geschäftlich

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Als es an Gregs Wohnungstür schellte, war er trotz der Tatsache, dass es ihm immer noch nicht wirklich gut ging, wie ein Blitz vom Sofa aufgesprungen und zur Tür gesaust.

Er öffnete sie mit Schwung und ... sah in das geschäftsmäßig drein blickende Antlitz von Mycrofts Assistentin Anthea.

„Oh, guten Tag", stammelte er. „Kommen Sie rein bitte."

Anthea schüttelte den Kopf.

„Nein", sagte sie. „ Ich muss gleich weiter, Ich bringe Ihnen das hier im Auftrag von Mister Holmes."

Und sie reichte ihm eine Tüte, in der sich weitere saftige Orangen befanden.

„Außerdem soll ich fragen, ob sie sonst noch etwas benötigen."

Greg schüttelte den Kopf.

„Nein Danke ..."

Doch dann schluckte er und setzte neu an.

„Doch. Würden Sie Mr. Holmes ... würden Sie ihm bitte ausrichten, dass ich mich ..."

Er brauchte einen Augenblick. Dann fuhr er leise fort.

„ ... dass ich mich über seinen Besuch freuen würde?"

Er schaute Anthea etwas unsicher an.

Die schmunzelte.

„Mach ich", sagte sie. „Und gute Besserung."

Und schon war sie wieder die Treppe hinab verschwunden.

Greg schlurfte hinüber in seine Küche und füllte die Orangen in die Obstschale. Dann nahm er die kleine Saftpresse aus dem Küchenschrank sowie ein Glas. Er schnitt sich zwei Orangen auf und presste den Saft aus ihnen heraus. Er entsorgte die Schalen, wischte über den Küchentisch und ging mit dem Glas in der Hand wieder zurück ins Wohnzimmer.

Während er das vitaminreiche Getränk in kleinen Schlucken trank, spürte er, wie ihn die Enttäuschung übermannte.

Ja, Holmes hatte an ihn gedacht und ihm weiterhin seine Fürsorge in Form von Orangen angedeihen lassen. Aber er war nicht selber gekommen.

Und das, musste Greg sich eingestehen, schmerzte ihn. Er hatte gehofft, gewünscht, dass Mycroft den Besuch bei ihm vielleicht ein kleines bisschen genossen hatte ... Ach Mann, je mehr er darüber nachdachte, desto mehr musste er gestehen, dass er sich mehr als Fürsorge von dem anderen Mann erhoffte.

Er wünschte sich ... ach verflixt.

Greg streckte sich auf dem Sofa aus.

Ob er es noch mal mit dem Fernsehprogramm versuchen sollte?

Er schaltete das Gerät erneut ein und bleib bei einem Film hängen.

Ein alter Schinken, genau das richtige, um wieder in den Schlaf hinüber zu gleiten.

...

Mycroft Holmes saß mal wieder über ein paar Akten und versuchte sich zu konzentrieren und wie so oft in der letzten Zeit wollte ihm das so gar nicht gelingen. Und wie jedesmal war auch diesmal wieder ein gewisser DI Schuld daran.

Ein gewisser DI, der ihn ganz unwissentlich von seiner Arbeit ablenkte.

Mycroft grübelte, ob es richtig gewesen war, gestern so einfach bei Lestrade hereinzuplatzen.

Er hatte den Eindruck gehabt, dass der von seiner Anwesenheit ganz schon überfordert gewesen war.

Er hatte ihn zwar nicht vor die Tür gewiesen, aber er hatte andererseits auch nicht unbedingt erfreut reagiert. Oder? Nun, um genau zu sein, er hatte eigentlich nicht viel gesagt. Eher ein bisschen vor sich hin gestammelt.

Aber anderseits hatte er auch Fieber und war möglicherweise deswegen nicht Herr seiner Sinne gewesen.

Mycroft, der sich soviel auf seine Menschenkenntnis zu gute hielt, und der ein Meister darin war, seine Mitmenschen zu deduzieren, musste feststellen, dass er in diesem Falle die Situation so gar nicht einschätzen konnte.

Auch wenn er normalerweise Gefühle kaum an sich heran ließ, war er doch in dem Punkt, Gefühle und ähnliches bei seinen Mitmenschen zu erkennen und einzuschätzen, seinem Bruder Sherlock um Welten voraus.

Doch in diesem speziellen Punkt versagten seine dahingehenden Fähigkeiten offenbar komplett.

Das lag vermutlich einfach daran, dass er eben selber gefühlsmäßig involviert war. Ja, ob es ihm gefiel oder nicht, ihm war klar, dass er aus der Sache auch nicht mehr raus kam. Und, was eigentlich noch viel gravierender war, er wollte es auch gar nicht.

Er mochte den DI.

Er mochte ihn sehr.

Nein, das stimmte so nicht.

Okay, Mycroft, dachte er, bring es auf den Punkt und sei ehrlich zu dir selbst. Du bist auf dem besten Wege, dich in ihn zu verlieben.

Nun, dann bestand die Frage, wollte er denn, dass daraus mehr würde? Wollte er, dass daraus eine ... Beziehung entstünde?

Oh mein Gott, ja. Es war ewig her, dass er zuletzt geliebt hatte, und es hatte schmerzhaft geendet. Aber dennoch.

Aus irgendeinem Grunde vertraute er dem DI. Gregory. Vertraute ihm, dass der ihn nicht verletzen würde.

Ja, er wollte es.

Gut, also zur nächsten Frage.

Gab es irgendeine Chance, dass auch Gregory Lestrade etwas dergleichen wollen würde?

Und das war nun der Punkt, wo er einfach nicht weiter wusste.

Er ärgerte sich jetzt, feige gekniffen zu haben und Anthea zu ihm geschickt zu haben, anstatt selber zu ihm zu fahren.

Er seufzte.

Es klopfte an die Tür seines Büros.

„Herein?"

Anthea betrat den Raum.

„Mr. Holmes", nickte sie ihm zu. „Ich bin zurück und stehe Ihnen wieder zur Verfügung."

„Gut."

In seinen Augen lagen tausend Fragen.

Ob sie es bemerkte?

Er holte Luft, und sprach immerhin eine Frage aus.

„Wie geht es ihm?"

„Er wirkt deutlich angeschlagen, so eine Erkältung ist eben anstrengend für Körper und Geist. Er hat sich über die Orangen gefreut."

„Haben Sie ihn gefragt, ob er noch etwas benötigt?"

„Ja."

Mycroft wartete. Was war los mit ihr, man musste ihr doch sonst nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen.

„Und, Anthea?"

Sie schmunzelte.

„Nein, er benötigt nicht", sagte sie, „nur..."

„Ja? Anthea, nun reden Sie schon!"

„Er sagte, er würde sich freuen, wenn Sie ihn besuchten!"

FieberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt