Kiss and Hope

198 24 10
                                        

"Aldwyn ist nervig. Jessica ist nervig. Meine Mutter ist nervig. Mein Bruder ist nervig. Du bist nervig. Ach, erwähnte ich schon Aldwyn? Nein? Okay nochmal. Aldwyn. Ist. Nervig!!" wütend wirft sie ihren Kuli in den Spind und schlägt daraufhin die Türe zu. Ach Aldwyn, unser liebevoller Arzt. Ich verstehe einfach nicht, warum sie so gegen die Gefühle ankämpft. "Avelin?! Hörst du mir überhaupt zu?!" sie boxt mir auf meine Schulter und ich schlage empört die Augen auf. "Verdammt ja! Wie kann man dich überhören!" kreische ich und schlage ebenfalls mein Spind zu. "Er wartet wieder vor der Türe. Und diesmal nicht vor der in der Eingangshalle, sondern vor unserer Umkleide. Verdammter Arzt! Er hat für jedes Abteil diesen blöden Chip." sie schmeißt ihren Schal in ihre Tasche, welche vor ihren Füßen steht und hebt ihn wieder auf. "Was soll ich tun?" sie wirft ihre Hände in die Luft und ihr Schal springt kurz auf. "Ich glaube, du solltest erstmals leiser sprechen. Denn bei deiner Lautstärke hört uns selbst der taube Herr Ling im dritten Stock." seufze ich und reibe mir die Stirn. "Echt? Dann hör mir gut zu Aldwyn! Ich will nicht mit dir nachhause fahren! Lass es endlich gut sein!" kreischt sie und ich halte ihr schnell die Hand vor den Mund. Dieses Mädchen ist schrecklicher als Hope. Und Hope ist manchmal wirklich unerträglich. "Was willst du sonst tun? Durch das Fenster klettern?!" zische ich und in ihren Augen blitzt ein Leuchten. Oh mein Gott, dieses Mädchen hat definitiv zu wenig Strom in ihrer Birne. Wenn nicht sogar gar kein. Sie löst meine Hand und läuft auf das kleine Fenster zu, welches so klein ist, dass ich bezweifle, dass sie dort überhaupt durch passt. "Lucille, das wird so hart in die Hose gehen." ungläubig schüttle ich den Kopf, als sie die Sicherung, welches das Fenster nicht öffnet, einfach bricht und nun ihre Tasche dort durchzwängt. Wir sind quasi im Keller, aber noch weit oben, sodass hier Fenster beinahe an der Decke sind. Doch wie gesagt, sie sind klein und zum Lüften gedacht, nicht um durch zu flüchten. Als sie ihre Tasche durchgezwängt hat, bleibt sie nun vor dem Fenster stehen. "Ich brauche deine Hilfe. Los! Mach mir eine Räuberleiter!" sie zerrt an meinem Pullover. "Bist du durchgeknallt?! Ich helfe dir nicht dabei, vor Aldwyn zu flüchten." versichere ich und verschränke meine Hände vor meiner Brust. Dieser arme Kerl versucht es nun schon seit einer Ewigkeit und sie? Sie klettert durch ein Fenster, um ihm zu entkommen! "Komm schon. Bei Adam habe ich dir auch geholfen!" quengelt sie und beißt sich nervös auf die Unterlippe. "Ja genau, aber du hast mich mit ihm reden lassen und nicht dazu gebracht, vor ihm zu flüchten!" erwidere ich, doch sie schmollt bloß weiter. "Ich hätte dir auch beim Flüchten geholfen!" fleht sie weiterhin, doch ich schüttle bloß den Kopf, nachdem ich sarkastisch auflache "Wenn es sein sollte, hättest du mich in Narkose gelegt und mich dann zu ihm gebracht!" Sie hört kurz auf zu zappeln, bevor sie ihren Kopf schüttelt "Das hat nichts mit dem hier zu tun. Ein letztes Mal, bitte Avelin!" sie zieht mich am Arm zum Fenster und sieht mich flehend an. Verdammt, Lucille hat es einfach drauf. Da kann selbst ich ihr keinen Wunsch abschlagen. Sie ist so hübsch. Graue, große Augen und die süßeste Stupsnase, welche ich je zu Gesicht bekommen habe. Kein Wunder, dass Aldwyn ihr so hinterher hüpft. "Nun gut." Seufze ich, worauf sie freudig aufspringt und dann ihren Fuß auf meine Hände positioniert. "Bereit? Eins, zwei und..." zählt sie, und auf drei gebe ich nochmals Druck und sie schlüpft durch das Fenster. Wow, sie hat wirklich durch gepasst. "Omg! Avelin ich danke dir so!" quietscht sie und hält mir ihre Hand zum Einklatschen hin, doch ich schließe bloß das Fenster und nehme mir schnell meine Tasche. Vor der Tür laufe ich auf Aldwyn zu "Sie ist diesmal aus dem Fenster geflüchtet." beichte ich ihm und er weitet die Augen, bevor er seufzt "Bin ich wirklich so hässlich?" fragt er theatralisch, darauf zwinkert er mir zu und eilt schnell aus diesem langen Flur, in Richtung der Rezeption.

Er ist keinesfalls hässlich. Dunkelblondes Haar und ein gepflegter dreitägiger Bart. Ich persönlich stehe nicht auf solche Bärte, doch Aldywn steht das unglaublich. Ich kenne ihn schon etwas länger, da er gerade hier anfing, als ich meine Ausbildung hier begonnen habe. Damals hatte er diesen Bart noch nicht, weswegen er aussah wie ein Milchbubi. Aber dieser Bart in Kombination mit seinen ausdrucksstarken grauen Augen ist einfach Gottes Arbeit persönlich. Draußen wecken allerdings andere Augen meine Aufmerksamkeit. Adam steht dort, Kapuze über den Kopf gezogen und händereibend vor meinem Auto. Mit was ich allerdings nicht gerechnet habe, ist das Teil, welches um seinen Hals geschlungen ist. Er hat tatsächlich meinen Blumenschal um sich geschlungen und verdammt, das sieht einfach zum knuddeln aus. Jedoch lasse ich es mir nicht anmerken und laufe selbstsicher auf mein Auto zu, an ihm vorbei und öffne die Beifahrertüre, um meine Tasche auf den Sitz zu legen. "Du hältst mir die Türe auf? Sollte das nicht-" das Knallen, welches durch das Schließen der Türe entsteht, unterbricht ihn und er starrt mich perplex an. "Ich schätze, du musst dich nach hinten setzen." zucke ich mit den Schultern und laufe schnell ums Auto, um mich endlich nieder zu lassen. Machen wir uns nichts vor. Das schönste Gefühl ist es, nach einem langen Arbeitstag, endlich seinen Hintern abstellen zu können. Adam hat wohl Konkurrenz. Ich stecke den Schlüssel ins Zündloch und lasse mein Auto aufbrummen. Yeas, endlich Heim. Ich stelle die Sitzheizung auf höchste Stufe und lehne kurz meinen Kopf auf mein Lenkrad. Jessica ist das schrecklichste Wesen der ganzen Welt. Dabei ist sie kein Level höher als Lucille und ich, und doch, kommandiert sie uns durch das ganze Krankenhaus. Ausser wenn Aldwyn da ist. In dieser Zeitspanne, sind es Lucille und ich, welche die Füße hochschlagen und relaxen können. Denn da wo der Arzt ist, ist die Arbeit. Und da wo der Arzt ist, ist auch Jessica.
Als ich das mürrische Flüstern von Adam endlich auf der Hinterbank höre, schaue ich hoch und fixiere ihn ihm Rückspiegel. Mit Mühe, kann ich mir ein Lachen verkneifen und lege den Rückwärtsgang ein, bevor ich vorsichtig aus dem Parkplatz rolle. "Und diesmal ohne Google-Maps hergefunden?" frage ich amüsiert und bekomme einen genervten Blick seinerseits, welcher sogleich durch ein provokantes Lächeln ersetzt wird. "Meine Freundin hier-" dabei betatscht er diesen Schal "hat mir weitergeholfen. Es hat mir den Weg zu geflüstert." erwidert er. Grinsend schüttle ich den Kopf und setze den Blinker ein. "Hat dein Auto hinten keine Sitzheizungen?" brummt er und ich höre wieder, wie er seine Hände aneinander reibt. "Nope." antworte ich und stelle den Rückspiegel so, damit ich freie Sicht auf sein Gesicht habe. Ich kann einfach nicht widerstehen. Seine Wangen sind purpurrot. Naw, warum amüsiert mich das ganze? "Hör auf zu lachen." knurrt er mich an und verschränkt nun seine Arme. Schulterzuckend und mit einem gespielt entschuldigendem Gesichtsausdruck sehe ich ihn kurz durch den Spiegel an. Er sieht einfach so knuffig aus. "Deiner Tasche scheint es wohl gut zu gehen." er setzt sich etwas auf und positioniert die Hände an dem Sitz. Dabei lässt er seine Finger unter meinen Rücken gleiten und ersetzt nun die Heizung. Es ist, als würde unter mir das Feuer lodern.

Erinnere dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt