Das hier ist das letzte Kapitel und ehrlich gesagt, tut es mir weh, dieses Buch mit diesem Kapitel beenden zu müssen, da es mir so ans Herz gewachsen ist. Dennoch, viel Spaß beim Lesen ❤️
A v e l i n s S i c h t
"Möchtest du jetzt noch einen Tee?" meine Mutter nimmt alle Teller vom Tisch und stapelt sie aufeinander.
"Ja, den könnte ich gebrauchen." seufze ich und mache es ihr mit den Gläsern nach. Mein Vater ist schon schlafen gegangen.
"Schwarzen Tee, mit Milch, ohne Zucker?" fragt sie wieder. Ich nicke.
Wir setzen uns gegenüber am Küchentisch. Meine Mutter spielt mit dem Ärmel ihres T-Shirts und scheint, mich was fragen zu wollen.
"Ja, Mama?" sage ich deshalb und sehe sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Ach.." sie schüttelt ihren Kopf. "Wie ist das bloß mit Adam gekommen, ich verstehe das nicht."
Ich seufze wieder. Ich weiß das selber nicht.
"Es war seine Entscheidung." antworte ich und tunke den Leibnizkeks in meinen Tee.
"Aber er sagte doch nichts." entgegnet meine Mutter.
"Ist auch eine Antwort." zucke ich mit den Schultern.
Es wirkt, als wäre mir diese Sache gleichgültig, als wäre ich drüber hinweg. Jedoch zerreißt es mich Tag für Tag. Jeden Tag wird der Riss in meinem Herzen immer tiefer und tiefer und reisst immer weiter in meine Seele ein.
"Ach Avelin, gib dem ganzen doch noch eine Chance." bittet sie mich. "Ihm ist sicherlich etwas dazwischen gekommen."
"Dazwischen gekommen?" frage ich entsetzt. "Ihm ist etwas dazwischen gekommen?"
"Ja, das kann passieren." nuschelt sie, wird jedoch wieder deutlicher. "Du kennst ihn doch, das ist ihm doch bestimmt schon öfter passiert."
Fassungslos sehe ich meine Mutter an. Das kann sie doch alles nicht ernst meinen. "Ja, mam. Ich kenne ihn. Ich kenne ihn so verdammt gut, dass das schon fast angsteinflössend ist. Er ist einer dieser Menschen, welcher dann aber Bescheid gibt, wenn etwas dazwischen kommen sollte." ich spiele mit meinem Teebeutel. "Er aber, hat sich dreist bei mir zuhause verabredet und ist dann nicht erschienen..." füge ich murmelnd hinzu.
Warum ist er nicht einfach gekommen. Nachhause. Unserem Zuhause. Und da ist er wieder. Dieses schmerzhafte Ziehen. Durch meinen ganzen Körper. Als würde man heißes Lava durch meine Venen fließen lassen.
"Ach Schatz..." flüstert meine Mutter, als ich anfange zu schluchzen. Ihre Arme umschließen mich. "Weißt du noch? Was zusammen gehört, findet immer zusammen."
Mit meinem Handrücken wische ich mir die Tränen weg. Weinen hat doch keinen Sinn mehr. Eigentlich hatte Weinen noch nie einen Sinn.
Ich drücke meine Mutter weg und schenke ihr ein kleines Lächeln. "Ich denke, ich sollte mich auf den Weg machen." sage ich und erhebe mich.
Sie sieht mich irritiert an "Aber Avelin, wir haben 3 Uhr in der Nacht. Du bist vollkommen aus der Fassung und willst jetzt ans Steuer? Schlaf doch hier."
"Mam, vertrau mir. Mir passiert nichts." antworte ich und nehme sie nochmals in die Arme. "Danke." flüstere ich und sie drückt mich näher an sich.
Mit einem aufmunternden Lächeln löse ich mich von ihr und nehme meine Tasche vom Sofa. Im Flur greife ich nach meiner Jacke, schlüpfe in meine Stiefel und gebe meiner Mutter einen Abschiedskuss.
5 Stunden Fahrt, ich komme.
—
Es ist 8 Uhr morgens. Mit Brot in meiner Hand laufe ich in den Park, um die Enten zu füttern. Eigentlich hätte ich schlafen sollen, da ich die Nacht zum weinen, reden und Autofahren genutzt habe und um 2 mein Dienst im Krankenhaus beginnt. Ich seufze tief. Ich hasse arbeiten.
Ich sehe mich im Park um und wie zu erwarten, keine Menschenseele treibt hier ihr Unwesen. Meine schwarze Kapuze weiter in mein Gesicht ziehend, laufe ich auf eine Bank zu und lasse mich nieder. Kleine Stückchen des Brotes werfe ich in den See, achte dabei nicht auf mein Umfeld. Ich beobachte dabei die zwei majestätischen Schwäne. Meine Mutter erzählte mir, dass Schwäne wirklich wahre Liebe kennen. Haben sie sich einmal gefunden, trennen sie sich nie wieder. Ist einer verstorben, so bleibt der zweite alleine und sucht sich keinen neuen Partner.
Ein wahres Symbol der ewigen Liebe.
Als ich den Schwänen beim schwimmen zuschaue, merke ich eine minimale Veränderung im Hintergrund. Nicht ahnend, was mich erwartet blicke ich auf und erstarre. Das Blut in meinen Venen und Adern steht still. Mein Kopf setzt aus. Mein Herz schwebt in Lebensgefahr. Meine Luft zum Atmen will mir nicht helfen.
Ich fange an alles in mich aufzunehmen. Seine braunen lockigen Haare, seine breiten Schulter und seinen starren Blick. Er ist es tatsächlich.
Adam steht auf der anderen Seite des Teiche. Er trägt, wie auch ich, einen schwarzen Pullover. In seiner rechten Hand befindet sich eine Brottüte.
Er hatte den selben Gedanken wie ich..
Er kam hierher. An den Ort, welcher uns verdammt nochmal so sehr verbindet. Ist das nicht das, wovon meine Mutter sprach? Seelen, welche zueinander gehören, finden immer zueinander? Unsere Seelen sind so tief ineinander verschmolzen. Ich meine sogar, dass wir zwei eine Seele bilden.
Ich stehe von der Bank auf, sehe dabei weiterhin ihn an. Unsere Blicke erschufen einen unsichtbaren Bann, welcher keiner durchbrechen konnte. Beide stehen regungslos da. Die Wörter, welche ich ihm zuwerfen möchte, brodeln in mir, jedoch rührt sich mein Mund nicht. Ich stehe da, unfähig etwas zu sagen. Am liebsten, möchte ich den Teich umlaufen, mich in seine Arme schmeißen und ihn anflehen, alles zu vergessen und neu anzufangen.
Er fährt sich über sein Gesicht, rauft sich die Haare und dreht um. Zwei Schritte macht er und raubt mir zwei Tränen. Nach diesen bleibt er stehen und dreht sich um. Er sieht mich an. Lange Zeit sieht er mich an, lässt seine Augen über meinen Körper fahren und schließt die Augen.
Ich hoffe. Flüstere mir ständig zu, dass er zu mir kommen soll. Er soll all das beenden.
Er sieht mich nochmals lange an. Geht einen Schritt auf mich zu, bleibt stehen und kehrt um. Lange sehe ich ihm hinterher und merke, dass er schon weg ist. Er ist weg. Er hat es beendet. Es ist vorbei.
Mein Herz setzt wieder aus und pumpt dann stoßweise Blut durch meinen Körper. Bei jedem Stoß erzittert mein Körper, bei jeder Träne trocknet mein Herz. Bei jedem Schluchzer entweicht mir die Luft und bei jedem Gedanken sticht der Schmerz.
Das war es mit dem Erinnern.
Ein "Erinnere dich." gibt es nicht mehr.
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Erinnere dich
RomanceAdams Griff um meine Taille verstärkte sich. Ich hob vorsichtig den Kopf und vertiefte meinen Blick mit seinem. Mein Herz machte einen Sprung, als diese Intensität mich durchdrang und mir allen Glauben schenkte. Den Glauben, dass er mich immer noch...