Ausgestorben?!

183 5 0
                                    

Wenige Tage später, es war ein herrlich schöner Sonntag, stand ich im Keller eines kleinen Gasthauses in Céret. Ich trug die starre Schießhose und die enge, lederne Schießjacke. Meine Schuhe hatte ich eng geschnürt und um meinen Kopf hatte ich die Schießbrille gebunden. Meine linke Hand steckte in einem Handschuh, der nur die Fingerkuppen freiließ und rechts neben mir lag mein Gewehr. Es war ein alter Schießstand. Man brauchte noch Pappstreifen als Ziele und hatte nicht, wie bei mir zuhause, nur noch einen Monitor, der einem sofort das Ergebnis anzeigte. Ich schob die kleine Diabolokugel in den Lauf des Gewehrs und nahm es auf. Konzentriert ließ ich meine Backe auf den dafür vorgesehen Platz gleiten. Durch den Diopter erkannte ich, dass ich mittig war, bevor ich abdrückte. Der Knall ertönte und ich setzte das Gewehr wieder ab. Der Streifen wurde herein gefahren und ich betrachtete zufrieden mein Ergebnis. Das dürften knapp 100 Ringe sein. Ich legte die Serie zu den anderen fünf, die ich bereits geschossen hatte, bevor ich die Brille ab nahm und mir entspannt über die Stirn strich. Vorsichtig legte ich die Brille in das dafür vorgesehene Köfferchen, bevor ich mich aus meiner Hose und der Jacke pellte und die Schuhe auszog. Dass ich jetzt nur noch in Leggins und Top da stand, machte mir überhaupt nichts. Sonntagnachmittags war hier eh niemand. Leise summte ich „Bohemian Rhapsody" von den Beatles vor mich hin. Ich hörte diesen Song ungefähr durchgehend, seit ich wieder in Frankreich war und konnte ihn mit Sicherheit auch auswendig singen, aber falls das doch jemand hören würde, wäre ich für alle Zeiten die Lachnummer von Céret. Also beschränkte ich mich auf das Summen, was mit Sicherheit auch schon schief genug klang. Ich zog meine Jeans und eine Jacke aus dem Spind, den mir der 1. Vorsitzende des Vereins gegeben hatte, um meine Sachen dort aufzubewahren, zog sie an und suchte nach meinen Schuhe, die irgendwo in dem Chaos, nach nur wenigen Wochen in meinem Spind herrschte, verschollen waren. Als ich sie endlich gefunden und angezogen hatte, schloss ich das Schließfach ab und wollte gerade um die Ecke zur Treppe biegen, als ich gegen jemanden stieß. „Vorsicht, Ma chérie!", Martin grinste schief. „Sorry, hab dich nicht gesehen.", ich hob entschuldigend die Schultern. „So klein bin ich jetzt auch wieder nicht!", gespielt empört stemmte Martin die Hände in die Seiten. Na ja, also von Klein konnte man bei ihm wirklich nicht sprechen. Er überragte mich um fast zwei Köpfe. „Wie lange stehst du da schon?", fragte ich jetzt misstrauisch. Er grinst frech: „Lange genug." Ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke, was zu einem überdimensionalen Hustenanfall führte. Hilfsbereit klopfte Martin mir auf den Rücken. „Keine Sorge, ma chérie. Ich werde keines deiner dunklen Geheimnisse ans Tageslicht bringen.", als er das sagte, klang er wie ein Mörder aus irgendeinem schlechten Krimi, wenn er seinem Opfer noch einige Worte ins Ohr flüsterte, bevor er ihm hinterrücks das Messer in den Rücken rammte. „Aber mal im Ernst. Mit deinen musikalischen Talenten ist es nicht so weit her, oder." Jetzt war ich die, die entrüstet die Hände in die Seiten stemmte: „Was fällt Ihnen ein, Monsieur Fourcade?! Wollen Sie mir etwa unterstellen schief gesummt zu haben." Allen erstes nickte Martin jetzt: „Und Sie, Mademoiselle Steiner, wissen, dass ich recht habe!", entgegnete er schmunzelnd. Ich schüttelte lachend den Kopf: „Da sag nochmal einer was von „Französischen Kavalieren"." „Längst ausgestorben.", stellte Martin trocken fest, bevor er mich zur Tür hinausschob. Er hob mich hoch und trug mich, gegen vehementen Protest, die Treppe hinauf. „Was sollte das denn jetzt?!", fragte ich, als er mich am oberen Ende der Treppe absetzte. „Vielleicht bin ich ja der letzte einer fast ausgestorbenen Art?", er legte den Kopf schief und sah mich mit einem Dackelblick an, dem mit Sicherheit niemand widerstehen konnte. „Das glaubst du doch selbst nicht.", erwiderte ich trocken, bevor ich mich mit einem kurzen „Au revoir!" vom Wirt, der hinter der Theke saß, und einsamen Ehemännern und Singles einschenkte. Martin hielt mir schon die Tür auf, durch die wir in die Sonne Südfrankreichs hinaustraten. „Also, rück schon raus! Was machst du hier?" „Ich wollte dich besuchen. Und nachdem du nicht zu Hause warst, hat mir meine reizende Cousine verraten, dass ich dich hier finde.", sein Lächeln war so freundlich, dass es mir schon fast spanisch vorkam: „Ach ja? So ganz ohne Hintergedanken?" Ich sah ihm an, dass da mehr war als ein reiner Freundlichkeitsbesuch. „Ja...äh...nein. Meine Eltern haben meine Brüder und mich zum Grillen eingeladen. Und...ähm... Ich ... also ... sie sind sehr neugierig und nerven mich andauernd damit, dass ich mit 28 immer noch Single bin und... ja.", stotterte er. Lachend legte ich ihm meine Hand auf den Arm: „Da dachtest du, dass wenn du mich mitbringst, geben deine Eltern Ruhe." Er nickte zustimmend: „Ja, genau. Kommst du mit?", schon wieder dieser Dackelblick. Dieser Mann konnte einen wirklich zur Weißglut treiben! „Ja, ich komme mit. Aber wenn du mich deinen Eltern als deine Freundin vorstellen willst, muss ich mich erst noch umziehen.", ich sah an mir herunter. „Du siehst auch so wunderschön aus.", flüsterte mir Martin ins Ohr, was mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper jagte. „Trotzdem...", bestand ich. „Na gut, alles was du willst, ma chérie."


Je t'aime (Martin Fourcade ff) *wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt