Sunnys dürre Beine lagen auf meinen, während sie gelangweilt in ihrer Zeitschrift blätterte.
"Sunny.", murmelte ich.
"Hmm?" Blinzelnd warf sie mir einen kurzen Blick zu, konzentrierte sich jedoch wieder vollkommen in ihr Magazin. Seufzend griff ich danach, klappte es zu und wollte es beinahe einfach in den Raum reinschmeißen, aber das kam mir dann doch zu unhöflich vor. Überrascht fing Sunny an zu lachen. "Du bist doch komplett verrückt."
Damals war Sie verrückter als ich.
Sie schwieg wieder, legte ihre kleinen Hände in ihren Schoß und schloss ihre Augen. Sie sah so zerbrechlich aus, ihre Schultern hoben und senkten sich. Sie war ein kleiner Knäul aus Haut und Knochen. "Sunny.", flüsterte ich abermals.
"Was ist denn?" Sie klang nicht einmal genervt, nur sehr sehr müde.
"Ich kann nicht aufhören darüber nachzudenken." Ich biss mir auf die Unterlippe, hatte das Gefühl schon zu viel gesagt zu haben, dabei war Sunny meine beste Freundin. "Über was?"
Ich wandte meinen Blick ab, spielte nervös an den Saum von Sunny Socken. "Na, du weißt schon..." Hustend presste ich Taehyungs Namen hervor, kaum verständlich, aber meine beste Freundin hörte mich natürlich trotzdem. Sie grinste über das ganze Gesicht, ihre Augen erhellten sich und begeistert klatschte sie in ihre Hände. Ein Schimmer von der alten Sunny.
"Ich wusste, dass es nicht vorbei ist."
Entsetzt griff ich nach einem Kopfkissen, dabei musste ich mich ziemlich verrenken, um Sunnys Beine nicht runterzuschubsen, und schmiss es in ihre Richtung. Es traf sie direkt in ihr Gesicht, schließlich war es nicht eine große Distanz gewesen, die mein Kissen zurücklegen musste.
Sunny erstickte beinahe an ihrem Lachen und erst jetzt viel mir auf, wie sehr mir dieser verrückte Laut gefehlt hatte. Sie klang wie ein sterbender Alpaker. Seitdem sie aus Deutschland zurück gekehrt war, hörte sich ihre Lache nicht mehr echt an. Es war eine abgeschwächte Form, ein hohles Echo von der Vergangenheit. Aber das war mir erst so richtig aufgefallen, als ich vor wenigen Jahren mit ihr und diesem Unruhestifter zusammengezogen war. Meine Kehle wurde von der Nostalgie, die mich übermannte ganz eng.
"Wie geht es dir Sunny?"
Auf einmal schien mir diese Frage so wichtig zu sein und ich wusste nicht wieso mir zum heulen zu Mute war. Wahrscheinlich bekam ich demnächst wieder meine Tage. Diese emotionalität setzte mir richtig zu. Stirnrunzelnd verdrehte sie ihre großen Augen. "Wieso wechseln wir das Thema? Es ging doch grad eben noch um dich." Schulterzuckend zog ich an Sunnys Socken; sie schubste störrisch meine Finger mit ihren Füßen weg. "Mir geht es gut, aber können wir bitte über Taehyung reden? Ich weiß noch immer noch was in dem Sommer vorgefallen ist, in dem ich nicht da war."
Wahrscheinlich hätte ich sie mehr bedrängen sollen, damit sie mit der wirklichen, glasklaren Realität rausrückte, aber ich traute mich nicht. Vielleicht hatten wir beide Angst vor der Wahrheit oder es war nur ich.
Ich wollte immer noch das Bild aufrecht erhalten, in dem unser Leben als glücklich empfunden werden konnte. Sunny und ich lebten zusammen, so wie wir es immer gewollt hatten, Yugyeom lebte seinen Traum und ich arbeitete in einem Job, den ich schon immer hatte ausüben wollen. Aber seitdem Taehyung wieder in meinem Leben aufgetaucht war, fielen mir die ganzen Makel auf, die ich versucht hatte zu kaschieren.
Sunnys verzweifeltes Ringen nach Normalität, obwohl sie sich fühlte als ob sie sinken würde; Yugyeoms Erschöpfung und die tiefen Augenringe, die einfach nicht verschwinden wollten und meine Sehnsucht, nach einem Jungen, der mir das Herz gebrochen hatte.
Diesmal wollte ich es nicht mehr ignorieren. Ich wollte es endlich lösen. Unser stummes unglücklich sein.
Aber bevor ich mit Sunny reden konnte, bevor ich ihr helfen wollte, öffnete sich die Tür und alles rutschte zurück in diese grässliche Routine.
Raoul stapfte ohne uns zu begrüßen herein, zerrte Sunnys Beine nicht gerade sanft von meinem runter und verschwand in die Küche. Wütend ballte ich meine Fäuste zusammen. Wie konnte er nur so mit ihr umgehen. Ich wollte aufstehen und ihm meine Meinung geigen, aber Sunny griff nach meinem Handgelenk und hielt mich zurück. Sie schüttelte nur ihren Kopf und da wusste ich, dass sie nicht einmal Hilfe wollte.