Alles zu schnell?

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"Denkst du nicht, das geht alles zu schnell?" meine Fragen kommen wie Patronen aus einer Waffe geschossen und ihr Ziel ist Hope. "Verdammt, mach mal halb lang. Ich weiß nicht mal von was oder wem du redest." brummt Hope, während sie ihre Türe aufschließt. "Oh Gott, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll! Ich war gerade-" "Avelin! Ich bin nicht Hulk, nimm mir etwas ab!" ich fange gerade noch die Orangen auf, als sie die Tomaten auffängt. "Tschuldigung" nuschle ich und lächle ihr entschuldigend entgegen, welches sie aber sogleich mit ihrem wütenden Gesichtsausdruck erstickt. "Meine Orangen sind fast gestorben!"
Ich nehme ihr vorsichtig die Tomaten aus der Hand "Deine Tomaten auch..."
Ein tiefes Seufzen ist zu hören, bevor sie mir die Tür aufhält und ich schnell an ihr vorbei sprinte. "Ich geh kurz pinkeln..." murmelt sie und hüpft weg. Ich lasse mich vorsichtig auf ihrem sandfarbenen Ledersofa fallen, lehne meinen Kopf nach hinten und schließe meine Augen. Was für eine Woche. Ich bin noch nie so schön in das neue Jahr gestiegen. Ich war Adam seit langem nicht so nah. Ob das unser Sieg war? Habe ich wirklich alle schrecklichen Monster und Hürden bekämpft, welche uns das Schicksal in den Weg gelegt hat? Ist das Warten um?
Meine Augen öffnen sich, als ich höre, wie Hope den Schlüssel umlegt und aus dem Badezimmer kommt. Ich setze mich wieder aufrecht hin und wollte gerade ansetzen.
"Stopp, noch nicht. Ich brauche Tee." Sie läuft in die Küche, macht den Wasserkocher an, während ich mich zu ihr an den Tisch setze. Als sie nach einigen Minuten auch mit ihrem Tee an den Tisch kommt, gibt sie mir mit der Hand ein Zeichen, ich solle anfangen und schon strömen meine Worte, wie ein Wasserfall aus meinem Mund.
"Wow." ist das einzige, was sie von sich gibt. Ich nicke ihr heftig zu und fange an mit meinen Fingern auf dem Tisch zu trommeln. "Er kam einfach aus dem nichts und sagte dir, dass er sich erinnert?" fragt sie und schlürft an ihrem Tee. Welcher wohlgemerkt ihr dritter ist. "Nein, nicht ganz... Im Grunde genommen sagte er nichts." stelle ich fest und fange an, an meinem Sieg zu zweifeln. "Hat er nicht gesprochen?" "Doch klar, aber er hat nicht die Worte gesprochen, welche ich mir wünsche." Aber er erinnert sich doch? Das kann nicht sein, dass nur ich diese Bindung gespürt habe. Mal wieder. "Er hinterfragte unsere freundschaftliche Beziehung und sagte, er würde daran arbeiten." Doch natürlich hat er es dann gespürt. "An was arbeiten?"
"An seinen Gefühlen." hauchte ich und kann es selber kaum fassen. Gefühle... wow, wow, wow. "Und was ist dein Problem?" die Frage hier ist, was nicht mein Problem ist. "Das geht alles so schnell..." murmle ich und fahre mir mit beiden Händen durch die Haare, bevor ich anschließend meinen Kopf stütze. "Warum meinst du, dass es zu schnell geht? Wann willst du sonst schwanger werden? Mit 40?" fragt sie belustigt. Mein Kopf reißt in die Höhe und meine Augen schauen geschockt zu ihr. Sie schüttelt bloß hoffnungslos ihren Kopf "Das wird sowieso nicht passieren. Wenn es nunmal nicht Adam ist, dann wird es halt der Sohn von diesem Pärchen, welches gegenüber von euch wohnt. Wie hieß er sogleich?" "Janka. Und das tut jetzt nichts zur Sache!" zische ich. Ich liebe Hope für Ihre lockere Art, aber ich bin gerade wirklich verzweifelt! Mir ist zum Weinen zu Mute, ich krieg einfach nichts mehr auf die Reihe. "Hey, seit wann bist du denn so pessimistisch...?" fragt sie mich sanft lächelnd. "Seit dem mein Optimismus versagt hat." schnaube ich. Nach dem es versagt hat, kamen die Hoffnungen. Doch auch als sie so langsam starben, sahen sie nur noch wie kleine Zuckerkristalle im Tee aus. Immer noch schön und süß. "Meine Oma sagte mir immer, dass es nicht falsch ist zu denken, aber man sollte immer vor Augen haben, dass der Kopf nicht umsonst rund ist und man das Denken vielleicht in andere Richtungen lenken kann." Ungeduldig warte ich auf ihr Vorfahren, doch sie grinst mich bloß an. "Ach, also soll ich nach links denken? Oder wäre dir die rechte Seite lieber? Weißt du, ich kann auch nach oben oder nach unten denken." werfe ich meine Hände in die Höhe und lasse aufgelöst meine Blicke umher wandern. Was ist bloß los mit mir?! "Nein, du sollst bloß richtig denken. Am liebsten lässt du es ganz, denn irgendwie scheint das Denken nutzlos zu sein. Lass dich einfach auf die Sache mit Adam ein."
Meine Hände sinken und fangen an, den Tisch als Trommel zu benutzen. "Ich soll mich dem Teufel in die Arme fallen lassen?" Verstehe ich das richtig? "Nein verdammt! Schalt dein Hirn ein! Du sollst dein verdammtes Glück genießen, denn das ist wirkliches Glück, dass du dieses Glück überhaupt hast."
Beschämt lasse ich meinen Kopf sinken. Einfach das Glück genießen, sonst nicht. Das klingt so schön. Sollte ich einfach daran glauben? "Ich kann einfach nicht glauben, warum es so einfach gehen sollte." meine Stimme ist ein einziges Wrack. Ich bin einfach ausgelaugt. Dieser Moment, sollte mich eigentlich fröhlich aufspringen lassen, doch ich möchte am liebsten in einen endlosen Schlaf fallen. "Warum sollte es denn das nicht sein?" fragt sie seufzend und kniet sich vor mich nieder, um mir meine Träne wegzuwischen. "Weil es das doch nie ist! Eine Orange schälen sollte ja auch einfach sein, doch du verätzt dir erst einmal deine Augen, bevor du sie genießen kannst." schnaube ich. Leise lachte sie, bevor sie sich meine Hände nimmt. "Hör mal, du hast mir doch von deinem Zebrastreifen erzählt, oder?". Ich nicke. "Und jetzt bist du bei deinem weißen Streifen angelangt. Ist doch einfach." siegessicher drückt sie kurz meine Hände, bevor sie aufsteht und nach etwas Ausschau hält "Wo hast du die Orangen hingelegt?"
Mein Blick führt zum Sofa "Dort." sage ich bloß. Sie fischt sie vom Sofa und legt die auf den Tisch. "Hier, reiße solange dieses Netz auf, ich komme gleich."
Mühelos, lege ich meine Hände um die Orangen und ziehe diesem Geflecht. Dieses Netz ist genauso widerstandslos, wie meine blöde Raupe. Das blöde ist bloß, dass ich mir schlecht eine Schere in den Kopf rammen kann, um sie zu zerhacken. Ah die Schere. Ich stehe mit dem Netz in der Hand vom Stuhl auf und grapsche nach der Schere, nach dem ich sie endlich in ihrer "Krimskrams-Schublade" gefunden habe. Ich denke, alle kennen diese Schublade, die alles abbekommt, wenn man mal keine Lust hat aufzuräumen. Früher war es noch, die Dinge unter dem Bett zu verstecken, jetzt hat man die Schublade dazu. Oder wie ich, einfach beides.
"Okay, ich bin bereit." ein dicker Klotz hockt auf Hopes Nase und ich fange an laut loszulachen. "Oh mein Gott! Was hast du da für ein Viech in deinem Gesicht kleben?!"
Sie umläuft die kleine Küchentheke und nimmt mir beleidigt die Orangen aus der Hand "Das ist meine alte Tauchbrille!"
"Wie alt ist das Teil?" quicke ich und nehme mir ebenfalls eine Orange zu Hand. "Alt genug, um mich vor den Attacken der Orangen zu schützen!" kampfbereit setzt sie sich auf den Stuhl und sticht mit ihrem Fingernagel in die Orange "Soweit, so gut." murmelt sie. Schmunzelnd, lasse ich mich ebenfalls auf eines der Stühle nieder und fange an die Orange zu schälen. "Blödes Teil!" fluche ich, als ich den Saft in meinem Auge ausbreiten spüre und wische mir über mein Auge. Verdammt, warum brennt das so?!

'Vielleicht solltest du dir davor deine Hände waschen, bevor du sie dir in dein Auge stichst.'

"Genau davor hat mich mein 'Viech' beschützt." zuckt Hope mit den Schultern und beißt vergnügt in ein Stückchen Orange. Schnell wie der Blitz, schnappe ich mir ihre geschälte Orange und stopfe mir den Großteil in den Mund. Ganz langsam kaue ich und sehe dabei zu, wie sie kurz vor'm austicken ist. "Avelin!-" Das Klingen meines Handys unterbrach sie. Ich hebe meinen Finger und stolziere mit erhobenem Kopf zu meiner Tasche. Als ich jedoch sehe, wer mich versucht zu erreichen, spucke ich schon fast mein Essen aus. Oh Gott, wie soll ich jetzt reden. Schnell renne ich zurück in die Küche und reiße mir ein Stück der Serviette ab, bevor ich mein Gekautes ausspucke. "Das war's wohl mit meiner Orange...." hörte ich Hope noch aufseufzen, ehe ich abnahm. "Hallo.." murmelte ich und genoss jedes einzelne Wort, seinerseits. "Hey, kleiner Schmetterling. Ich habe wieder meine Schlüssel vergessen... wann kommst du denn heim?" Kurz schließe ich meine Augen. Mhh, dieser Klang ist besser als der Regen... "Och wollte gerade los. Bin in 10 Minuten da." Ich sehe, wie Hope mich grinsend ansieht und ihre Augenbrauen ihr fast aus dem Gesicht springen. "Sei vorsichtig. Die Straße ist mit Eis bedeckt." Ich schmunzle. "Werde ich. Bis gleich." "Bis gleich, Avelin." Lächelnd lege ich auf und beiße mir auf meine Unterlippe "Und wie war's?" eine gruselig grinsende Hope sitzt vor mir. Gruselig ist untertrieben. Diese Tauchbrille darf sie keinesfalls vor Kindern aufsetzen. "Komisch, aber schön." schwärme ich. "Los, los! Flattere zu Adam, kleiner Schmetterling." sie hebt ihre beide Arme an und versucht das Flattern nachzustellen. Augenverdrehend packe ich mein Handy in meine Hosentasche und marschiere in den kleinen Flur. Schnell schlüpfe ich in meine Stiefel und nehme mir meine Tasche in die Hand. "Genieße dein Glück." flüstert Hope mir zu, als sie mich umarmt. "Das werde ich." versichere ich und schließe die Eingangstür. Mit kleinen Schmetterlingen im Bauch, öffne ich mein Auto und setze mich rein. Jetzt wird genossen.

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