Der Fremde

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Nach dem Abendessen verschwanden die Jungs in ihre Zimmer, sodass nur noch Manon und ich auf der Couch saßen und uns irgendeine französische Serie rein zogen. „Was läuft da eigentlich zwischen dir und Martin?", fragte sie mich in einer Werbepause. Ich zuckte mit den Schultern: „Freundschaft?" „Na das klang ja sehr überzeugend. Aber mal im Ernst: So wie ihr euch anschaut könnte man meinen ihr wärt schon seit Ewigkeiten zusammen.", stellte sie mit einem Lächeln fest. Ich machte eine Wegwerfende Handbewegung: „Ach Quatsch!" Manon gähnte demonstrativ und grinste dann: „Na das werden wir dann schon sehen." Ein Piepen, das offenbar von meinem Handy kam, beendete unser Gespräch. Ich entsperrte den Bildschirm und öffnete dann WhatsApp.

*Ich hole dich morgen um 9 Uhr ab. Gute Nacht, Ma Chérie, Martin*

Ich lächelte. Jedes Mal, wenn er mich Ma chérie nannte, ging mir das Herz richtiggehend auf. „Martin?", Manon hatte mein Lächeln wohl bemerkt. Ich nickte. Sie grinste. Dann stand sie auf, und zog mich mit hoch: „Ich kenn da einen kleinen Club. Da gehen wir jetzt hin!" Irgendwie war mir nicht danach, aber dennoch stimmte ich zu. Ich schrieb Martin noch schnell, was wir vorhatten, bevor ich mich von Manon stylen ließ.

Der Club war wirklich nicht groß, aber es lief gute Musik und die Tanzfläche war zum Bersten gefüllt. Manon zog mich lachend in die Menge und begann zu Tanzen. Eigentlich war ich dafür überhaupt nicht so der Typ, aber Manons gute Stimmung ging irgendwann auch auf mich über. „Ich hol uns was zu trinken!", schrie sie mir nach einiger Zeit auf der Tanzfläche ins Ohr und verschwand zwischen den Feiernden. Eine Weile tanzte ich allein, bis sich auf einmal ein junger Mann zu mir gesellte. Er legte mir die Hände an die Hüften und bewegte mich im Rhythmus der Musik. Eigentlich hätte ich ihn gleich wegschieben sollten, aber ich war in diesem Moment in einer solchen Hochstimmung, dass mich auch die Berührungen des Fremden nicht aus der Bahn werfen konnten. „Du siehst wunderschön aus.", flüsterte er mir ins Ohr und wanderte mit seinen Händen tiefer. Bevor er meinen Po berühren konnte, entzog ich mich ihm und verließ eilig die Tanzfläche. Manon stand an der Bar und unterhielt sich mit dem Barkeeper, den sie offenbar kannte. Als sie mich sah, streckte sie mir irgendein Getränk entgegen, das verdächtig nach Alkohol roch. Ich schüttelte den Kopf und ließ mich auf einen der Barhocker gleiten. „Eine Cola, bitte.", bestellte ich und erntete dafür einen ungläubigen Blick von Manon. „Ich trinke aus Prinzip keinen Alkohol.", erklärte ich ihr und damit war das Thema für mich beendet. Ich bezahlte meine Cola und nahm gleich darauf einen kräftigen Schluck. Irgendwann verschwand Manon wieder auf der Tanzfläche und ich saß allein an der Bar. Aber nicht sehr lange, denn dort wo eben noch Manon gesessen hatte, saß jetzt der Fremde von zuvor. „Guten Abend, Schöne Frau." Mir lief es in dem Moment kalt den Rücken hinunter. Seine Stimme klang wie flüssiger Honig, aber eigentlich war sie gespickt mit Dornen, das hörte ich gleich. Ich verdrehte die Augen und widmete mich wieder meinem Glas. „Na, na! Wer wird denn hier gleich unhöflich werden?" Einfach ignorieren, dann verschwindet er von ganz allein, dachte ich mir mit der Hoffnung, dieser Wunsch würde in Erfüllung gehen. Aber das tat er nicht. Stattdessen rückte der Fremde immer näher und begann, mir absolut unhöfliche Dinge ins Ohr zu flüstern. „Ich muss gehen!", damit floh ich auf die Tanzfläche, um Manon Bescheid zusagen, dass ich schon einmal nach Hause ging. Manon nickte schnell und ich verließ hastig den Club. Draußen vor der Tür atmete ich erst einmal tief durch und lehnte mich an eine niedrige Wand. „Sie entkommen mir nicht so leicht, Mademoiselle!", flüsterte mir jemand bedrohlich ins Ohr. Bevor ich reagieren konnte, zog mich dieser jemand, ich glaube, dass es der Fremde aus dem Club war, in eine dunkle Nische. Er drückte mir die eine Hand auf den Mund, um mich am Schreien zu hindern, mit der anderen fuhr er über mein Kinn, meinen Hals und meine Arme entlang, ehe er sie unter meine Bluse gleiten ließ. Ich erschauderte, als er unter meiner Bluse immer weiter nach oben wanderte. Plötzlich nahm er die andere Hand von meinem Mund und ersetzte sie durch seine Lippen. Ekel packte mich und ich musste den Drang unterdrücken, mich zu übergeben. Er fuhr mit seiner Zunge über meine Lippen und wollte sie in meinen Mund befördern, aber ich presste meine Lippen so fest auf einander, dass es ihm nicht gelang. Dies ließ ihn nur wütend werden. Er holte aus und schlug mir mit der flachen Hand so sehr ins Gesicht, dass mein Kopf gegen die hinter mir liegende Wand schlug und ich Blut schmeckte. Der Schmerz hatte mich so unvorbereitet getroffen, dass ich vermutlich die ganze Stadt zusammen schrie. Der Fremde verpasste mir einen weiteren Schlag, aber diesen registrierte ich schon gar nicht mehr. Um mich herum wurde alles schwarz und ich fiel in die erlösende Ohnmacht.


Je t'aime (Martin Fourcade ff) *wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt