Grosser Schritt

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Ich ziehe hastig die frische Luft ein, als Kathrin über die Schulter von Adam streicht. Sie lächelt ihn an, während er überrascht auf ihre Hand sieht, die immer noch, verdammt nochmal, auf seiner Schulter ruht. Diese Hand sollte auf der Stelle von dort verschwinden, bevor ich sie zum Verschwinden bringe. Um zur Besinnung zu kommen, schüttle ich einmal heftig meinen Kopf. Meine Idee nach draußen zu gehen war wohl doch nicht so toll. Ich hielt es drinnen einfach nicht mehr aus.

"Was guckst du denn so mürrisch, Liebes?" stupst mich Maria von der Seite an. Ich schüttle nur lächelnd meinen Kopf, um ihr zu verdeutlichen, dass nichts sei. "Die Sonne blendet mich bloß." gebe ich schulterzuckend von mir. Maria sieht erst verwirrt zu mir und blickt dann in den Himmel. "Ich wünschte sie würde sich auch mir zeigen."

Beschämt sehe ich zum Boden und hake mich anschließend bei ihrem Ellenbogen ein. "Tut mir leid." murmle ich. "Ich bin nur so durch den Wind. Diese ganze Situation ist mir so fremd und absurd..." gebe ich verzweifelt von mir.

"Ich kann dich vollkommen verstehen. Mir scheint das ganze auch sehr absurd. Es war schwer für mich, als ich bei euch ankam und Adam mich erst fremd ansah. Es zerbrach mir das Herz." Sie schüttelt einmal heftig den Kopf.. Ständig denke und rede ich davon, wie schlimm das ganze für mich ist, habe dabei aber kein einziges Mal Maria und Anton gefragt, wie es ihnen geht. Geschweige denn gedacht. Mir zerreißt es das Herz, doch wie fühlt sich eine Mutter, deren einziger Sohn sich nicht an sie erinnert. Wie fühlt sich ein Vater dabei. Oder eine Schwester, auch wenn man es ihr nicht unbedingt anmerkt.

"Das tut mir so leid." sage ich beschämt zu Maria. Das wäre alles nicht passiert, wenn ich...
"Hey, Hey, denk bloß nicht daran. Das alles ist nicht im annähernden deine Schuld." sie verlangsamt ihre Schritte und bleibt im Nachhinein stehen. "Du bist ein wunderbares Mädchen. Du kannst gar nicht glauben, wie sehr ich dich in mein Herz geschlossen. Adam trägt dich ganz sicherlich in seinem Herz und den Schlüssel hast ganz allein du." sie streicht mir die Tränen weg und nehmt mich kurz in den Arm. "Der Schlüssel scheint bloß zu klemmen." Ich lächle und erwidere ihre Umarmung. "Außerdem möchte ich keine andere Schwiegertochter."

Eine Träne der Freude fließt über meine Wange. Wenn meine Mutter mal nicht da ist, dann übernimmt Maria die Mutterrolle. Ich meine, bei 457km Entfernung, fährt man nicht einfach mal so los, um sich trösten lassen zu können. Deswegen ist es mir wichtig, das Vertrauen zu Maria beizubehalten und am liebsten zu verstärken.

"Danke." flüstere ich und lächle ihr nochmals zu. Sie streichelt mir ein letztes Mal über die Schulter und holt Anton ein.

Ich sehe wieder zu Adam und stelle glücklich fest, dass er abwesend den Park betrachtet, den wir gerade durchstreifen. Dieser Park hat eine große Bedeutung in unserer Beziehung. Als wir vor 4 Jahren in dieses Haus zogen, hatte dieser Park meine Aufmerksamkeit erregt.
Wir waren beide müde, Adam war die ganze Nacht am Fahren gewesen, weshalb ihm die Augen regelrecht zugefallen sind. Ich wollte trotzdem hin. Ich schüttle innerlich den Kopf. Ich war so stur. Er bettelte mich an und auch jetzt kann ich mir seinen Hundeblick, mit den gläsernen, müden Augen und dem ständigen Gähnen, vorstellen. Als wir am Park angekommen sind, bin ich an den kleinen Teich gegangen und habe den Enten dabei zugesehen, wie sie Brot, welches ihnen von einem kleinen Mädchen zugeworfen wurde, herausfischten und es an ihre kleinen Entenküken verfütterten. Ich genoss diese Atmosphäre. Das Platschen der Enten im Wasser, das Rauschen der Blätter der Bäume. Der leichte Wind, diese frische Brise. Adam hat sich damals auf eine Bank, etwas weiter weg gesetzt und kein Mucks von sich gegeben. Als die Abenddämmerung anschlug, weckte ich Adam, der mittlerweile auf der Bank geschlafen hatte, und zusammen liefen wir in unser leeres, eigenes Haus. Das einzige, zu was wir noch Kraft hatten, war es die Matratzen aus dem Umzugswagen zu holen und eine Decke, die wir uns teilten. So verbrachten wir unsere erste Nacht auf Matratzen, mit nur einer Decke und ohne Kissen.

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