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Seit dem Tag, an dem James wieder in mein Leben getreten war, hatten wir uns regelmäßig zu dritt zum Mittag getroffen. Und mit jeder Woche, die verstrich festigte sich unsere zerrüttete Beziehung zueinander immer mehr. Seine Nähe gab mir nach kurzer Zeit das Gefühl zurück, dass es auch noch gute Männer auf der Welt existierten.
Weit nach dreizehn Uhr rannte ich den langen Flur an der Bibliothek vorbei in Richtung Cafeteria. Völlig außer Atem trat ich in den überfüllten Raum. Dicht drängten sich die Studenten an den Tischen und an der Essensausgabe. Aber heute hatte ich nicht genug Zeit mich hinten an der langen Schlange anzustellen, denn meine Freunde wartete schon eine halbe Stunde auf mich.
Ich schob mich durch den schmalen Gang zwischen den Tischen auf Sarah zu, die wild gestikulierend mit Jamie sprach.
„Ich sag dir, wenn du einmal die Pasta von meiner Mutter gegessen hast, rührst du dieses Zeug nicht mehr an", meinte sie zu James und rümpfte angewidert die Nase, während er den Rest der dampfenden Nudel verspeiste.
„Wenn das jetzt eine Einladung war, komme ich gern mal bei euch vorbei", lachte er und legte das Besteck beiseite. Sarah sah mich strafenden an und tippte kopfschüttelnd auf ihre Armbanduhr.
„Hi ihr. Sorry, bin zu spät ich weiß. Aber ich komm mit dem neuen Projekt nicht zurecht. Stadtplanung liegt mir einfach nicht!", stöhnte ich und ließ mich auf den freien Platz an der Stirnseite fallen.
„Und was gibt's bei euch Neues", fragte ich in die Runde und holte mein spärliches Mittag aus der Tasche. Ein Apfel müsste im Moment reichen, denn in einer viertel Stunde begann schon die nächste Vorlesung.
„Ich habe mir überlegt, dass ich mich vielleicht selbstständig machen sollte", antwortete James und Sarah riss erstaunt die Augen auf.
„Du willst wirklich eine eigene Kanzlei aufmachen?", hakte sie nach und schob ihre schwarz gerahmte Brille zurück auf die Nasenwurzel.
„Nun ja, zumindest, wenn ich meinen Dad davon überzeugen kann, mir finanzielle unter die Arme zu greifen. Er ist immer noch der Meinung, dass ich im Familienbetrieb arbeiten sollte, aber ich habe keine Lust mir etwas aufdrängen zu lassen wie mein Bruder und das scheint er nicht zu verstehen."
„Wie kann man nur so verbohrt sein", merkte ich an und biss in die saftige Frucht.
„Frag ihn doch!", scherzte er und lächelte halbherzig. „Ich bin ja schon froh, das er mir keine Szene gemacht hat, als ich das Referendariat bei ihm beendet habe und ihm klar gemacht habe, dass ich woanders noch Berufserfahrung sammeln wollte."
„Also, wenn du einen Partner suchst ...", platzte es aufgeregt aus ihr heraus. „Ich - ich meine im Bezug auf die Kanzlei", korrigierte sie sich hastig. „Bin ich dabei. Viel Geld kann ich zwar nicht beisteuern. Meine Ersparnisse sind nicht so üppig, aber für die Aussicht nicht mehr für Anderson arbeiten zu müssen, würde ich sie ausgeben."
Und in der Sekunde als sich auf ihren Wangen ein Hauch von Röte zeigte, fragte ich mich, ob Sarah womöglich einen Blick auf James geworfen hatte. Abwegig war es nicht, denn sie waren schon immer auf einer Wellenlänge gewesen, seit sie sich in ihrem Jurastudium kennengelernt hatten.
Jamie sah sie verdattert an, als verstünde, er nicht warum sie diesen Satz nachgesetzt hatte und antwortete irritiert: „Ähm ja klar, warum nicht." Danach sah er kurz unsicher zu mir, bevor er erneut das Wort ergriff. „Ist gar keine schlechte Idee. So könnten wir mehrere Fachrichtungen abdecken. Ich würde Wirtschaftsrecht übernehmen und du könntest die Klienten im Patentrecht betreuen."
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Glück reist auf weißen Schwingen (Neufassung)
General FictionDas Leben eines Menschen besteht aus Entscheidungen und jede Wahl zieht Konsequenzen nach sich, die seine Zukunft ändern. So erging es auch der 25jährigen Architekturstudentin Carolyn. Der unerwartete Tod ihrer Mutter hat ihre Träume, wie die morsc...