Unbekannte Nummer

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Es war kurz vor Mittag, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Alex hatte mich gestern Abend sofort nach Hause gebracht und den anderen Gästen hatte er erzählt, dass es mir nicht gut ging und ich wahrscheinlich eine Grippe hatte. Das stimmte zwar nur bedingt, denn eine Grippe hatte ich ganz bestimmt nicht, aber gut ging es mir nach dem gestrigen Telefonat trotzdem nicht. Alex hatte mich so gut es eben ging getröstet, aber die Tatsache, dass ich Martin wiedergesehen hatte, hatte mich doch ziemlich getroffen. Es wäre in Ordnung gewesen, wenn ich ihn im Fernsehen gesehen hätte, aber so hatte es doch alte Wunden aufgerissen. Ich weiß, dass ich eigentlich selbst schuld bin, aber schon allein aus diesem Grund tat es doppelt weh. Müde, ich musste fast aussehen, wie ein Maulwurf, der am helllichten Tag aus seinem Haufen gekrochen war, tastete ich nach der Fernbedienung meines Fernsehers und schaltete ihn ein.

>> ... und dann haben wir heute Morgen erfahren, dass bei Martin Fourcade nach seinem gestrigen verpatzen Lauf eine schwere Schädigung im Bereich des Knies festgestellt wurde. Es ist uns allen ein Rätsel, wie er so gestern überhaupt starten konnte. Das erklärt auch, weshalb seine Schießeinlagen gestern so grottenschlecht waren. Sein Trainer und der leitende Arzt der Französischen Nationalmannschaft vermuten, dass er für mindestens einen Monat ausfallen wird. Das ist natürlich auch ein herber Rückschlag hinsichtlich des Gesamtweltcups. <<

Drang aus dem Fernseher zu mir herüber. Hellwach richtete ich mich auf. Von dem Maulwurf war jetzt vermutlich nichts mehr zu sehen. Ich schnappte mir mein Handy. Zehn neue Nachrichten wurden angezeigt. Verwundert runzelte ich die Stirn und öffnete zuerst den Chat mit Simon. Er hatte mir gestern Abend noch eine Nachricht geschrieben:

***Danke für deine Hilfe, Amelie. Und nimm Martin nicht so ernst, er ist eben wie er ist.***

Das war ja mal wieder sehr hilfreich. Weitere vier Nachrichten stammten von Alex. Er berichtete mir ungefähr dasselbe, wie ich eben im Fernsehen gehört hatte. Auch Carina, Basti und meine Eltern hatten mir geschrieben. Sie wollten eigentlich nur wissen, wo ich steckte und wie es mir ging. Ihnen antwortete ich nicht, immerhin würde ich sie eh früher oder später treffen. Die letzte Nachricht stammte von einer unbekannten Nummer. Ich tippte darauf:

***Salut Amelie! Es tut mir aufrichtig leid, dass ich nicht sonderlich kooperativ war, gestern, aber irgendwie geht mir das Ganze auch ganz schön nahe. Aber ich halte meine Versprechen. Ich bin immer für dich da. Martin***

Einen kurzen Moment musste ich das Handy aus der Hand legen. Erst hörte ich ein halbes Jahr nichts von ihm und jetzt... zweimal an zwei Tagen hintereinander. Das war eindeutig zu viel für mein sensibles Mädchenherz. Seine Nummer hatte ich ja eigentlich schon nach meiner Abreise aus Frankreich gelöscht, aber ... die Erinnerung an die Wenigen Wochen in seiner Heimat, mit ihm, würde ich wohl nie aus meinem Gedächtnis löschen können. Verzweifelt öffnete ich den Chat mit Alex und schrieb ihm eine ziemlich verwirrende Nachricht:

***Ich brauche deine Hilfe. Er ist wieder da. Ich weiß nicht was ich tun soll. Komm bitte vorbei. Martin hat sich bei mir gemeldet. Ich bin gerade total verzweifelt. Am***

Enttäuscht und irgendwie auch wütend auf mich selbst und darauf, dass ich diese Gefühle, die ich mir eingebildet hatte, nicht einfach beiseiteschaffen konnte, stütze ich den Kopf auf die Hände und mir liefen leise Tränen über die Wangen.

***Ich weiß, dass Amelie vielleicht als ziemliche Heulsuse erscheinen mag, aber irgendwie glaube ich, dass wenn man so richtig verzweifelt ist und so ein Schicksal zu tragen hat, einfach mal alles rauslassen muss, und das geht nun mal am Besten in Form von Tränen.***


Je t'aime (Martin Fourcade ff) *wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt