Seelenverwandtschaft.

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"Können wir los?" fragt er mich und steckt den Schlüssel in das Zündschloss.

Prüfend sehe ich nochmals zum Haus. "Hast du auch das kleine Fenster bei dir geschlossen?".
Nickend sieht er mich an.

"Na dann, können wir los." klatsche ich freudig in die Hände und spüre sein tiefes, aber angenehmes Lachen im Auto vibrieren.Er startet den Motor und fährt aus 'unserer' Einfahrt.

Heute ist der schönste Tag des Winters. Wir haben Weihnachtsmorgen und kalte Grade herrschen draußen. So wie jedes Weihnachten, fahren wir zu meinen Eltern. Wir werden zusammen unsere Geschenke unter den Weihnachtsbaum legen und das köstliche Essen meiner Mutter genießen. Mit Weihnachtsmützen auf dem Kopf, werden wir in die Kamera lächeln und gehen alle zusammen nach draußen, um die Lichterketten der Häuser zu betrachten. Mein Vater fängt eine Schneeballschlacht an und wir brechen alle in Gelächter aus. Wenn wir wieder im Haus sind, fangen wir an unsere Geschenke auszupacken. Während mein Vater den Kamin anzündet, werde ich von Adams Armen umschlossen und bekomme einen sanften Kuss auf die Stirn. Was einmal Realität war ist heute leider bloße Fantasie. Fast schon mein sehnlichster Wunsch.

"Die Seelen die zueinander gehören, finden auch immer zueinander." sagte meine Mutter zu mir als wir vorgestern telefonierten. "Eine Seelenverwandtschaft hört nie auf." versicherte sie mir. Worte schenken einem Glaube und Hoffnung, doch es ist nicht immer einfach diese Worte in Taten umzusetzen. Naivität siegt hier jedoch und man glaubt, hofft und glaubt, bis man fällt und nichts mehr hat.

"Glaubst du an Seelenverwandtschaft?" frage ich und sehe ihn an.

Er runzelt seine Stirn, sieht aber weiterhin auf die Straße. "Definiere." entgegnet er und dreht die Musik leiser.

"Naja. Ich meine. Denkst du, dass es einen Menschen draußen gibt, in dem du dich wiederfinden kannst und er wie ein Puzzleteil zu dir passt. Das ist schwer zu erklären."

Er sieht kurz nachdenklich zu mir.

"Ich kann mich nicht erinnern, ob ich sowas je gespürt habe."

'Autsch'

"Wünscht du dir sowas?" hacke ich weiter nach und könnte mir gegen die Stirn schlagen.

"Ich denke, wenn man seinen Seelenverwandten gefunden hat, dann hat man sein ewiges Glück. Und ich denke, wenn ich meinen Seelenverwandten gefunden hätte, dann würde ich mich an ihn erinnern." Autsch. Verdammt tut das weh. "Hast du deinen Seelenverwandten gefunden?" fragt er mich lächelnd.

Ich schlucke diesen Schmerz runter und zwinge mich zu einem Lächeln. Wenn er bloß wüsste. "Nein habe ich nicht." sage ich dann erschöpft und drehe meinen Kopf der Fensterscheibe zu.

"Und wenn du einen hättest. Wie wäre er?"

Ich schließe meine Augen und unterdrücke mir die Tränen. Du Trottel! Du bist es! Ich könnte stundenlang von dir erzählen! "Das weiß ich nicht. Hatte noch keine Gelegenheit mir das zu überlegen." sage ich jetzt deutlich kälter.

"Du hast sie jetzt. Komm erzähle mir, wie du ihn dir vorstellst." fordert er mich auf.

Wie soll ich denn bitte von ihm erzählen. Es tut so weh. So weh. Ich schlucke und schlucke, doch es bringt nichts mehr. Dieser Schmerz hat sich in meiner Kehle verfangen und sticht bei jedem Gedanken an ihn, tiefer in mich.

"Das ist mein Geheimnis." versuche ich ihn umzustimmen. Das macht doch gar keinen Sinn!

"Ach Quatsch. Ich mag es dir zuzuhören."

"Nein, das glaube ich dir nicht."

"Ach komm schon. Was ist, wenn ich ihm zufällig begegne? Ich habe doch keine Ahnung wie er so drauf ist." zuckt er lächelnd mit den Schultern.

"Wie sollst du ihm begegnen, wenn er doch gar nicht existiert?" sage ich schmunzelnd.

"Ach, hast du etwa so hohe Ansprüche, sodass sie in der Realität so nicht existieren könnten?" neckt er mich.

Ich atme mehrmals tief durch. "Er wäre nett, schätze ich." entgegne ich und hoffe damit erlöst zu sein. Es war noch nie so schrecklich von ihm zu erzählen.

"Nur nett? Das ist dein Seelenverwandter. Du kannst mir nicht sagen, dass du ihn nur 'nett' findest."

Nochmals, lasse ich die Luft in mich und puste sie wieder aus. "Er ist wundervoll."

"Das geht schon in die richtige Richtung." Sehe ich ihn schmunzeln.

"Er sollte der einzige Mensch sein, welcher mir mit einem einzigen Blick seine ganze Liebe offenbaren kann." beschließe  ich und blinzle schnell die kleinen Verräter weg.

"Wie sieht er denn aus, irgendwann werde ich ihm ja begegnen." er zwinkert mir zu. "Deine Ansprüche sind bis jetzt nämlich umzusetzen."

Ich schmunzle, jedoch traurig. Wenn er nur wüsste, dass ich doch nur ihn beschreibe.

"Ich bevorzuge braune Haare und braune Augen. Ich weiß nicht weshalb, aber mit blonden Männern kann ich keine Bindung aufbauen."

"Ich hab, wie blöd das auch klingt, immer davon geträumt, dass mein Mann so Wärme Augen hat, dass sie wie die Sonne wärmen und so hell leuchten."

"Okey, okey," lacht er auf "Ich mag es zwar dir zuzuhören, aber ich denke, das war genügend für meinen romantischen Geist." er betatscht meine Hand, welche auf meinen Schenkel ruht. "Vielleicht gibt es noch eine zweite Runde." zwinkert er.

Ich nicke, aber schüttle innerlich meinen Kopf. Die erste war schon schrecklich. Es ist komisch von ihm zu erzählen, obwohl er vor mir sitzt. Bei dem Gedanken, dass er jetzt vielleicht denken könnte, dass er meinen Ansprüchen nicht gerecht werden könnte. Falls er überhaupt Gedanken an mich verschwendet. Aber wenn doch, was wäre, wenn er dann seine Gefühle für mich völlig blockiert? Ich werde damit doch nicht umgehen können. Ein übler Geschmack macht sich in meinem Mund breit und ich lasse meinen Kopf vorsichtig gegen den Sitz fallen.

"Hey alles okay?" Adam legt mir kurz seine Hand auf meine, welche immer noch auf meinem Oberschenkel positioniert ist.
"Du bist ganz kalt." sagt er und fährt an die Straßenseite. Mit flinken Bewegungen schnallt er sich ab und dreht meinen Kopf zu ihm. "Hey was ist denn los?"

Ich blicke ihn nur an. Wie kann er sich nicht an mich erinnern. Wie kann man sowas. Habe ich jetzt alles schlimmer gemacht? Ich werde damit doch nicht umgehen können.

"Hier trink was." drückt er mir eine Flasche Wasser in die Hand und fordert mich dazu auf sie zu trinken.

Wieso denken Menschen immer, Wasser wäre die Lösung für alles?
-Ach du hast Kopfschmerzen? Trink doch was!
-Dir ist übel? Trink ein Schluck!
-Dein Bauch tut dir weh? Mach dir nichts draus, ein Schluck Wasser wird dir helfen!
-Dein Freund hat mit dir Schluss gemacht? TRINK DOCH WAS!

Seine Augen sehen auf mich herab. Sie waren schon immer, wie ein offenes Buch für mich. Wortlos übergebe ich ihm die Flasche, ohne aus ihr getrunken zu haben. Er sieht mich besorgt an und packt sie anschließend weg, um sich gleich darauf seine Jacke auszuziehen. Vorsichtig legt er sie mir über meinen Körper. Dabei bricht unser Augenkontakt nicht. Bevor er sich hinsetzt, lässt er meine Sitzlehne sinken und schnallt sich dann an. Sein wohliger Geruch umhüllt mich und meine Augenlieder werden immer schwerer und schwerer. Irgendwann schließe ich meine Augen und falle in den tiefsten Schlaf, den ich seit Wochen nicht mehr hatte.

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