«Stück für Stück»

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Hand in Hand betraten wir das Café, das nicht unweit des Friedhofes lag. In dem großen offenen Raum herrschte ein buntes Treiben. Die kleinen runden Tische, an denen zwei Personen Platz fanden, waren allesamt besetzt und an der gläsernen Auslage standen die Menschen und blickten auf das köstlich aussehende Gebäck. Weg von dem Gemurmel der Gäste fanden wir in der hintersten Ecke einen ruhigen Platz mit direktem Blick nach draußen. Ich versank in den gemütlichen Polstern der Eckbank, während Daryl Getränke an der Selbstbedienungstheke holte. Sehnsüchtig sah ich zu ihm, wie er lässig da stand, die Hand vergraben in seiner Jeans. Und ich fragte mich, warum ein so gutaussehender Mann sich für mich interessierte. Er warf mir ein Lächeln über die Schulter zu, das mich innerlich zum Schmelzen brachte, wie ein Schokostück in einem Soufflee und meine Zweifel versanken mit darin. Ich strahlte ihn an und spürte wie das Blut mein Gesicht erhitzte.

Als er zurückkam reichte er mir einen saftigen Muffin, der mit rosa Zuckerherzchen dekoriert war. „Du sahst so aus, als wolltest du mich vernaschen, deshalb hab ich dir das als Ersatz mitgebracht", meinte er grinsend.

„Ohne zweideutige Anspielung kannst du keinen Satz beginnen, was?", erwiderte ich schmunzelnd, während er sich mir gegenüber platzierte und die heißen Tassen auf den Tisch stellte.

„Ich kann schon ernst sein, aber ich liebe es, wenn sich deine Wangen mit dieser Röte überziehen, als hättest du gerade eine heiße Nacht hinter dir."

Und wie auf Kommando schoss mir das Blut bis zum Haaransatz. Schnell senkte ich den Blick und biss herzhaft in das Gebäck hinein, in der Hoffnung der Zucker würde meine Nerven beruhigen und die Hitze vertreiben, die er mit seinen Worten in mir auslöste. Unterm Kauen brach ich ein Stück dieser Schokoexplosion ab. „Den musst du probieren!", nuschelte ich und hielt ich ihm aufordernd die dunklen Versuchung vor den Mund.

Sein spitzbübisches Grinsen erreichte fast die Ohren, als er sich zu meinen Fingern beugte. Er umschloss das fluffige Teigstück mit seinen Lippen, warm und weich legten sie sich auch um meinen Zeigefinger und den Daumen. Keine Sekunde verlor er den Blickkontakt zu mir bis er sich schließlich zurück lehnte und mich mit seine Augen verschlangen. „Wirklich sehr lecker."

Heilige Mutter Gottes. Ich verschluckte mich heftig an meinem süßen Bissen und ich wurde geschüttelt von einem Hustenanfall. Alles begann sich zu drehen, wie im Auge eines Tornados, und der Gedanke wie sich dieser Mund auf meinem Körper anfühlen würde, zischte an mir vorbei. Ständig fühlte ich mich unter seinen stechenden Augen als stünde ich kurz vorm Siedepunkt und spürte wie ich die Kontrolle über mich verlor.

Scham und Unsicherheit schwirrten durch meinen Kopf. Ich hatte Angst vor der Reise, die sich mir mit ihm offenbarte. Irgendwann würde ich nackt vor ihm stehen, aber was dann? Würde er dann noch immer davon träumen mich im Arm zu halten, wenn er sah, was ich unter meinen Klamotten versteckte.

Er fasste meine noch immer eiskalten Hände und zog sie zu sich über den Tisch. Abrupt entriss ich ihm die Finger und wärmte sie stattdessen an der Tasse. „Ich sollte jetzt gehen", flüsterte ich mehr zu mir selbst.

Nachdenklich mit einem tiefen Graben zwischen den Brauen, drehte er seinen Becher zwischen seinen Händen und starrte schweigend in die blutrote Flüssigkeit, von der ein schwere Geruch von Früchten ausging. Unsere unbeschwerte Stimmung war verpufft und wandelte sich zu einer unheilvollen Stille. Meine Selbstzweifel hatten gesiegt, lachten mir gehässig ins Gesicht.

Glück reist auf weißen Schwingen (Neufassung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt