Teil 23

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"Klopf, klopf."
"Was ist Papa? Ich schlafe."
"Du hast Besuch."
"Dann soll der Besuch später wiederkommen, wie gesagt, ich schlafe!"
"Aber es ist männlicher Besuch." Sofort richtete ich mich auf und schaute auf die Uhr. Wir hatten es grade einmal 10 Uhr am Morgen. Welcher Vollidiot kam denn bitte auf die Idee, während den Ferien einen so früh zu besuchen? Ein erneutes Klopfen von der Tür machte sich bemerkbar und ich rief ein schnelles 'Sofort' zurück. Von der Außenseite meiner Tür, hörte ich gedämpftes Gelächter, von meinem Vater und von einer weiteren männlichen Stimme. Allerdings war ich zu sehr damit beschäftigt, mich anzuziehen als das ich die Stimme zuordnen hätte können. Als ich fertig mit meinem Outfit war, welches lediglich aus einer kurzen weißen Stoffhose und einem schwarzen weiten T-Shirt bestand, flitzte ich zur Tür und riss diese ohne weiteres auf. Vor dieser stand ein lieblich lächelnder Jake der mich von oben bis unten musterte. "Warum stehst du hier?" Ich lehnte mich im Türrahmen an und mein Blick wanderte von seinem Gesicht auf seinen rechten Fuß, welcher von einer grauen Schiene ummantelt war. "Naja also dein Dad hat gesagt, ich solle einfach hier warten bis du fertig bist und-.." Ich unterbrach sein Gebrabbel und rollte gespielt genervt mit den Augen. "Nein du Idiot. Der Grund warum du hier bist interessiert mich, nicht warum du vor meiner Tür wartest." Da er mich anscheinend nun richtig verstanden hatte, nickte er verständlich und beugte sich etwas zu mir vor. "Hast du es etwa schon vergessen?" Ein dickes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, als er seine Schultasche vor mir baumeln ließ. Unsere Hausaufgabe. "Ähm, ich habe es nicht vergessen nur...du hättest mir ja auch Bescheid geben können, dass du vorbei schaust."

Ok, ja ich hatte es vergessen, aber ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass dieses Projekt Jake so wichtig ist, dass er gleich am ersten freien Tag anfangen mochte. Außerdem hätte er mir auch vorher Bescheid geben können, dass er käme, anstatt einfach hier so rein zu stolzieren. Bevor er überhaupt einen Schritt in mein Zimmer machen konnte, stoppte ich seinen Oberkörper mit meiner Hand und mein Gegenüber warf mir daraufhin ein verwirrten Blick zu. "Komm lass uns draußen arbeiten, es ist so schönes Wetter, das können wir uns nicht entgehen lassen. Mein Zimmer hat sowieso nur einen Schreibtisch, dann müssten wir die ganze Zeit getrennt arbeiten." Jake nickte zustimmend und folgte mir auf den Balkon. Wir hatten zwar keinen Garten, noch ein luxuriöses Haus aber dafür einen kleinen Balkon den ich vor einpaar Tagen neben der kleinen Werkstatt von Mi Yeom entdeckt hatte. Er war nichts besonderes, auf ihm stand lediglich ein Tisch mit vier Stühlen und einer kleinen Pflanze in einer Ecke.

Als wir es uns bequem mit unseren Sachen gemacht hatten, fingen wir auch schon sofort damit an zu arbeiten. Nach einer halben Stunde hatten wir die erste Aufgabe hinter uns und mein Hals begann zu kratzen. "Hast du Durst?" Fragte ich. Mein Gegenüber schaute kurz auf und nickte als Antwort, danach senkte er seinen Blick wieder und machte sich weiter ans Schreiben. In der Küche nahm ich zwei Gläser und eine Flasche Wasser aus dem Schrank und machte mich auf den Weg zurück zum Balkon. Im Flur wurde ich jedoch von Mi Yeom gestoppt der ein leises 'Phhst' von sich gab um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich blieb stehen und ging auf Zehenspitzen auf ihn zu. Er flüsterte: "Ist das...Jeno?" Beim Reden blickte er sich die ganze Zeit wie ein Spion um, ob auch ja niemand unser Gespräch mitbekam. "Nein, das ist Jake, er geht mit mir auf eine Schule und wir müssen zusammen etwas für Bio machen." Flüsterte ich noch leiser zurück. "Wir müssen heute Abend mal reden." Erwiderte er daraufhin und machte dieses Du-hast-sowieso-keine-andere-Wahl Gesicht. Ich antwortete mit einem Okay-Zeichen, welches ich mit meiner Hand machte. "Aber eine Frage hab ich noch, wir sind allein warum flüstern wir?" Fragte ich ihn und er brach in lautes Gelächter aus, welchem ich mich kurz darauf anschloss.
"Da bist du ja endlich, ich habe mörderrischen Durst!" Jammerte Jake, als ich durch die Tür zurück auf den Balkon kam. Ich schüttete uns beiden ein und für einen Moment war das Einzige was man hörte, die Vögel aus dem riesigen japanischen Blüten-Kirschen Baum oder auch Prunus serrulata. Das dieser so hieß  hatte mir Min Chan erklärt, als sie noch hier war. Sie liebte die Natur und wusste auch sehr vieles über die Pflanzen, ihre Namen und ihre Herkunft. Hoffentlich ging es ihr gut...

"Woran denkst du?" Ich riss meinen Blick von dem schönen rosafarbenen Blüten auf den Braunhaarigen Jungen vor mir. "Ich habe nur grade daran gedacht wie.." Schnell schaute ich mich unauffällig um und lass mir die nächste Aufgabe durch. "..wie wir erklären sollen, wie es sich anfühlt, wenn der Körper von Hormonen gesteuert wird und was das in uns auslöst?" Okay laut ausgesprochen klang die Aufgabe tatsächlich verwirrend. Jake schüttelte lächelnd seinen Kopf und stellte sein Glas neben meins auf den Tisch. "Die Frage ist doch garnicht so schwer." Er ließ seine Hand von seinem Glas zu meiner wandern, die ich auf dem Tisch positioniert hatte. Er lächelte mich sanft an mit einem funkeln in den Augen, welches ich nicht ganz einschätzen konnte. "Hormone lösen faszinierende Dinge mit uns an. Sie lassen uns fühlen, wie wir zuvor noch nie gefühlt haben. Sie machen uns leichtsinnig, bringen unser Herz zum rasen, rauben uns den Verstand! Sie lassen uns fühlen, lassen uns träumen, erst durch sie fangen wir an zu leben." Das was Jake gerade von sich gab war so poetisch und tiefsinnig, so garnicht er selbst. Oder war das der wahre Jake?

Ein kleines Lächeln fing sich auch bei mir an zu bilden, als eine Wespe den Moment ruinierte. Sie flog genau an mein Ohr und ich fing an wie ein kleines Kind zu kreischen. Ich bekam dezent Panik als dieses Tier an mein Ohr flog und sich ihr Brummen um einiges verstärkte. Ich sprang von meinem Stuhl auf und Jake probierte panisch das Insekt zu verscheuchen. Schlussendlich griff er nach der Sprühflasche, welche eigentlich der Pflanze dienen sollte und schaffte es tatsächlich dieses Biest zu verjagen. "Danke," murmelte ich beschämt vor mich hin. Mein Gegenüber winkte mit den Händen ab und näherte sich meinem Gesicht mit seinen Händen. "Warum hast du so starke Augenringe?" Schnell schaute ich zu Boden und nuschelte etwas vor mich hin. "Nochmal und dieses Mal, bitte lauter Blümchen." Ich schaute irritiert zu ihm auf, doch er fing, wie es typisch und auch schon üblich für ihn war, nur wieder an zu lachen. "Ich nenn dich so, weil du diese Biester förmlich wie eine Blume anziehst. Aber das ist nicht der Punkt." Da ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte, strich ich mir beschämt eine Haarsträhne hinters Ohr und begann zu reden. "Sagen wir es so, gestern war ein sehr erlebnisreicher Tag." Er nickte etwas angesäuert und atmete genervt aus. Ich zog eine Augenbraue hoch und lehnte mich vor. "Lass mich raten; Diesen erlebnisreichen Tag hast du mit diesen Jungs verbracht, hab ich nicht Recht? Mittlerweile müsstest du ja wissen, wer dieser Renjun und seine Freunde für welche sind." Ich probierte ruhig zu bleiben, doch es fiel mir schwer. Mein Kumpel, ich würde schon sagen bester Freund, hatte etwas gegen meine anderen Freunde und den Jungen den ich mochte und das nur, weil sie Idole waren? Das war doch nicht fair!

"Sag du mir doch mal lieber warum dein Fuß von diesem Cinderella Schuh geziert wird." Er schaute an sich hinunter, als ich auf seine Schiene zeigte und er zuckte nur mit den Schultern. "Das ist passiert, als ich an dem Tag wütend aus der Mensa gestürmt war. Ich war nicht ganz bei mir, wegen diesen Möchtegern Idolen und dann bin ich in jemanden rein gelaufen. Naja...genau auf einer Treppe, kurz gesagt; Ich bin die Treppe runtergefallen. Kleiner Bänderriss." Spielte er das Ganze hinunter und ich ließ meine Kinnlade runterfallen. "Hör schon auf, du siehst ja schon aus wie Jun." Ich richtete mich sofort wieder und machte den Mund zu. Das wärs ja noch, wenn ich aussehen würde wie Jun.

Jake's Blick wanderte auf sein Handy und er riss panisch seine Augen auf. "Mist! Ich muss los. Ach ja und bevor ich es vergesse, du bist am Freitag bei uns zum Essen eingeladen. Einladung von meinem Dad." Meine Augen hätten eigentlich rausspringen müssen, so weit wie ich sie in diesem Moment auf riss. "Aber-.."
"Kein Aber. Du bist vom Teufel persönlich eingeladen." Er fing laut an zu lachen, was ich nicht ganz verstand, jedoch hatte ich jetzt nicht gerade die Zeit um mir wegen Jake Gedanken zu machen. Ich wurde nicht nur von Jake's Vater eingeladen, nein, sondern auch von einem reichen, strengen Vorsitzenden einer bekannten Werbeagentur, welche mit Labels wie Puma zusammen arbeitete. Wo hatte ich mich nur reingeritten?

⁰¹ LIMITLESS | jenoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt