«Craigs's Bar»

165 14 16
                                    

|3|

In der ersten Semesterwoche hatte mich mein neu geordneter Alltag auf Trab gehalten, sodass ich gar nicht zum Grübeln kam, was mich heute in der Bar eventuell erwarten könnte. Zu sehr war ich vom Trubel auf dem Campus abgelenkt gewesen. Noch immer konnte ich nicht fassen, dass ich meine Stelle in Craig's Bar ohne Probleme zurückbekommen hatte. Zugegebenermaßen wunderte mich das nicht, dass keine Bedienung lange bleiben wollte, schließlich war der Pub doch etwas angestaubt. Hierher in diesen Winkel der Stadt trafen fast ausschließlich Leute aus dem Viertel aufeinander, um ihr Feierabendbier zu trinken.

Wie ich es noch in Erinnerung hatte, hing der Geruch von Alkohol im Raum als ich über die Schwelle der Eckkneipe trat. Ich war furchtbar aufgeregt, das mir schummrig von der Luft wurde. Meine erste Schicht in meinem alten Job und der Gedanke daran wie leicht das Leben damals war, raubte mir den Atem. Anzuknüpfen an mein früheres Leben kostete mich immens viel Kraft.

Einen Moment blieb ich im uneinsehbaren Eingangsbereich stehen. Kurz überlegte ich einfach einen Rückzieher zu machen und eine andere Arbeit zu suchen. Jedoch verbot mir mein Verstand, die leichtesten Lösung in Betracht zu ziehen. Nein, ich kann nicht ewig vor meinen Ängsten davon laufen.

Mutigen Schrittes betrat ich vollends das Lokal. Wild blinkende Spielautomaten versuchten auf sich aufmerksam zu machen und ich fragte mich, wann jemand zuletzt an diesen Dingern Zeit verbracht hatte. Vermutlich kannten die meisten Teenager, diese klobigen Kästen nur aus Filmen. Musik ertönte aus der Jukebox daneben und vermischten sich mit dem nervtötend Gedudel der Flipper.

In der Kneipe war die Zeit stehengeblieben und die Atmosphäre erinnerte an die Glanzzeiten, als das Geschäft noch brummte.

Die Klänge eines spanischen Liedes begleiteten mich, während ich durch den diffus beleuchteten Raum zur Bar ging, vorbei an den hohen Bartischen mit ihren abgenutzten Holzhockern.

Katharina stand mit dem Rücken zu mir vor einem Regal, das bis zum Kleinsten gefüllt war mit verschiedensten Flaschen. Aus voller Kehle sang die Halblatina über Liebe und Schmerz. Dabei wippte ihr wilder Lockenkopf, der an einen Löwen erinnerte zum Takt der Musik. Sie füllte eine Schale nach der anderen mit Knabbereien auf, während ich mich leise an sie heranschlich.

Wie ein Schatten nahm ich hinter ihr an der Theke auf einem der Hocker Platz.

„Entschuldigung, ich habe das Schild gesehen, dass sie Mitarbeiter suchen. Ich würde mich gern bewerben", sprach ich sie mit verstellter Stimme an und konnte mir kaum das Lachen verkneifen.

Zu Tode erschrocken zuckte sie heftig zusammen, sodass sie einen Teil der Erdnüsse auf dem Boden verteilte. Ihr Gesicht verlor für einen Bruchteil eines Augenblickes seinen karamellfarbenen Hautton. „Dios mio!", fluchte sie in der Bewegung und drehte sich um ihre eigene Achse. „Da müssen sie ... ", begann sie, stockte dann einen Moment als sie mich erkannte. Sogleich verfiel sie in ungläubiges Staunen und rief: „Caro, du?"

Außer sich vor Freude warf sie die Tüte mit den Nüssen zur Seite und kam um den Tresen geeilt. Fest schloss sie mich in ihre Arme, sodass mein Gesicht in ihre üppige Oberweite gepresst wurde.

„Hey. Was machst du denn hier?", begrüßte sie mich mit ihrem breit grinsenden Mund und gab mir einen Kuss auf die Wange.

„Du wirst mich ab heute wieder ertragen müssen. Craig hat mich an Bord geholt", informierte ich sie lachend.

„Was? Wirklich? Er hat mir nichts gesagt der Mistkerl." Aufgebracht stützte sie ihre Hände in die Hüften. „Ich dachte echt, ich muss allein mit der feierwütigen Meute klarkommen." Erleichterung spiegelte sich in ihren Gesichtszügen wider.

Glück reist auf weißen Schwingen (Neufassung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt