Weiterer Schritt

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Langsam öffne ich meine Augen, doch die farbigen Lichter der Autos lassen mich sie wieder zuschlagen und ich nehme nur noch das Brummen und die Vibration wahr. Ich bewege meinen Kopf zur rechten Seite, und mein Blick haftet augenblicklich auf Adam's Gesicht, der konzentriert auf die Straße sieht. Das Pochen meiner Lider lässt meine Augen brennen. Eine Hitze steigt in mir auf und überflutet mich wie ein Tsunami. Die Jacke von Adam drückt meinen Brustkorb zusammen, weshalb ich die Jacke abnehme und mich vorsichtig aufsetze.

"Gehts dir besser?" kommt die Frage von Adam.

Ich blicke zu ihm und nicke knapp, bevor ich mir innerlich auf die Stirn schlage als ich begreife, dass er mich nicht ansieht. Deshalb füge ich noch ein kleines Ja hinzu. "Wie lange müssen wir noch fahren?" stelle ich ihm die Frage und ziehe meine Beine auf den Sitz.

"Laut dem Navigator sind es nur noch 15 Minuten." Er nimmt eine seiner Hand vom Lenkrad und fährt sich einmal über das Gesicht. Die Nervosität steht ihm ins Gesicht geschrieben und er fährt sich nochmals übers Gesicht. "Wie sind deine Eltern so drauf?"

Ein kleines Schmunzeln wärmt meine Wangen. "Wie Eltern nun mal sind. Liebevoll, achtsam und doch konsequent." "Denkst du, sie mögen mich?", fragt er immer noch misstrauisch und fährt sich zum dritten Mal über das Gesicht. Männer haben wirklich Glück, dass sie kein Make-up tragen. Während bei Ihnen alles perfekt ist, haben wir Angst uns das Auge mit einem bloßen Finger zu jucken, nur um am Ende nicht wie eine Wasserleiche auszusehen.

"Ja, sie mögen dich."

Erleichtert höre ich ihn ausatmen. Lächelnd schaue ich aus dem Fenster und sehe, dass wir an unserer alten Schule, an der wir uns kennenlernten, vorbeifahren. Damals in der siebten Klasse, auf dem Weihnachtsmarkt, als meine Hände froren. Ich habe meine Finger nicht mehr gespürt und die kalten Münzen, die ich von den Kunden bekam, machten es meinen Fingern nicht einfacher. Wir hatten einen Stand, an dem wir Pancakes verkauften und mir wurde die Kasse zugeordnet. Ich weiß nicht, welcher Depp mich an die Kasse gestellt hatte, da ich eine komplette Niete im Kopfrechnen bin. Naja, ich hatte wirklich Glück, denn für diese 4 Stunden war Adam mein mathematischer Geist. Er stand neben mir und flüsterte mir jedes Mal zu, wie viel die Dame jetzt an Rückgeld bekommt. Von da an wurden wir richtig eng miteinander und unternahmen viel. Nicht nur in der Schule wurden wir unzertrennlich, sondern auch außerhalb der Schule wurden wir immer zu zweit gesichtet. Meine beste Freundin nannte es "Date", doch Adam und ich verabscheuten dieses Wort, weshalb unsere Treffen einfach Treffen hießen. Kreativ was?
Wir haben auch kein konkretes Datum an dem wir zusammen gekommen sind. Das liegt einfach daran, dass er mich nie fragte. Es war einfach selbstverständlich, dass wir zueinander gehören, weshalb wir uns diesen kitschigen Teil ersparten. Aber unser "heiliges" Datum ist der 3.12.2010. Ja das ist der Tag, als wir beide hinter dem Stand auf dem Weihnachtsmarkt standen.
"Wir sind da." sagt Adam knapp und schnallt sich und mich ab.

(...)

"Und, wie läuft deine Operation 'Ich hole seine Erinnerungen zurück, ohne, dass er meinen Namen kennt"?" fragt mich meine Schwester und übergibt mir den nächsten  sauberen Teller.

"Bäh, wie redest du denn." entgegne ich und lege den Teller neben mich. Meine Schwester Ana, ist 2 Jahre älter als ich und hat Kakerlaken im Kopf. So viele, dass ich mich wundere, wie Artus sie nur lieben kann.

"Lass mich etwas jung wirken."

Ich rolle mit den Augen und nehme den nächsten Teller entgegen. Ich sag doch, Kakerlaken haben sich eingenistet.

"Naja, es läuft gut. Denke ich." zucke ich mit den Schultern.

"Mhm...." sagt sie stumm und sieht mich jetzt ernst an, spült aber wortlos das Glas ab. Ich nehme genauso wortlos ihr Glas entgegen und versuche ihren Blick, der sturr auf mich gerichtet ist, zu ignorieren. Doch ihre giftgrünen Augen erdrosseln mich fast und wirken wirklich wie Gift auf meiner Haut. Seufzend stelle ich den Teller ab.
"Was denn." zische ich, während ich ihr die gleichen giftigen Blicke zuwerfe. Nur sehen meine eher aus wie brauner Dreck, der nach ihr geworfen wird.
"Ach komm. Als würde ich es nicht sehen. Den ganzen Abend lang existierten deine Augen nur für ihn. Auch wenn du versucht hast es nicht zu zeigen, bei jedem Lachen, das aus seinem Mund kam, sahst du sofort zu ihm und fingst an zu lächeln. Man sah dir einfach an, dass du dich jeden Moment auf ihn schmeißen möchtest und ihm all deine Liebe an den Kopf werfen willst." sie übergibt mir das Glas und sofort fange ich an es zu polieren. Nachdenklich beiße ich mir auf die untere Lippe.
"Hör zu, Schwesterherz. Ich mache mir bloß um dein süßes, kleines, zerbrechliches Herz sorgen." Dabei tippt sie auf meine Brust. "Denn ich bin mir nicht sicher, wie lange es diesem Schmerz standhalten wird."
Sie hat recht. Natürlich schmerzt es, ihm meine Liebe nicht Preis geben zu können. Doch, das ist der einzige Weg, es ihm irgendwann zu zeigen, die Liebe spüren zu lassen.
"Solange, bis ich damit aufhören kann und er mir seine Liebe zeigt."
"Du weißt, dass das ganze naiv klingt und dir echt nicht gut tut?" fragt sie mich jetzt vorsichtig. Ich nicke nur und trockne den letzten Teller ab.

-🦋

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