freudig

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Am nächsten Morgen schlief Greg recht lange. Als er erwachte, musste er über sich selber den Kopf schütteln. Er hatte doch tatsächlich geträumt, dass Mycroft Holmes bei ihm aufgetaucht war mit Lebensmitteln und Medikamenten. Und sogar Hühnersuppe!

Greg lachte.

Was das Fieber doch für seltsame Dinge mit seinem Hirn anstellte!

Es ging ihm nicht wirklich besser als gestern, immer noch war die Nase zu, der Hals tat weh, der Kopf und sämtliche Knochen schmerzten. Na ja, wenigstens war ihm nicht mehr schwindlig.

Er tappte ins Bad und nahm eine Dusche, anschließend zog sich einen frischen Jogginganzug an und überlegte, zum Bäcker zu gehen um sich wenigstens etwas zu essen zu besorgen.

Als er seine Küche betrat, blieb er wie angewurzelt stehen.

Mitten auf dem Tisch prangte die vollgefüllte Obstschale.

Er ging zögernd zum Kühlschrank und öffnete ihn.

Er war gut gefüllt. Ja, dort stand auch ein Topf, und als Greg hinein spähte, erkannte er Hühnersuppe.

Er schlug den Kühlschrank zu und schloss einen Moment die Augen.

Es war also offensichtlich kein Traum gewesen.

Oh Mann.

Nun gut, dann konnte er sich genauso gut Frühstück machen, während er sich überlegte, wie er damit jetzt umgehen wollte.

Er machte sich direkt wieder eine ganze Kanne Tee, röstete sich etwas Toastbrot und machte sich sich Rühreier.

Dann setzte er sich an seinen Küchentisch, und während er langsam aß, gingen seine Gedanken zurück zum letzten Tag.

Mycroft Holmes.

Warum war der Mann gekommen?

Ihm wäre zu Ohren gekommen ... hatte er gesagt.

Nun, das war leicht zu erklären. Greg hatte bei John angerufen; was John wusste wusste auch Sherlock und der hatte vermutlich seinem Bruder gesteckt, wie schlecht es ihm ging.

Mycroft war anschließend gekommen, um ihm zu helfen.

Und er musste zugeben, es war eine große Hilfe.

Er hatte nun zu essen im Haus.

Und Medikamente. Und auch, wenn man bei einer Erkältung nicht viel machen konnte, außer abzuwarten, bis es vorbei ging, waren so Dinge wie Nasenspray und Hustensaft doch immerhin hilfreich und linderten die Beschwerden.

Mycroft hätte genau so gut einfach seinen Fahrer schicken können. Oder seine Assistentin.

Aber er war selber gekommen.

Warum?

Sollte ... sollte am Ende etwas daran sein? An dem, was Sherlock gesagt hatte?

Sollte er am Ende tatsächlich Interesse an ihm, Greg, haben?

Greg schluckte.

Und während er einen weiteren Schluck Tee nahm, musste er sich eingestehen, dass er den Gedanken durchaus nicht unangenehm fand.

Er räumte sein Geschirr weg und kuschelte sich aus Sofa.

Diesmal schaltete er den Fernseher an.

Er wollte seine Gedanken ein wenig ablenken und daran hindern, sich zu sehr auf diesen Mann, den Bruder seines Consulting Detectivs, zu fixieren.

Es lief irgendeine Dokumentation über das Brut- und Paarungsverhalten der atlantischen Papageientaucher, eine neuzeitliche Adaption der König Artus Legende, ein wirklich, wirklich schlechter B-Movie über Killer-Staubflusen ... What the Fuck?

Gregory schüttelte den Kopf. Das Fernsehprogramm wurde nicht besser im Laufe der Zeit.

Er fragte sich, ob Mycroft sich wohl mit so etwas trivialem wie fernsehen beschäftigte.

Und schon waren seine Gedanken wieder bei dem Mann.

Schließlich gab er auf, schaltete das Gerät aus und legte sich eine Schallplatte auf.

Während er der Musik lauschte, driftete sein immer noch fiebergeschwächter Verstand in einen einigermaßen erholsamen Schlaf.

Er erwachte mit einem gesunden Hunger.

Also ging er in die Küche, setzte den Topf mit der köstlich duftenden Hühnersuppe auf den Herd und röstete sich etwas Brot.

Als die Suppe heiß war, begann er zu essen. Er spürte, wie gut das tat und war Mrs. Hudson dankbar. Wenn er wieder gesund war, würde er ihr einen großen Blumenstrauß zukommen lassen.

Und, ja, er war Mycroft dankbar.

Er würde sich auch bei dem gerne bedanken. Wie allerdings, dazu wollte er sich später Gedanken machen. Das bekam sein Kopf im Augenblick noch nicht hin.

Er schaute auf die Uhr. Es war früher Nachmittag, gestern war Mycroft ungefähr um diese Zeit aufgetaucht, wenn er sich halbwegs richtig entsann.

Und ... er hatte gesagt, er würde heute wieder vorbeischauen.

Greg räumte die Küche auf und putzte den Tisch.

Er bereitete eine frische Kanne Tee und trug eine zweite Tasse sowie Milch und Zucker ins Wohnzimmer.

Kurz sah er sich um. Dann richtete er das Sofa ein bisschen her, rückte die Kissen gerade.

Er lüftete das Zimmer, denn irgendwie roch es hier nach Krankheit, durch die Erkältungssalbe und die verbrauchte Luft.

Eine Viertelstunde später befand er die Luft für frisch genug.

Er wischte noch mal über den Wohnzimmertisch.

Dann ging er hinaus über den Flur, klingelte bei seiner alten Nachbarin und bat sie um ein paar der selbst gebackenen Plätzchen, die sie immer im Hause hatte. Sie gab sie ihm gerne und lächelte.

„Ein Date?", fragte sie neugierig.

Greg schüttelte energisch den Kopf.

„Nur ... Krankenbesuch."

Die alte Dame lächelte wissend, sagte aber weiter nichts.

Greg richtete die Kekse auf einer hübschen Schale an und platzierte sie auf dem Wohnzimmertisch.

Dabei wurde ihm bewusst, dass das, was er hier tat, tatsächlich für einen Außenstehenden wirken musste, als wartete er auf ein Date.

Ja, er konnte nicht bestreiten, er hoffte, das Mycroft tatsächlich käme.

Er wartete auf ihn.

Er freute sich auf ihn.

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