Der Schmerz jagte durch meinen Unterleib, als das Knie der jungen Soldatin mit voller Wucht zwischen meinen Beinen landete. Ein leises Knurren kam über meine Lippen, dann schlug ich ein zweites Mal zu, nun deutlich skrupelloser als zuvor. Lyssa verlor das Bewusstsein und ich griff ihr unter die Arme, bevor sie fiel.
"Binde sie wieder fest. Und sieh zu, dass ihr die Kabelbinder dieses Mal ordentlich in die Handgelenke schneiden. Noch einmal wird sie sich nicht los machen", richtete ich mich an den SEAL. Auf sein Nicken hin überließ ich ihm die Soldatin und verließ den Container.
Die Tür öffnete sich mit einem unangenehmen Kreischen, aber der ohrenbetäubende Ton, der mein Trommelfell durchdrang, war nicht einmal annähernd so scheußlich wie das Stechen in meinem Schritt. Dass ich den Atem vor Schmerz angehalten hatte, merkte ich erst, als die Tür wieder geräuschvoll hinter mir zufiel und ich aufatmete.
"Hat sie geredet?", fragte Spencer, der sich von außen gegen den Container gelehnt hatte und nun aufsah. Ich schüttelte knapp den Kopf, er hob die Augenbrauen. "Meine armen Kinder...", kommentierte er und wir entfernten uns ein Stück, wo wir dann stehen blieben. Sowohl Spencer als auch ich blickten zurück zu dem Container. Er war schallisoliert, man hörte also nicht, was wir hier draußen beredeten. "Ich habe dir ja gesagt, dass sie gut ist", fügte Spencer dann hinzu. "Nicht umsonst wurde sie zum BUD/S zugelassen."
Ich knirschte mit den Zähnen und zog eine Zigarette aus der Packung in meiner Beintasche. Eigentlich hatte ich gehofft, Lyssa würde die Abschlussprüfung nicht bestehen, aber bislang sah es gut aus. "Wir sind alle gut, Spencer. Sie ist nichts Besonderes, wir haben die Prüfung alle bestanden", beharrte ich auf meiner Meinung und spürte gleich darauf den Blick, mit dem Spencer mich von der Seite ansah.
"Du willst sie nicht hier haben, oder?", forschte er nach und brachte mich nun dazu, den Kopf zu drehen und zu ihm zu sehen. Seinem eindringlichen Blick konnte und wollte ich allerdings nicht lange stand halten. Ich sah an ihm hinab. Dicke Splitterschutzwesten vertuschten unseren Körperbau, damit Lyssa uns nicht erkannte, auch wenn die Masken schon einiges an Arbeit leisteten. "Es ist nicht so, dass ich sie nicht hier haben will", erklärte ich. "Viel mehr fürchte ich, dass einige sie zu sehr hier haben möchten. Sie bringt mir mein Platoon durcheinander und ändert die allgemeine Arbeitsmoral maßgeblich. Das stört mich, nicht sie an sich." Damit wandte ich mich um und entfernte mich von ihm, zündete mir meine Zigarette an.
"Redest du von Jay-Gee?", hörte ich Spencer noch hinter mir herrufen, aber ich tat so, als hätte ich es nicht mehr mitbekommen. In aller Seelenruhe zog ich an dem Mundstück und sog den giftigen Rauch tief in meine Lunge. Nein, ich sprach nicht von Jay-Gee. Ich sprach von mir selbst.
Aus diesem Grund versuchte ich in den nächsten Tagen auch alles Menschenmögliche, damit sie mit den wenigen Informationen herausrückte, die sie bislang über mich und meine Jungs hatte sammeln können. Militärgeheimnisse, Ortskenntnisse innerhalb der Kaserne, alles was sie hätte wissen und sagen können. Aber sie machte den Mund nicht auf.
Ich unterzog sie physischer und psychischer Folter im Rahmen des Erlaubten und teilweise auch darüber hinaus. Zu jeder Tortur begleitete mich ein maskierter Arzt, der mich durch simple Zeichen zügelte, wenn es genug war. Aber auch wenn ich zu seinem Missfallen weitergemacht hatte, war Lyssa nicht eingeknickt. "Sie hätte sterben können", hatte es ab und an hinterher gehießen, aber er hatte von mir immer dieselbe Gegenfrage bekommen: "Ist sie es denn?"
Daraufhin war er zu meinem Vorgesetzten gerannt, um sich zu beschweren. Ich verübelte es ihm nicht, denn er hatte bislang noch nicht mit uns gearbeitet. Das hier war sein erstes Jahr, und ihm war anscheinend noch nicht ganz klar, dass ich ganz genau wusste, was ich tat. Zu Beginn meiner Zeit als SEAL war ich durch dieselbe Prüfung gegangen. Ich wusste, wie es sich anfühlte, bis zur Bewusstlosigkeit gefoltert zu werden, und nach mir waren viele weitere SEALs gekommen, die dasselbe hatten durchmachen müssen. Anfangs hatte ich bei den Prüfungen nur assistiert, mittlerweile führte ich sie größtenteils selbst durch. Man lernte, die Grenzen eines Menschen realistisch einzuschätzen, und man lernte, dass Ärzte allgemein deutlich ängstlicher waren. Sie bremsten einen bei 80% ab, obwohl der Bewerber auch bei 90% noch ebenso zurechnungsfähig war. Das wusste ich, und mein Vorgesetzter wusste, dass ich das wusste. Er vertraute mir, im Gegensatz zu dem Arzt, der auch am dritten Tag mit mir in den Container trat. Allein an seiner Mimik, als er die Maske überzog und die Tür öffnete, konnte ich erkennen, wie unsympathisch ich ihm in der letzten Zeit geworden war.
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DISCREPANCE - Which One Do You Choose?
Action"Was ist dein verdammtes Problem!?", schrie er mir entgegen und kaum eine Sekunde später landete seine Faust neben meinem Gesicht, die Wand brach unter der Wucht seines Schlags. Ich hatte ihn bis jetzt noch nie so wütend gesehen. "Das würdest du ni...