harmonisch

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Es dauerte noch ein paar Tage, bis Mycroft aus der Klinik entlassen wurde.

John und Sherlock waren noch ein paar mal dagewesen, Gregory hatte wieder arbeiten müssen, war aber ein paar Tage etwas kürzer getreten, Überstunden hatte er weiß Gott genug, und war jeden Nachmittag an Mycrofts Bett aufgekreuzt und bis zum späten Abend geblieben.

Heute nun sollte Myke entlassen werden.

Er stand bereits angezogen im Zimmer; Gregory hatte seine Tasche genommen, während der Arzt ihm noch letzte Anweisungen gab. Und dann verließen sie das Krankenhaus.

Draußen stand bereits Mycrofts Wagen bereit. Sie stiegen ein.

Als der Wagen vor Mycrofts Haus hielt, und der aussteigen wollte, hielt Gregory ihn zurück.

„Bleib bitte sitzen, Myke. Ich hole eben frischen Sachen für dich, ich habe vorhin mit deinem Butler telefoniert, der hat bereits eine Tasche gepackt. Und dann kommst du mit zu mir. Ich habe mir die nächsten paar Tage freigenommen. Und bis zum Ende der nächsten Woche bleibst du bei mir, damit du dich noch ausruhst."

„Nein, Gregory, das geht nicht, du hast ja keine Vorstellung, ich muss ..."

„Myke! Du warst jetzt eine ganze Woche out of Order. Und die Welt ist nicht untergegangen. Es gibt ein paar Krisen ... aber in deiner gepackten Tasche sind auch dein Laptop und dein Handy und ja, bei mir zu Hause hast du Breitbandinternet. Und ich werde dir gestatten, vormittags vom Sofa aus zu arbeiten. Aber nachmittags wirst du dich ausruhen."

Greg sagte das mit einer Selbstsicherheit und einer Selbstverständlichkeit, die Mycroft beeindruckte.

„So, das wirst du mir also gestatten?"

„Ja, das werde ich. Aber nur, wenn du dich an die Abmachung hältst und dich genügend ausruhst."

Myke schmunzelte. Gregory hatte keinerlei Scheu vor ihm. Es gab kaum sonst jemanden, der sich trauen würde, so mit ihm zu reden. Nein eigentlich gab es niemanden.

Aber Gregory war ja auch nicht irgendwer, er war etwas ganz besonderes, er war sein Partner.

„Einverstanden", sagte Mycroft und lehnte sich zurück in die Polster des Fonds. Greg gab ihm noch einen sanften Kuss auf die Stirn, und dann ging er auf das Haus zu, um die versprochenen Sachen zu holen.

Während Mycroft ihm hinterher sah und einmal mehr seine Rückansicht bewunderte, spürte er, dass er sich wohlfühlte. Ja, er schien es zu mögen, wenn Gregory so bestimmend mit ihm sprach und das Ruder in die Hand nahm. Er spürte, dass es seinem Partner dabei um ihn ging, um sein Wohlbefinden, und es war ausgesprochen angenehm, mal nicht in allem der starke, der Entscheider sein zu müssen, sondern sich einfach mal fallen zulassen und einfach mal jemanden machen zu lassen. Das Heft aus der Hand zu geben.

Ja, so wenig ihm das in seinem restlichen Leben möglich schien und so wenig er das gewollt hätte, in seiner Beziehung zu Gregory begann er das zu genießen.

So kam es, dass Mycroft die nächsten Tage bei Gregory zubrachte und nach Strich und Faden umsorgt und verwöhnt wurde.

Es war nicht allzu viel schlimmes passiert in den Tagen seiner Krankheit. Die sich anbahnende Krise in Südostasien war innerhalb weniger Stunden schon Geschichte. Die Bananenrepubliken in Südamerika, die aufeinander los gegangen waren und einen regelrechten Guerilla Krieg entfesselt hatten, nun, das würde man innerhalb der nächsten Wochen zu den Akten legen können, und damit hatte man auch gleich ein paar wirklich üble Diktatoren vom Hals.

Am schwierigsten war das bösartige Säbelrasseln der zwei Kleinstaaten im mittleren Osten ... nun, da würde er ein paar wirklich gute Agenten hinschicken müssen. Aber auch das nichts, was sich nicht regeln ließe.

Er hielt regen Kontakt zu seinem Stellvertreter und Nachfolger und musste ehrlich zugeben, das der seine Sache gar nicht schlecht machte.

Außerdem merkte er, dass er tatsächlich noch nicht gesund war. Die paar Stunden am Vormittag strengten ihn ziemlich an.

Gegen Ein Uhr hatte Greg immer das Mittagessen fertig, und danach herrschte für Mycroft Handy und Laptopverbot.

Gregory war streng und ließ auch nicht mit sich verhandeln. Und auch wenn Mycroft eigentlich jeden Tag wieder dagegen murrte, genoss er es.

Es war ja nun beileibe nicht so, dass er sich nachmittags gelangweilt hätte. Gregory beschäftigte in schon.

Sie kuschelten viel. Außerdem, wie Gregory sich schelmisch ausdrückte, perfektionierten sie ihre Kusstechnik durch Praxisübungen am lebenden Objekt.

Sie zogen sich warm an und gingen draußen in der frostklaren Luft spazieren. Es waren kurze Spaziergänge, um Myke nicht zu überanstrengen, aber sie waren schön und taten ihm gut.

Sie sahen sich gemeinsam Filme an.

Gregory war entsetzt gewesen, dass Myke so gut wie nie Filme schaute und quasi keinen Film, der irgendwie von Bedeutung war, wirklich kannte. Er hatte beschlossen, diese „Bildungslücke" zu füllen.

Mycroft war davon zuerst wenig begeistert. Solche trivialen Dinge waren nun mal nicht sein Fall. Aber letzten Endes merkte er, dass das ganze mit Greg gemeinsam sogar Spaß machte. Sie schauten die Filme nicht einfach nur an, Greg machte ein richtiges Event daraus. Mit Chips oder Popcorn oder Fingerfood, und hinterher redeten sie, tauschten ihre Gedanken dazu aus.

Ja, daran könnte er sich tatsächlich gewöhnen.

Und woran er sich auch gewöhnen könnte, war, Gregory täglich um sich zu haben. Das war wahrhaftig das, was er am meisten genoss. Das Gefühl, nicht allein zu sein. Jemanden zu haben, der sich um einen sorgte, für einen da war und das einfach, weil er ihn mochte.

Mycroft erholte sich gut, und so war er schließlich fit genug, seine Arbeit wieder in vollem Umfange aufnehmen zu können.

So wurde beschlossen, das er am Sonntag wieder zurück in sein Haus fahren sollte um am Montag wieder wie gewohnt in sein Büro zu gehen.

Gregory hatte Sonntag noch mal ein großartiges Mittagessen gezaubert, Steaks, Kartoffelecken aus dem Backofen, Salat. Und Muffins mit flüssigem Schokokern als Nachtisch.

Es war sehr still, während sie aßen.

„Gregory, was ist los?"

„Ich lass dich nur ungern gehen, Myke."

„Sorge dich nicht, Gregory. Ich bin wieder vollständig genesen, auch dank deiner liebevollen Hilfe."

Greg senkte den Kopf.

„Das ist es nicht. Ich habe mich nur so daran gewöhnt, dich hier zu haben. Ich fand es so schön, dass du hier bei mir warst. Und nun ... wer weiß, wann wir das nächste Mal Zeit füreinander haben. Meine Wohnung wird mir kalt und leer vorkommen ohne dich."

Mycrofts Herz schlug ihm bis zum Hals. Oh Mann, er liebte diesen Mann so sehr. Er wollte nicht, dass er traurig war.

Aber es ging nun mal erst einmal nicht anders.

„Gregory, du wirst mir auch schrecklich fehlen. Ich werde versuchen, so bald wie möglich einen Abend freizuhalten, damit wir uns treffen können, okay?"

Greg nickte. Er aß mit wenig Appetit.

Myke seufzte.

Auch ihm war das Herz schwer.

Und in seinem Kopf formte sich ein Plan.

FieberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt