Küsse

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Während ich unter der Dusche stehe, sinniere ich über meine Gefühlswelt und komme zu keinem Ergebnis. Trauer ist eine Menge da, Erinnerungen, die mich sentimental machen. Und...anregen. Die Küsse. Warum denke ich überhaupt darüber nach? Normalerweise müsste ich mit Sandy reden, aber sie ist sauer auf mich, weil ich sie gestern Abend mit einer kurzen Nachricht abgefertigt hatte. Naja, ich hatte den Abend ja mit meinem Cousin verbracht! Was wirklich schön war, bis auf die Anspielungen. Und dann unsere Unterhaltung von heute morgen. Ich schließe die Augen und sehe den braun gebrannten, süßen Jungen mit dem wilden Haar genau vor mir- Ben. Ich stand damals in der Küche, hatte mich gerade wieder mit Jose gestritten und er war wutentbrannt aus der Wohnung getürmt. Ben war herein gekommen, nur  in Boxershorts gekleidet und hatte mich besorgt angeschaut.

„Ist alles okay?" hatte er leise geraunt.

Ich hatte mir während des Streites heftig auf die Unterlippe gebissen, ohne es zu merken. Still hatte ich den Kopf geschüttelt. Der Junge, der mich mit vierzehn schon überragt hatte, war auf mich zu gekommen und hatte sanft mit seinem Finger über meine Lippen gestrichen. Ich war wie paralysiert gewesen, völlig unfähig, zu reagieren. Denn seine Berührung hatte ein leises Kribbeln im Bauch ausgelöst. Und bevor ich meine Fassung wiedergefunden hatte, lagen seine Lippen schon auf meinen. Erst ganz sanft und vorsichtig, doch dann hatte er seinen halbnackten Körper gegen meinen gedrückt, hinter mir war der Küchentresen gewesen, sodass weder vor- noch zurück konnte. Ich war noch immer wütend und verzweifelt gewesen und hatte nur noch getröstet werden wollen, was diese süße Kerl auch wunderbar geschafft hatte! Ben's Kuss war trotz seines Alters sehr sinnlich gewesen und mir war ein leises Stöhnen herausgerutscht. Was ihn dazu verleitet hatte, fordernder zu werden. Doch ein Schrei von der Straße hatte mich aufgeweckt, sodass ich mich energisch befreit hatte und den süßen Kerl angeranzt hatte. Ben war immer noch im Chill gewesen, seine Augen hatten mich verträumt angeleuchtet. Dann war ich aus der Küche gestürzt. Am nächsten Tag hatte ich ihn wortlos zum Flughafen gebracht und wir hatten bis gestern nie wieder darüber gesprochen.

Mit Jonas war es ähnlich gewesen. Genau sieben Jahre zuvor war er am Abend vor meiner Abreise nach Koblenz, wo ich einen Studienplatz bekommen hatte, in mein Zimmer gekommen. Dies hatte er lange nicht mehr getan gehabt, denn nachdem ich aus Spanien zurück gekehrt war, hatte sich Jonas mir gegenüber immer abweisend und kühl verhalten. Er hatte mich nie wieder umarmt und unsere gemeinsamen Interessen schienen plötzlich nicht mehr vorhanden gewesen zu sein. 

An dem besagten Abend hatte ich auf meinem Bett gelegen und einen Brief an Oma geschrieben. Jonas hatte sich stumm neben mich gesetzt. Ich hatte mich zu ihm gedreht und gelächelt.

„Hey. Kommst du, um Tschüß zu sagen?" hatte ich ihn gefragt.

Jonas ernsthafter Blick hatte auf mir geruht und er hatte keine Miene verzogen. Ich war irritiert gewesen und hatte mich gerade aufsetzen wollen, da hatte mein hübscher Cousin sich zu mir runter gebeugt und seine Lippen auf meine gedrückt. Ich war völlig perplex gewesen. Und schon war der Moment wieder vorbei gewesen, Jonas war aufgesprungen und davon gelaufen. Am nächsten Tag hatte er mich nicht zum Bahnhof begleitet.

Auch mit Jonas hatte ich nie wieder ernsthaft Kontakt gehabt. Bis auf ein paar Familienfeierlichkeiten, bei denen er mir jedoch aus dem Weg gegangen war.

trío de tangoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt