2. Ein Pyjama für Zwei

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Dereks Apartment war zu einhundert Prozent auf die Bedürfnisse eines Singles zugeschnitten. Man trat durch die Tür und stand sofort in einem großen Wohnzimmer mit offener Küche hinter einem Tresen.

Hiervon gingen zwei weitere, im Augenblick verschlossene Türen ab; Schlaf- und Badezimmer, wie Stiles vermutete. Außerdem gehörte zum Wohnzimmer auch noch ein großzügiger Balkon, der im Augenblick im Dunkeln lag.

Ein paar Dinge fielen Stiles sofort an Dereks Zuhause in Auge: Zum Ersten war alles wahnsinnig sauber und ordentlich. Die Einrichtung war minimalistisch und beinahe steril in ihrer Nüchternheit. Außerdem war alles in weiß und hellgrau gehalten und die Möbel waren allesamt modern, edel und sahen teuer aus.

Derek hatte inzwischen Kissen und Decke besorgt und drückte dem Jungen beides mit den Worten in den Arm:

„Da steht das Sofa. Mach's dir bequem! Wenn du etwas brauchst, darfst du gern an den Kühlschrank gehen. Und ein Wort der Warnung: Wenn ich morgen früh aufwache und du bist zusammen mit meinem Laptop und meiner Brieftasche verschwunden, dann werde ich mich an deine Fährte heften, dich finden und fertig machen, Capisce?"

Stiles blickte den Älteren mit großen Augen an und antwortete erschrocken:

„Hey! Ich bin kein Dieb!"

„Wir werden sehen!" gab Derek schulterzuckend zurück: „Schlaf' gut!"

Stiles jedoch rührte sich nicht vom Fleck und wirkte unbehaglich und so fragte Derek genervt:

„Was ist denn noch? Wartest du auf einen Gute-Nacht-Kuss, oder was?"

„Ich..." Stiles schluckte und fuhr beinahe flüsternd fort: „Also, ich würde gern duschen, wenn ich darf."

Er kam sich unverschämt vor, überhaupt zu fragen.

Derek grinste:

„DAS ist alles? Na, dann geh' doch! Das Badezimmer ist dort drüben." Er deutete auf eine der Türen: „Nimm' dir ein Handtuch vom Regal."

Stiles nickte schüchtern und verschwand im Bad.

Derek blickte ihm kopfschüttelnd hinterher und machte sich eine Tasse Tee als Schlummertrunk.

Das Badezimmer war von oben bis unten weiß gefliest und auch hier war alles peinlich sauber. Das einzig Schmutzige in diesem Raum war Stiles selbst.

Er legte seine dreckstarrenden Kleider ab und betrachtete sich in dem großen Spiegel über dem Waschbecken. Er stellte erschrocken fest, dass er tüchtig abgenommen hatte. Er war immer schon schlank gewesen, doch das was ihm da gerade im Spiegel entgegenblickte, sah erbärmlich aus.

Eine Überraschung war dies natürlich nicht, denn seit drei Wochen war er permanent auf den Beinen gewesen, hatte wenig zu essen gehabt, weil er mit dem Taschengeld, dass er bei seiner Flucht dabei gehabt hatte, sehr sparsam umgegangen war.

Und dennoch war sein Erspartes nun bereits seit zwei Tagen aufgebraucht gewesen.

Wenn dieser Derek ihn heute nicht zum Essen eingeladen hätte, hätte er nicht gewusst, was er tun sollte. Er hatte schon so kurz davor gestanden, sich aus dem Müll zu ernähren.

Stiles trat in die Dusche, schloss die Glaskabine hinter sich und stellte das Wasser an.

Und als er schließlich umhüllt war von Wasserdampf und dem Duft des Duschgels und als die warmen Wassertropfen ihn streichelten, dachte er plötzlich an zuhause und begann zu weinen.

Eine heiße Dusche war ihm in seinem bisherigen Leben stets so selbstverständlich vorgekommen, doch nach den Erfahrungen der letzten Wochen erschien sie ihm nun wie der reinste Luxus.

Der Junge im BusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt