«Freundschaft mit Hindernissen»

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Mit einem durchdringenden Piepen dröhnte der Wecker neben meinem Ohr. Zum wiederholten Male drückte ich den Alarm weg. Die gestrige Schicht war lang und zermürbend gewesen. Ich konnte kaum ein Auge öffnen, geschweige denn voller Elan aus den Federn springen. Seit vier Wochen ging das schon so und ich fühlte mich langsam als hätte die alkoholgeschwängerte Luft der Bar mich um Jahre altern lassen. Heute stand mir ein langer Unitag bevor, dem ich möglichst ausgeruht begegnen wollte. Noch einmal drehte ich mich zur Seite. Nur ein wenig länger wollte ich das warme Bett genießen. Viel Zeit blieb mir leider nicht mehr.

Ein herrlicher Duft von Kaffee schwebte unter meiner Nase entlang. Die würzigen Aromen ließen mir das Wasser im Mund zusammen laufen.

„Guten Morgen, du Schlafmütze. Dein Wecker hat schon dreimal geläutet", begrüßte mich Sarah gut gelaunt.

Ich öffnete ein Lid nach dem anderen und blinzelte gegen die Helligkeit. Meine Freundin stand mit einem dampfenden Becher in der Hand vor meinem Bett. Ihr sonst offenes braunes Haar trug sie streng zu einem Knoten gesteckt.

„Morgen." Gähnend streckte ich meine Glieder und setzte mich auf.

„Ach, ich wünschte, ich hätte auch noch so ein entspanntes Leben wie du, aber leider muss ich mich sputen", beschwerte sie sich und nahm einen Schluck von dem Muntermacher.

„Entspannt findest du mein Leben? Kannst gern meine Schichten am Wochenende übernehmen."

Genervt von meiner spitzen Bemerkung rollte sie die Augen und seufzte. „Ich hab dir tausendmal gesagt, dass du nicht arbeiten musst. Mein Verdienst reicht locker für uns beide."

„Und ich, das ich das nicht will."

Ein Punkt an dem wir uns immer in die Haare bekamen. Sie wollte mir unter die Arme greifen, doch ich lehnte es strikt ab. Sie riss sich fast ein Bein aus um mich durchzubringen. Wäre letztes Jahr alles nach Plan verlaufen, hätte wir unseren Abschluss gemeinsam gemacht und ich müsste mich nicht von ihr Anwaltsjob durchfüttern lassen. Zum Glück konnte ich wenigstens einen kleinen Teil beisteuern auch wenn es nicht viel war und mir wahrscheinlich einige Falten einbringen würde.

„Okay. Auszeit. Ich muss los, bevor mir mein Chef im Nacken sitzt." Sie reichte mir den verlockend riechenden Kaffeepott. „Hier damit du auf die Beine kommst. Du siehst aus als hättest du schon wieder kein Auge zugetan."

„Danke." Begierig setzte ich meinen Mund an die Tasse.

„Treffen wir uns heute zum Mittagessen?", fragte sie, was ich mit einem Nicken beantwortet.

„Um eins wie immer", nuschelte ich mit der Nase über dem Behältnis.

„Super, ich habe Neuigkeiten, die dich aus den Socken hauen werden", meinte sie und strich die Falten auf ihrem dunkelblauen Kostüm glatt.

„Du machst mich neugierig. Hoffentlich ist es spannender, als meine langweiligen Geschichten aus der Bar. Langsam scheint sich mein Leben in eine Szene aus 'Täglich grüßt das Murmeltier' zu verwandeln, in der jeden Tag das Gleiche passiert", meinte ich im Scherz.

„Darauf kannst du wetten", kicherte sie und ging winkend zur Tür. „Und vielleicht bringt dich das endlich aus deiner Höhle hier raus. Das kann ich nämlich nicht länger mitansehen." Verstohlen blickte sie über die Schulter und ihr Grinsen verhieß nichts Gutes. Aus meinem Interesse wurde Argwohn.

Glück reist auf weißen Schwingen (Neufassung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt