spannenden Roman stammen und die aktuelle Lage würde super zu der Kapitelüberschrift „Finale" oder „ der finale Kampf" passen.

Meine Konzentration weicht wieder zu Carson, er ist bei mir angekommen. Er streckt seine mächtigen Hände in meine Richtung um mich brutal zu sich zu ziehen , jedoch weiche ich schnell aus. Dies wiederholte sich eine ganze Zeit bis ich über meine eigenen Füße stolpere. Natürlich muss sowas passieren, meine typische Tollpatschigkeit. Doch bevor ich in Panik versinken kann, sticht mir die Spritze leicht in die Hand. Ich entferne diese und reiße mit meinen Zähnen den Plastikdeckel ab, jetzt darf sie nur nicht mehr in falsche Hände geraten. Josephine zieht mich von hinten hoch und ich schreite mutig auf Carson zu um meinen finalen Schritt auszuüben und versuche nicht all die Panik zu offenbaren, die in mir herrscht. Weil ich weiß, wenn ich dies nicht schaffen kann, sind wir verloren! Ich bleibe vor ihm stehen. Er greift erneut nach mir, ich weiche aus und achte drauf das mein Körper koordinierte Bewegungen macht, der Fehler von vorhin darf mir nicht nochmal unterlaufen. Er greift ins Leere und dreht sich schnell zu mir um, da ich mich versucht habe in seinen toten Winkel zu stellen. Mein erster Gegenangriff startet und ich versuche ihn gegen den Bauch zu treten, damit er Schmerzen erleidet und kurz wehrlos ist. Doch in den Moment, wo mein Bein sich seinem Körper nähert, fängt er es ab und schubst mich fest zurück. Ich schaffe es mich im letzten Moment aufzufangen, bevor mein Körper erneute Bekanntschaft mit dem Waldboden macht. Ich taumle schnell zurück um meine Fassung und Gedanken zu ordnen, aber das dies im Kampf nicht funktioniert hätte ich wissen müssen. Er zieht mich zu sich und versucht mich in einem Schraubstock artigen Griff ruhig zu halten. Dies lass ich aber auch nur kurz zu und drehe mich in seinen Armen um. Ich versuche mit letzter Kraft die Betäubungsspritze in seinen Arm zustecken. Die Nadel ist schon leicht drinnen, jedoch komme ich nicht zum Niederdrücken der Flüssigkeit da er mich wieder umgedreht hat und ich nun endgültig wehrlos dort stehe, ohne Spritze und realisiere das ich verloren habe. Verloren. Nie wieder Freiheit und die Strafe kann der Tod sein. Niemals mehr die Familie sehen oder das wunderschöne Grün der großen Tanne neben mir. Die Farben werden aus meinen Gedanken verblassen genau wie alles andere positive. Freunde, Erinnerungen, Wissen und sogar die Kieselsteine die mir unangenehm in die Füße gepikst haben. All das. All die kleinen Details. Sein Griff ist fest und nichts hilft, selbst das erneute beißen in seine Hände nicht. Jedoch kann ich als letzten Triumph in Freiheit sehen, dass er selbst sehr erschöpft ist von unserem Kampf. Sein Atem trommelt gegen meinen Rücken und seine Beine bewegen sich sehr langsam Richtung Hütte. Es geht immer weiter und immer näher zu den Pforten zur Hölle. Die wir erfolgreich verlassen hatten mit all der Hoffnung auf das alte Leben, das wir doch gar nicht wertgeschätzt hatten. Die Schritte werden immer grausamer für mich, nur noch einige eigentlich unbedeutende Schritte trennen uns vom Tor. Ich blicke hinter mich und somit auf Carson, dessen Gesicht müde und vor allem erschöpft wirkt. Ich stelle ihm eine letzte Frage, hier wo der Himmel so wunderschön ist und die Tannen nicht enden wollen „ Warum all das?" Er schreitet stumm weiter, doch ich bleibe stehen und hoffe wenigstens dies zu erfahren. „Wenn du Glück hast erzähle ich dir das in ein paar Monaten! Wenn du wieder ansprechbar bist, nach der Kammer!" Er hält mich immer noch fest in seinen Muskelbepackten Armen doch plötzlich wird der Griff lockerer ...

Hey meine Lieben,

wie ihr vielleicht mitbekommen habt, ist heute Jubiläum meines Buches, dieses ist nun schon seit zwei unfassbaren Jahren auf Wattpad. Durch dieses Buch habe ich sehr viele Menschen kennengelernt und mich selbst im schriftlichen verbessert. Ich habe aktuell 3,561  Reads und 382 Likes. Das sind so große Zahlen für mich, die ich niemals erwartet hätte. Einfach unfassbar! Ich könnte jetzt noch einige Zeit hier sitzen und mich bedanken, jedoch beende ich dies jetzt mit einem ehrlichen und sehr sehr dankbaren Dankeschön!

xxTessa

Der Club der Toten MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt