Derek rammte wütend seine Hände in die Hosentaschen und starrte sein Auto an, als wollte er es ermorden. Dumm nur, dass er dafür zu spät kam, denn sein Camaro war bereits tot; sprang einfach nicht mehr an!
Und weit und breit niemand, den er bitten konnte, ihm Starthilfe zu geben.
Er ließ seinen Wagen ungern um diese Zeit, es war beinahe Mitternacht in dieser Gegend stehen, doch was sollte er machen? Morgen würde er sich um einen Abschleppdienst kümmern, doch jetzt wollte er erst einmal einfach nur noch nachhause.
Er fragte die kleine, elektronische Frau, die in seinem Handy wohnte und sie gab ihm die Auskunft, dass drei Straßen weiter ein Bus fuhr. Wenn er diesen bis zur Endhaltestelle nähme, wäre er beinahe schon vor seiner Haustür.
Derek streichelte noch einmal über die Motorhaube, als würde er sich von einem Freund verabschieden und dann setzte er sich in Bewegung.
Einen Augenblick später stand er mit einigen anderen müden Gestalten an der Bushaltestelle und wartete. Es war Ende Oktober und für kalifornische Verhältnisse ungewöhnlich frisch. Nasse, dunstige Luft war von der San Francisco Bay her in jeden Winkel der Stadt gekrochen.
Der Nebel und die grellen Lichter der Großstadt verbargen den Vollmond am Himmel, doch Derek spürte ihn dennoch in den Eingeweiden.
Wie immer machte er ihn ein klein wenig unruhig. Das würde sich wohl niemals ändern, ganz gleich, wie alt er wurde.
Endlich kam der Bus. Beim Fahrer löste Derek sein Ticket und dann suchte er nach einem Sitzplatz, denn er hatte keine Lust, die vierzig Minuten Fahrtzeit stehend in dem schaukelnden Gefährt zuzubringen. Der einzig freie Platz allerdings befand sich gegenüber einem jungen Mann, welcher die Augen geschlossen und die Beine unverschämt weit ausgestreckt hatte. Der Fremde schlief möglicherweise und darum sagte Derek lauter und zugegebenermaßen auch unfreundlicher, als eigentlich nötig:
„Darf ich mal?"
Der Junge schreckte auf und blickte ihn verstört an.
Seine Augen hatten in dieser Beleuchtung die Farbe von Honig:
„Entschuldigung!" murmelte er müde und zog sein Fahrgestell ein.
Erst danach schien der Bursche Derek richtig wahrzunehmen und begann, sein Gegenüber beinahe schon ein wenig dreist zu mustern.
Derek verdrehte die Augen.
In dieser verflixten Stadt wurde er wirklich permanent angemacht!
Anscheinend gab es irgendetwas an ihm, dass schwulen Kerlen suggerierte, dass er auf ihrer Speisekarte stünde.
Er verschränkte genervt die Arme vor der Brust.
Offensichtlich bemerkte der kleine Kerl sofort, dass sein Interesse unerwünscht war. Er sah ertappt aus, senkte die Augen zunächst zu Boden und einen Augenblick später schloss er sie ganz einfach wieder.
Nun da es ungefährlich war, weil seine Neugier nicht mehr fehlinterpretiert werden konnte, begann Derek seinerseits, den Jungen zu mustern. Im Grunde genommen gab es da gar nichts Besonderes an ihm: Vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt, im Grunde gutaussehend, wenn auch ein wenig heruntergekommen; hellbraunes Haar, das mal wieder einen frischen Schnitt vertragen könnte, blasse Haut, zerrissene Jeans, ramponierte Stoffturnschuhe, roter Kapuzenpullover, ein wenig fleckig. Bei sich trug er einen kleinen, vollgestopften Rucksack, den er im Klammergriff hielt, als habe er Angst, jemand könnte ihm diesen stehlen.
Und Derek ahnte, dass sich in dieser Tasche möglicherweise alles befand, was dieser Bengel besaß.
Da war etwas in den Gesichtszügen des Jungen, woran Dereks Blick hängen blieb; Anspannung, etwas Gehetztes, Verlorenes und um seinen Mund spielte ein verletzlicher Zug.
DU LIEST GERADE
Der Junge im Bus
FanfictionSan Francisco im Oktober. Es ist eine kalte Vollmondnacht, Derek ist müde und will bloß noch schnellstmöglich nachhause! Natürlich verreckt ihm gerade jetzt seine blöde Karre. Also gut, dann muss er wohl den verdammten Bus nehmen. Und irgendetwas an...