«Heute koch ich, morgen ...»

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Februar

Ich sah auf die Uhr. Jede Minute sollte James von der Arbeit kommen. Mit der weißen Schürze um die Hüfte fühlte ich mich wie ein Hausmütterchen. Nie hatte ich mir vorstellen können einmal so in der Küche zu stehen und für einen Mann zu kochen. Niemals hatte ich nach einem Leben am Herd gestrebt, womöglich noch umgeben von einer Schar Kinder. Immer stand meine Karriere ganz weit oben auf meiner Liste. Jedoch musste ich eingestehen, dass es mich mit einem Gefühl der Zufriedenheit erfüllte einem geliebten Menschen damit etwas Gutes zu tun. Auch wenn es wahrscheinlich furchtbar schmecken wird. Zumindest konnte ich behaupten es mit Liebe gekocht zu haben, denn das war ich James schuldig, nachdem er mich seit zwei Wochen in seiner kleinen Wohnung beherbergte hatte.

Heiße Luft schlug mir entgegen, als ich den Backofen öffnete. Ich holte die Keramikform aus der Röhre und stellte sie auf die Arbeitsplatte. Unter einer goldbraunen Kruste blubberte die Tomatensoße.

Was er wohl zu meiner Überraschung sagen wird?

Haargenau hatte ich das Familienrezept der Millers befolgt, doch irgendwie sah die Lasagne anders aus als bei Jess daheim. Ein einziger Klumpen aus Nudelteig und Fleisch füllte die Auflaufform, selbst der Käse hatte es optisch nicht richten können.

Hinter mir ging die Wohnungstür auf. „Darling, ich bin zu Hause", begrüßte er mich fröhlich. „Wow, hier riecht es aber gut. Sag bloß, du hast für mich gekocht."

Sein herzliches Lachen durchdrang jeden meiner Sinne.

„Für meinen Schatz nur das Beste!" Ich warf ihm einen kessen Blick über die Schulter zu. Er würde sich bald wünschen den Lieferdienst angerufen zu haben.

Ich mochte den unbeschwerten Umgang, der mittlerweile zwischen uns herrschte. Vergessen waren die vergangenen peinlichen Momente, das Gestarre und die Unsicherheit. Endlich hatte ich meinen Freund aus alten Tagen zurück. Mehr als einmal hatten wir uns früher gegenseitig auf die Schippe genommen. Seit ewig langer Zeit konnte ich sagen, dass ich glücklich war, nur leider fehlte Jess in meinem Bild der Perfektion. Sofort wurde meine Stimmung gedrückt. Während ich mich wieder am Leben erfreute, erlebte sie ihre schlimmste Zeit und es gab wenig, was ich tun konnte, außer ihr beizustehen.

„He, wie oft habe ich dir gesagt du sollst deine Sachen nicht in der ganzen Wohnung verteilen", meinte James scharf und trat zu mir an den Herd. Sein Gesichtsausdruck todernst.

Perplex blickte ich ihn an. „Hab ich doch gar nicht", beharrte ich auf mein Recht. Seit ich bei ihm wohnte, war ich vorbildlich und verteilte meine Klamotten nur im Schlafzimmer.

„Ach und was ist das hier?" Mit einem weiten Grinsen nahm er seine Hand hinter dem Rücken hervor und hielt mir einen schwarzen Slip unter die Nase.

„Oh, der muss aus der Waschmaschine entwischt sein." Ich glühte vor Scham. „Gib her!" Entschlossen griff ich danach, um ihn schnell verschwinden zu lassen, doch er zog ihn zurück.

„Tut mir leid. Der entkommt seinem Schicksal nicht. Ich hab dir gesagt, wenn ich ein Teil von dir außerhalb deiner Zimmergrenze finde, landet es im Müll."

„Komm schon, der ist brandneu. Es war wirklich nur ein Versehen."

„Umso tragischer ist sein Ende im Abfallrohr." Hämisch lachte er und machte auf dem Absatz kehrt. Schnurstracks marschierte er in Richtung Ausgang.

Sofort rannte ich ihm hinterher. „Jonathan James Turner wage es ja nicht!"

Wie eine Katze aus dem Hinterhalt sprang ich ihn von hinten an und klammerte mich um seinen Hals fest. Unter Gelächter brach er unter mir zusammen und landet auf dem weichen Hochflorteppich. Siegessicher saß ich auf seinem Rücken und schnappte mir mein gutes Stück aus seiner erschlafften Hand. Sicherheitshalber versteckte ich es unter dem Bund meiner Jogginghose und zog mein Pulli darüber.

Glück reist auf weißen Schwingen (Neufassung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt