«Auf weißen Schwingen»

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Wieder einmal hatte er mich im Dunkeln gelassen, was seine Pläne anging. Aber egal was er im Schilde führte, ich würde jede Sekunde genießen, die ich mit ihm verbringen konnte. Wobei ich hoffte, heute keinesfalls seinen Vater zu treffen.

Ein Klopfen an der Tür riss mich von meinem spärlichen Frühstück aus Orangensaft und einem lapprigen Sandwich weg. Daryl konnte es eigentlich nicht sein. Dafür hatte ich gesorgt und war extra früh aus dem Bett gefallen um rechtzeitig fertig für unseren Ausflug zu sein.

Sicherheitsbedacht schielte ich erst durch den Spion. Da niemand zu sehen war, öffnete ich langsam die Tür. Verwundert  schaute ich den leeren Korridor hinunter. Keine Menschenseele, nur die Ziffern am Fahrstuhl fielen gen null. Mein Augenmerk richtete sich auf die Schwelle zu meinen Füßen und dort entdeckte ich einen großen Kaffeebecher mit einer Notiz.

„Daryl.“

Grinsend nahm ich den Becher und las den Zettel.

Guten Morgen Zuckerpuppe. Kaffee statt Blumen? In einer Stunde am Ostufer des Tidal Basin. Zieh dich warm an und lass mich nicht zu lange warten ;)

Weit vor der verabredeten Zeit stand ich an dem künstlich abgelegten See. Von Daryl war noch nichts zu sehen, sodass ich mich auf eine Bank setzte. Sonnenstrahlen wärmten meine Haut, während ich über das Wasser blickte. Hoch ragte der Marmorobelisk am anderen Ufer in den wolkenlosen Himmel und reflektierte das Sonnenlicht, wie ein Leuchtsignal. Unerwartet fiel ein Schatten über mich.

„Bereit?", flüsterte er neben mir.

Ich blickte über meine Schulter in seine funkelnden Augen. „Sagst du mir endlich, was du vorhast?"

„Eine Ritt auf weißen Schwingen", antwortete er kryptisch.

„Und wozu ist das dabei nötig?“, wollte ich wissen, als er ein schwarzes Tuch aus seiner Hosentasche zog und es vor mir im Wind flattern ließ.

„Du vertraust mir doch?", beantwortete er meine Fragen mit einer Gegenfrage.

„Natürlich."

In der kurzen Zeit wie ich ihn kannte, hatte er mir mehr von sich gezeigt, als Alex in den ganzen vier Monaten unsere Beziehung. Keine Frage, ich vertraute ihm. Er war anders, viel heller. Eine Laterne, die die Finsternis vertrieb.

„Das wollte ich hören." Sanft berührten seine Lippen meine Schläfe, dann spannte er den Stoff vor mein Gesicht.

Mein Herz hämmerte heftig, wie der Schlag einer Pauke. „Jetzt oder nie!", dachte ich und gab meinen Zwang alles zu kontrollieren auf. Automatisch schlossen sich meine Lider und die Binde nahm mir die restliche Helligkeit.

Sein Aftershaveduft folgte ihm als er die Bank umrundet und vor mich trat. „Noch ein paar letzte Worte, bevor die Nachtwanderung beginnt“, scherzte er und zog mich auf die Füsse.

„Wenn du irgendwelchen Unfug mit mir anstellst, dann Gnade dir Gott“, murmelte ich.

Seine Antwort war eine herzhaftes Lachen.

Waren meine Schritte zu Beginn noch zaghafter Natur, verließ ich mich nach wenigen Metern gänzlich auf seine Führung. Jeden Tritt erklärte er mir, beschrieb was vor mir lag und um uns herum geschah bis er irgendwann stoppte.

„Warte kurz. Bin gleich wieder da." Er ließ mich los und seine Schritte auf dem Kies schwanden.

„Nein, was tust du da?“ Meine Stimme verlor sich unter den Geräuschen der Umgebung.

Es war ein eigenartiges Gefühl allein in der Dunkelheit zu stehen und doch das Empfinden zu haben, dass es nicht so war. Ich spürte seine Anwesenheit, egal wie weit er sich von mir entfernte. Wie ein unsichtbare Nabelschnur, die wir gemeinsam teilten. Und so erschreckte ich auch nicht, als er wieder nach meiner Hand griff.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 31, 2019 ⏰

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Glück reist auf weißen Schwingen (Neufassung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt