fiebrig

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Gregory Lestrade erwachte, als sein Handy den Weckton von sich gab. Er setzte sich auf, und merkte, dass sich alles um ihn drehte. Sein Kopf brummte, seine Nase saß zu. Sein Hals kratzte, und als er versuchte, aufzustehen, schüttelte ihn ein heftiger Hustenanfall und gleichzeitig erfasste ihn ein Schwindelgefühl, das ihn zurück aufs Bett plumpsen ließ. Er fasste sich an die Stirn. Ja, er hatte eindeutig Fieber, und so fühlte er sich auch.

Er nahm sein Handy und schickte Donovan eine SMS, dass er erkrankt sei und nicht zum Yard kommen würde.

Dann ließ er sich wieder ins Bett fallen und schlief sofort ein.

Am späten Vormittag erwachte er erneut.

Gott sei dank hatte er eine Wasserflasche am Bett. Er schraubte sie auf und nahm ein paar Schlucke. Das tat gut. Anschließend war er immerhin in der Lage, kurz ins Bad zu gehen. Dann tappte er wackelig in die Küche.

Er durchsuchte seinen Küchenschrank nach Tee. Fehlanzeige. Also machte er sich einen Kaffee. Immerhin auch ein Heißgetränk.

Der Blick in den Kühlschrank offenbarte gähnende Leere. Er war ja sonst kaum zu Hause; aß tagsüber irgendwo an einer Imbissbude, nahm sich abends Pizza mit nach Hause oder Essen vom Chinesen ... Er sollte sich ein paar Lebensmittel besorgen, auch etwas Obst. Und Tee.

Doch dann schüttelte er den Kopf, was gleich wieder Schwindel hervorrief.

Nein, auszugehen und einzukaufen, dazu wäre er nun weiß Gott nicht in der Lage.

Was also tun?

Nachdem er den Kaffee geleert hatte, fiel ihm ein, dass er John anrufen könnte. John und Sherlock wären sicher so freundlich, ihm das nötigste zu besorgen. Also wählte er Johns Nummer.

„Ja?", krächzte die Stimme des Freundes in die Leitung.

„Hallo, John, hier ist Greg", krächzte er zurück. „Du hörst dich nicht gut an..."

„Ja", schniefte John, „Sherlock und mich hat es so richtig heftig erwischt. Seit gestern liegen wir beide flach. Ein Hoch auf Mrs. Hudson, die sich um uns kümmert."

„Oh...", Greg überlegte. Da hatte sein Anliegen sich wohl erledigt.

„John, ich wollte ... ach nichts wichtiges ... besprechen wir besser, wenn wir alle gesund sind. Wie gesagt, nicht wichtig."

Er hustete.

„Okay", kam es schwach von John, „gute Besserung, Greg."

„Euch beiden auch."

Er legte auf.

Tja, das war wohl nichts. Na egal, er würde bis heute Abend warten und dann Donovan anrufen, sie wäre sicher so nett, ihm nach Dienstschluss ein paar Dinge zu beschaffen. Musste er eben warten.

Er legte sich erst einmal zurück ins Bett.

...

Sherlock hatte Johns Telefongespräch nur halb mitbekommen. Durch das Fieber nahm er alles um sich herum nur wie durch Watte wahr.

„Wer war das?", fragte er dennoch.

„Greg", schniefte John.

„Was wollte er?"

„Keine Ahnung, er war auch furchtbar erkältet, und als er hörte, dass es uns beiden nicht besser geht, meinte er, wir könnten das später besprechen, es wäre nicht wichtig."

Sherlock schüttelte den Kopf. Ihm war sofort klar, warum Greg angerufen hatte.

Er mochte zwar angeschlagen sein und sein, ja, selbst sein genialer Denkapparat ein wenig in Mitleidenschaft gezogen sein, (geschwollene und gereizte Rachen- und Nasenschleimhäute, entzündete Bronchien, verstopfte Nasennebenhölen sowie der mit alledem verbundene Anstieg der Körpertemperatur waren aber auch lästig!), dennoch war ihm sofort klar, warum Greg angerufen hatte.

Und in dem Moment kam ihm eine Idee.

Vor einigen Wochen bereits hatte er sowohl bei Gregory Lestrade (ja, er wusste durchaus, wie Lestrade hieß. Das Getue mit den falschen Vornamen war einfach ein Spiel, es macht ihm Spaß, wenn der andere sich darüber ärgerte, und mittlerweile war ihm aufgefallen, dass auch Mycroft sich darüber ärgerte, wenn er in dessen Gegenwart Lestrade mit falschem Vornamen betitelte, und das machte Sherlock natürlich mindestens genau so viel Spaß) als auch bei Mycroft versucht, die Sache ins Rollen zu bringen.

Seiner Meinung nach konnte nur ein Blinder mit Krückstock (und ebenfalls seiner Meinung nach waren die meisten Leute blind und hätten einen Krückstock für ihren Geist dringend benötigt) übersehen, dass Greg und Mycroft sich, nun, mochten.

Er hatte nun versucht, beide mit der Nase darauf zu stoßen, aber der Erfolg war ausgeblieben.

Sie zierten sich wie viktorianische junge Mädchen.

Nun, dann musste man eben schwerere Geschütze auffahren.

Er nahm sein Handy zur Hand und rief seinen Bruder an.

„Holmes..."

„Mycroft, hier ist Sherlock. Hör zu. Ein Freund braucht Hilfe."

Er hörte Mycroft schnauben, spürt regelrecht, wie der die Augen verdrehte und sah förmlich seine Gedanken:

Was will Sherlock, was zum Teufel hat er wieder angestellt?

Sherlock hustete demonstrativ in den Hörer.

„Wir sind krank, John und ich, seit gestern. Es geht uns ziemlich mies. Keine Sorge, John war Gott sei Dank gestern Morgen noch einkaufen, und Mrs. Hudson ist eine wahre Perle. Sie hat uns sogar schon einen großen Topf selbst gekochter Hühnersuppe hingestellt. Wir sind also bestens versorgt."

„Gut, Sherlock, was kann ich also für euch tun?"

„Ein Freund braucht Hilfe. Er ist ebenso krank, er rief vorhin an, vermutlich um uns zu bitten, ihm ein paar Dinge zu besorgen, nein, nicht vermutlich, ich weiß, dass es so ist. Als er hörte, wie krank wir beide sind, machte er einen Rückzieher. Und, na ja, ich weiß, dass er sonst niemanden hat, der ihm helfen könnte."

Letzteres entsprach nicht ganz der Wahrheit, das wusste Sherlock, aber der Zweck heiligt die Mittel.

„Nun", sagte Mycroft etwas genervt, „und was hat das jetzt mir mir zu tun?"

Sherlock grinste und sagte, nachdem er einen Hustenanfall besiegt hatte:

„Na ja, es handelt sich dabei um George Lestrade!"

„Gregory...", knurrte Mycroft, noch bevor ihm recht bewusst wurde, was sein Bruder da sagte.

Er schwieg.

Sherlock genoss das Schweigen, da er wusste, was nun in Mycrofts Kopf vorging.

Er beschloss, es auszureizen.

„Ich mein ja nur...", sagte er und beendete das Telefongespräch.

Breit grinsend schaute er John an.

„Zehn", sagte er.

John sah ihn fragend an. „Zehn...was?"

„Sekunden, bis Mycroft zurück ruft!", sagte Sherlock, während er an seinen Fingern runterzählte.

Bei Zwei klingelte sein Handy.

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