Kapitel 18

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Samuels P.O.V.

Ziemlich bekifft wirkend taumelt Luca zurück in Richtung des Hauses, eine seiner Hände ist auf die klaffende Wunde mitten im Gesicht gepresst.

Es wäre wahrscheinlich angebracht, ihm zu helfen, doch da er ohnehin zu Hause und damit mehr oder weniger sicher ist, drehe ich mich um und versuche, möglichst schnell zu verschwinden.

Kurz bevor ich um die Ecke biege höre ich einen dumpfen Knall und wirble herum.

Der Junge liegt auf dem matschigen Boden und bewegt sich nicht. "Luca?", schreie ich probehalber, doch er zeigt keinerlei Reaktion.

Scheiße, denke ich. Auf einer Skala von eins bis asozial, wie wäre es, wenn ich einfach wegginge?

Ich stehe unschlüssig da und sehe mich um, doch weder auf der Straße noch in der modrigen Hütte tut sich irgendwas. Wenn ich ihm nicht helfe, wer dann?

Resigniert stapfe ich mit meinen niegelnagelneuen Schuhen durch die verdreckte Einfahrt bis zur Haustür, wo ich mich neben Luca hinknie.

Blut fließt aus einer Wunde im Nacken, doch er atmet. Offenbar hat sich eine der Dachschindeln gelöst und hat ihn erschlagen. Probehalber kneife ich ihn in den Oberschenkel, nur um sicherzugehen, dass er mich nicht nur verarscht.

Ich kaue auf meiner Lippe herum und würde liebend gern eine rauchen, doch dafür ist jetzt keine Zeit. Ich sollte ihn wohl ins Krankenhaus bringen oder so.

Widerwillig zerre ich ihn zu dem Wagen, aus dem er gerade noch das Handtuch geholt hat. Durch die offene Haustür sehe ich eine kleine Schale auf einer Kommode aus kunstvoll geschnitztem Holz stehen, in welcher ein Schlüsselbund liegt, den ich mir kurzerhand aneigne.

Moment. Erinnerung an meinen erste Hilfe Kurs. Wählen Sie die 144 und tun sie genau, was unsere Mitarbeiter in der Notrufzentrale Ihnen erklären.  Bewegen Sie die verletzte Person unter keinen Umständen ohne triftigen Grund.

Tja, da ich ihn ohnehin schon bewegt habe, ist es dazu wohl zu spät. Und wozu den Krankenwagen rufen, wenn Luca schon auf der Rückbank liegt?

Ich werfe mich auf den Fahrersitz und brauche eine Weile, um das alte Auto in Gang zu bringen, doch irgendwann läuft der Motor und ich bringe den Wagen vorsichtig mit schleifender Kupplung zum Fahren.

Bloß keine ruckartigen Bewegungen, sonst krepiert er mir da hinten noch. Oder wird gelähmt oder so. Beides Perspektiven, mit welchen ich leben könnte,  die aber nicht unbedingt nötig wären.

Das Schritttempo geht mir bald so auf die Nerven, dass ich beschleunige und schließlich beim Krankenhaus von 100km/h runterbremsen muss.

Luca fällt von der Rückbank und in den Fußraum, irgendeines seiner Gelenke knackt ekelhaft und ein Schaudern läuft mir über den Rücken. Ich steige aus und werfe einen Blick auf ihn, wie er völlig entspannt im Fußraum des alten Golfs liegt, ein Bein seltsam verrenkt und blutige Wunden an Gesicht und Nacken.

Dann zerre ich ihn heraus und werfe ihn mir über die Schulter - dadurch, dass er etwas kleiner und schmächtiger ist als ich, kann ich ihn relativ leicht anheben - und jogge zum Haupteingang, wo man mich offenbar schon bemerkt hat, denn drei Schwestern rennen mir entgegen.

Das frische Tattoo auf meiner Schulter sendet gleißende Schmerzen durch meinen Körper und ich beiße auf den letzten Metern die Zähne zusammen, bis ich ihn  endlich von mir herunter hieven kann.

Sie nehmen mir Luca ab und ich folge ihnen keuchend ins Gebäude,  bis eine Frau mich am Arm nimmt und in einen separaten Raum zieht. Durch das Glas am Rand der Tür sehe ich, wie Luca auf eine Trage gelegt  und fort geschoben wird.

"Bitte, beruhigen sie sich erst einmal", meint die rothaarige Ärztin und drückt mich auf eine Liege. Ich lehne mich zurück und beruhige meinen Atem, während ich mich frage, wieso ich wie ein Verletzter behandelt werde.

"Würden Sie mir erstmal ihre Namen verraten?", bittet sie mich und nimmt ein Tablet zur Hand. "Und schildern, was geschehen ist?"

Ich fange bei den Namen an, doch bei Luca stocke ich. "Ich weiß seinen Nachnamen nicht, tut mir leid"

"Ich dachte, Sie würden ihn kennen?", verdutzt sieht sie mich an, nachdem sie meine Namen in der Online Datenbank eingegeben hat.

"Nicht direkt", grinse ich und erzähle, was passiert ist. Dann, weil ich einfach nicht anders kann, füge ich noch hinzu: "Wann wird man denn wissen, wie es ihm geht?"

"Sobald wir es wissen, informieren wir Sie", die Frau redet immer noch auf beruhigende Art und ich werfe neugierig einen Blick auf ihr Namensschild. Dr Sommer.

Keine Sekunde später liege ich laut lachend auf dem Fliesenboden. Dr Sommer... die Situation ist einfach zu absurd. Vielleicht habe ich gerade zu einer ernsthaften Verletzung beigetragen. Vielleicht habe ich auch ein Leben gerettet. Ich weiß nur, dass meine Schulter brennt, diese Situation wahnsinnig absurd ist, und die Ärztin vor mir Doktor fucking Sommer heißt!

"Ist alles in Ordnung? Haben sie einen Schlag auf den Kopf erlitten? Das sieht mir doch recht ernst aus..", besorgt hilft sie mir auf die Beine und untersucht die inzwischen verkrusteten Wunden von dem Unfall heute Morgen. "Wie ist das passiert?"

Fuck!! Ich höre augenblicklich auf zu lachen. Als ich ins Krankenhaus fuhr, hatte ich nicht daran gedacht, dass ich dort meinen Unfall erklären würde müssen.

"I..ich bin heute Morgen ... gestolpert, ist halb so wild", bringe ich mit klopfendem Herzen hervor. Bevor sie einen Blutalkoholtest vorschlagen kann schlüpfe ich unter Dr Sommers Arm hinweg und zur Tür hinaus.

"Samuel!", höre ich sie noch rufen und hoffe nur, dass mein Verhalten nicht gestört genug war, um meine Eltern zu kontaktieren. In dem Falle wäre ich nämlich tot.

Bevor ich das Krankenhaus verlasse gehe ich noch zum Informations- und Anmeldeschalter der Unfallambulanz.

"Entschuldigung, ich bin vor einigen Minuten mit einem jungen Mann hierhergekommen, der eine Wunde im Nacken hatte...", setze ich an.

"Jawohl, ist hier als Luca mit keiner Angabe bei Nachname eingetragen", die junge Frau tippt mit dem Kuli an den Bildschirm vor sich und kaut dann auf dessen Ende herum, während sie mich ungeduldig mustert. 

"Wissen Sie schon, wie ernst die Lage ist?", frage ich.

"Nein, tut mir leid aber er wurde noch nicht zur Gänze untersucht, aber wenn Sie Interesse daran hegen, könnte ich Sie kontaktieren, sobald Klarheit über seinen Zustand besteht", bietet sie an.

Ich stimme zu und gebe ihr meine Nummer, bevor ich das Krankenhaus verlasse und in den inzwischen strömenden Regen trete.

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mal danke an die ganzen Leute die voten *_* wir dachten nicht, dass das irgendwer liest und jetzt sinds schon über 500 ^o^ so geil, danke danke


When I met you... boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt