Schlussendlich hatte ich Sunny nicht davon abhalten können, dass Weggehen fallen zu lassen.
Samstag Nachts standen wir zu dritt im Club, Yugyeom ließ seine tanzenden Fähigkeiten heraushängen, wie ein elendiger Angeber, während Sunny schon den dritten Drink innerhalb einer Stunde in den Händen hielt.
Diese Nacht würde eindeutig eine Katastrophe werden.
Ich konnte es schon jetzt spüren; die allumfassende Hitze, die unter meine Kleider kroch und sich um meinen Hals schlang, bis ich kaum noch nach Luft schnappen konnte.
Die Luft schmeckte nach Dramatik, nach Schweiß und der bittersüßen schwere des Alkohols.
Ich zupfte an Sunnys hellblauen Oberteil und deutete darauf hin, dass ich kurz weg gehen wollte.
Sofort klammerte sie sich an mich, doch ich zeigte an, dass sie ruhig bei Yugyeom bleiben sollte.
Ich brauchte nur frische Luft, eine kleine Abkühlung, eine kleine Pause, bevor es richtig losging.
Sunny runzelte die Stirn, zuckte aber schließlich mit den Schultern und wandte sich anschließend an Yugyeom, der lachte und fürsorglich einen Arm um sie legte.
In den letzten paar Wochen hatten wir Sunny mit Samthandschuhen behandelt, darauf bedacht nicht noch mehr Schaden anzurichten. Sunny hatte es nur mit einem Augenrollen über sich ergehen lassen, aber jeden von uns dreien war klar, wie dankbar sie eigentlich war.Wir kannten uns schon so lange, dass Worte nicht mehr nötig waren. Nachdem ich mich durch eine tanzende Menge gequetscht hatte, gelangte ich endlich nach draußen und seilte mich sofort von den Rauchern ab, die sich vor den Eingang getummelt hatten.
Vorsichtig setzte ich mich auf den Bordrand, daurauf bedacht mich nicht irgendwo hineinzusetzten und starrte tief Luft holend in den sternenüberzogenen Himmel. Endlich hatte ich das Gefühl, dass sich langsam alles klärte. Sunny und Taehyung, und das Manuskript, in das ich nach langer Zeit wieder hinein gelesen hatte, nur um festzustellen, dass es immer noch meine Träume beinhaltete. Als eine Sternschnuppe über den Himmel zog, wusste ich nicht was ich mir wünschen sollte. Nachdem der verloschene Stern schon längst eine verblasste Erinnerung war, war mir immer noch nichts eingefallen. Später sollten mir tausend Wünsche durch den Kopf rasen, so viele aufeinmal, dass ich mich gar nicht entscheiden konnte, was der dringendste sein würde.
Drinnen suchte ich die Menge nach einem blonden Haarschopf ab, was sich als ziemlich einfach herausstellte. Yugyeom war nicht nur einer der größten, ließen wir mal davon ab, dass seine Haarfarbe sowieso das Extremste an ihm war, sondern sein Tanzstil hatte mehrere Zentimeter zwischen ihm und seine Mitmenschen geschafft, sodass ein kleiner Kreis um ihn herum entstanden war. Aber ich entdeckte niemanden um ihn herum, der Sunny ähnlich sah,
Sofort fingen bei mir die Alarmsirenen in meinem Kopf zu schrillen an. Hastig quetschte ich mich durch die Leute und griff panisch nach Yugyeom, der sich erschrocken zu mir umdrehte. Die Musik um uns herum war so laut, dass ich ihm ins Ohr schreien musste: "Wo ist Sunny?" Yugyeom runzelte die Stirn. "Ich dachte, sie wäre bei dir." Ich schüttelte den Kopf. Besorgt verzog Yugyeom das Gesicht. Sie überzog Yugyeom Gesicht wie ein dunkler Schatten. Es wunderte mich nicht, dass er sofort los tigerte, ich schnell hinter ihm her laufend, um ihn nicht auch noch zu verlieren.
Mittlerweile hatte der Alkohol auch bei mir angeschlagen und ich konnte spüren, wie sich die Tränen nach oben drückten, um aus meinen Augen so fließen wie ein Wasserfall.
Yugyeom blieb vor den Toiletten stehen.
"Gyeomie, was wenn.."
Yugyeom schüttelte herrisch den Kopf. "Gehen wir erst mal nicht vom schlimmsten aus, okey? Sunny geht es bestimmt gut. Du weißt doch wie gut sie untertauchen kann. Erinnerst du dich noch an den Ausflug nach Jeju? Wir haben sie komplett in der Menge verloren, dabei stand sie nur fünf Meter weiter weg."
Oh, er war ein so guter Lügner. Das war er schon immer. Aber mein benebeltes Gehirn wollte ihm so gerne glauben, seiner vorgetäuschten Zuversicht, obwohl er selbst völlig am verzweifeln war.
"Such du erstmal in der Frauentoilette nach. Ich suche nochmal auf der Tanzfläche. Wir treffen uns genau hier, verstanden?"Bis auf eine Kabine waren alle leer. Ich wusste, dass Sunny nicht in der Besetzten war. Das war mir schon klar geworden als ich ihren Namen sanft gesagt, gegen die Tür gedrückt und niemand geantwortet hatte.
Trotzdem stand ich hoffnungsvolle 5 Minuten vor der Tür, bis ein Mädchen hinausging, dass mir nur einen verwirrten Blick zuwarf.Ich wartete nicht auf Yugyeom; die Panik hatte mich nun völlig erfasst und ich stolperte in die schwarze Nacht raus. Draußen stand niemand mehr. Die Raucher hatten sich zurück in die Wärme des Clubs gezogen. Ich sah mich nach Sunny um, währendessen kramte ich nach meinem Handy, um Sunny anzurufen.
Wieso war es mir nicht schon viel früher eingefallen?
Natürlich ging sie nicht dran, aber draußen konnte ich glasklar ihren Klingelton -stop stop it von Got7- hören.Ich stieß einen halben Schluchzer hervor, presste Sunnys Namen hervor und folgte der vertrauten Musik.
Ich wusste nicht wieso ich vor wenigen Sekunden noch so erleichtert gewesen war, aber als ich Raouls Gesicht erblickte, kehrte das Gefühl von vor wenigen Wochen zurück, als ich Sunny schreien gehört hatte.
Diesmal zögerte ich nicht.
Ich fühlte die Wucht von Raouls Faust gegen meine Wange, bevor ich es überhaupt realisieren konnte.
Sunny kreischte meinen Namen; ich hörrte nur ein verzerrtes Echo. Mein ganzes Weltbild hatte sich verzogen. Ich taumelte; der Schmerz drückte mich nach unten.Mitten in der tiefschwarzen Nacht, tauchte eine gelbe Sternschnuppe auf.
Alle meine Wünsche rasten durch meinen Kopf, schnell und vergänglich, so hastig verschwunden, dass ich mich kaum erinnern konnte.Als sich meine Sicht klärte, erkannte ich, dass das gelb keine Sternschnuppe, sondern nur Yugyeoms Haarschopf war, der sich auf Raoul gestürzt hatte.