«Geständnis»

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„Keine Sorge, wir werden ihn finden. Wenn es Ihnen besser geht, kommen Sie morgen ins Revier 91. Officer Hawkins übernimmt dann ihren Fall. Im Augenblick reicht mir die Aussage von Mister Turner, um erstmal eine Festnahme zu veranlassen", verabschiedete sich der Polizist und reichte mir die Hand.

Ich versuchte mich in einem dankbaren Lächeln und begleitete ihn zur Tür. Hinter ihm schloss ich sie und lehnte meine Stirn einen Moment an die kalte Holzoberfläche.

Dieses Mal hatte Alex keine Chance sich aus der Sache herauszuwinden - zu schwerwiegenden war die Beweislast gegen ihn. Nicht wie bei unserem letzten Aufeinandertreffen, als ich ohne Zeugen seinen Tätlichkeiten ausgesetzt war.

Erleichtert atmete ich aus. Das Adrenalin in meinem Venen verebbte und hinterließ eine Leere. Ein schwarzes Loch aus Lügen und Geheimnissen, das mich von innen heraus immer weiter mit sich zog. Solange bis ich nicht mehr entfliehen konnte.

Ich drehte mich zu James. Noch hielt er sich wacker auf den Beinen, aber die Erschöpfung war in sein Gesicht geschrieben. In seinem Blick lagen tausend ungeklärte Fragen, die er jedoch nicht stellte. Früher oder später würde er sie mir stellen, doch im Moment schwieg er und hielt sich den Bauch. Meiner Nachfrage, ob wir nicht besser ins Krankenhaus fahren sollten, redete er seine Schmerzen klein und nahm mich in den Arm. Mir war zum Heulen, doch keine Träne trat ans Licht. Wie ein Korken verschloss mir der Schock jede Pore.

„Komm wir fahren zu mir. Hier findest du heute keine Ruhe mehr", flüsterte James schließlich. Binnen Minuten packte ich die wichtigsten Sachen in eine kleine Reisetasche und kehrte dem Ort des Alptraums den Rücken.

Kaum bei ihm angekommen, rannte ich sofort in Richtung Badezimmer und verschloss die Tür hinter mir. Meine Selbstbeherrschung löste sich schlagartig auf und wie ein Damm brach etwas in mir, flutete mich. Wieder hatte Alex es geschafft sich in mein Leben zu drängen und die gut verborgenen Erinnerung aufzustöbern. Ich konnte der Vergangenheit nicht entkommen, sie würde immer wieder an die Oberfläche steigen, wie die Wasserblasen aus dem Mund eines Ertrinkenden.

Als sei ich fremdgesteuert, wühlte ich mich durch das Schränkchen über dem Waschbecken. Pillendosen, Verbandszeug fielen zu Boden, bis ich endlich fand, was meine gepeinigte Seele suchte. Kalt und willkommen schmiegte sich das Metall in meine Handfläche. Einmal hatte ich es schon getan und die Versuchung war groß es wieder zu tun. Es wäre leicht den Schmerz einfach hinter mir zulassen und in eine friedliche Welt zu entschweben. Ich blickte auf meine Narbe am Unterarm.


„Nein!", stellte ich mich gegen meine Angst. Genau das war es doch, was er wollte. Mich durch meine Furcht beherrschen, auch wenn er nicht da war.

„Du brichst mich nicht", sagte ich wütend. Zu viel hatte ich schon gekämpft, um jetzt hier zu sein. Einfach aufgeben war keine Option mehr.

Hartnäckig sträubte sich meine braune Pracht gegen ihr bevorstehendes Schicksal, als ich sie zu einem Bündel packte. Unter Tränen blickte ich den Strähnen nach, die Alex abgöttisch geliebt hatte und nun ihr Ende im Waschbecken fanden. Und mit den Haaren fiel auch die mir von ihm angelegte Kette. Klirrend landete die Schere am Boden. Ich wollte leben.

„Bist du in Ordnung?", drang es durch die Tür. Besorgnis lag in seiner Stimme.

„Ja!", schluchzte ich.

„Ich mach dir mein Bett fertig."

Nachdem ich noch eine gefühlte Stunde unter der Dusche verbracht hatte, ging ich ins angrenzende Schlafzimmer. James saß am Rand des Bettes, das Gesicht vergraben in seinen Händen. Ich setzte mich zu ihm, da hob er den Blick und musterte mich. Er lächelte matt und sagte schließlich: „Die kurzen Haare stehen dir."

Glück reist auf weißen Schwingen (Neufassung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt