0;daydream

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Ich wünschte, es würde regnen. Aber die Sonne strahlte mit immenser Kraft durchs Klassenszimmerfenster, in mein Gesicht. Es war mir egal. Ich wünschte, es würde regnen. Dann müsste ich nicht nach draußen sehen, müsste dann nicht den Baum sehen, unter dem Kim Yugyeom mich geküsst hatte, bevor er nach Seoul gezogen war, um ein Star zu werden. Das Problem war nur, dass er mein bester Freund war. Ich hatte ihn niemals küssen wollen. Ich hatte niemals gewollt, dass er ging. Aber jetzt war er weg und meine beste Freundin machte ein Auslandsjahr, irgendwo weit entfernt. Vielleicht sollte ich auch von hier verschwinden. Alle die ich liebte, verschwanden aus Daegu. Vielleicht sollte ich das auch tun. Meine Hand strich über eine kleine Zeichnung, ein Hund, vielleicht auch ein Welpe, jagte seinem eigenen Schwanz hinterher, und seufzte auf. Damals hatte ich auch gerne gezeichnet, bis ich bemerkte, dass einige besser waren als ich. Dann hatte ich aufgehört. Ich wusste nicht was es mir bringen würde, wenn ich niemals damit zufrieden sein würde. Mein Blick glitt wieder zurück zu dem einsam stehenden Baum, er ließ mich meine Erinnerung wiederbeleben, wie eine lästige Repeat Taste. Also wurden meine Gedanken zurück geworfen, an dem Tag als mich Kim Yugyeom küsste und zugleich sagte, dass er mich verließ. Yugyeoms Hand die an meiner Wange lag, sein Daumen, der zaghaft meine Unterlippe berührte. Ich korrigiere; nicht ich hatte ihn geküsst, sondern er mich. Mein Kopf landete mit einem dumpfen pochen auf die Zeichnung, die ich vorhin auf meinem Schreibtisch begutachtet hatte. Nach Wochen wusste ich immer noch nicht was ich empfinden sollte. Ich hatte Yugyeom schon immer gemocht, aber eher auf freundschaftliche Art. Hatte ich jedenfalls gedacht. Jetzt wusste ich nicht mehr, was ich darüber denken sollte. Aber eigentlich sollte ich mir sowieso keine Gedanken darüber machen, er meldete sich doch sowieso nicht, aber ich machte sie mir trotzdem. Ich wünschte, Kim Yugyeom hätte mich nicht geküsst, dann wäre mein Kopf nicht so vollgestopft und ich würde die Dinge um mich herum nicht vergessen, so wie jetzt, als sich neben mir jemand leise räusperte und mein Kopf erschrocken nach oben fuhr. Wie die letzten Tage davor, war das Klassenzimmer wie leergefegt, nur die beschmierte Tafel und die durcheinander gerückten Stühle, zeugten davon, dass hier vor wenigen Minuten noch Unterricht stattgefunden hatte. Ich hatte schon wieder die Pausenglocke nicht gehört oder sollte ich eher sagen, dass ich sie nicht hören wollte? Wieder ein räuspern. Ich wandte mich dieser Person zu, die dieses Geräusch von sich gab und hob überrascht meine linke Augenbraue. Kim Taehyung hatte seine rechte Hand auf seine Wange abgestützt und beobachtete mich aufmerksam. Es gab eindeutig zu viele Kims in meinem Leben. Nur dass ich den Kim vor mir kaum kannte.

Klar wusste ich, dass er der Klassensprecher unserer Klasse war, dass er nett war, dass er sich bemühte, dass es den anderen gut ging, dass er albern war, dass er immer dieses verschmitztes grinsen im Gesicht hatte. Lehrerliebling. Liebling der ganzen Schule. Vorzeigekind. Kim Taehyung. "Ich dachte schon du bemerkst mich überhaupt nicht." Und da war es: dieses verschmitzte grinsen, von dem ich gerade erzählt hatte. Eigentlich redeten wir nicht miteinander, manchmal sagten wir hallo zueinander, fragten einander wie es einem ging, aber mehr war zwischen uns nicht. Nur Schulkameraden. Aber mich wunderte es trotzdem nicht, dass er hier direkt neben mir saß, denn er kümmerte sich um Leute. Leute, die neben der Spur waren. Leute wie mich. Ich blinzelte und versuchte ein leichtes lächeln auf meine Lippen zu legen, dass zeigte, dass hier kein Problem vorlag. Aber hier gab es ein Problem. Mein Problem. Kim Yugyeom. Kim Yugyeoms Kuss. Und dass er jetzt weg war. "Das tust du oft oder?", fragte mich Taehyung. Jeder sagte, dass er jedes mal überrascht war, wenn man seine Stimme zum ersten mal hörte. Sie war dunkel und tief. Ich mochte sie. Und ich hatte schon vom ersten Moment an gedacht, dass sie zu ihm passte, aber jetzt, hatte ich keine Ahnung was er von mir wollte. Fragend sah ich ihn an. Sein lächeln wurde weicher, er kniff seine Augen zusammen, seine braunen Haare standen wirr von seinem Kopf ab. "Tagträumen."

daydream.-kim.taehyungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt