"Hier." Yugyeom reichte mir meine Eiskugel und lächelte mich mild an. Er hatte sich immer noch daran erinnert, dass ich am liebsten Zitrone mochte und sie lieber in einem Becher aß, anstatt in einer Waffel. Zögerlich erwiderte ich das lächeln. Damals hätten sich meine Lippen wie selbstverständlich dazu verzogen, damals hätte ich ihm spielerisch gegen die Schulter geboxt oder hätte einfach seine Waffel geschnappt und wäre kreischend weg gerannt, aber jetzt neben ihn zu stehen, nachdem so viel passiert war, wusste ich nicht mehr wie ich reagieren sollte. Stattdessen stapfte ich einfach drauf los, Yugyeom holte mich mühelos ein; er überholte mich sogar mit seinen ewig langen Beinen und schlug den Weg zu Schule ein.
Stirnrunzelnd folgte ich ihm. Es war Samstag. Was hatte er vor?Schweigend gingen wir nebeneinander her. Ich misshandelte meine schneeweiße, nach Zitrone schmeckende Kugel, mit einem neon grünen Löffel und versuchte dabei zu ignorieren wie unwohl ich mich neben meinem besten Freund fühlte. Vor wenigen Monaten hatte es keine einzige Sekunde gegeben, in der wir nicht geredet hatten. Jetzt diese Stille zwischen uns ertragen zu müssen, beunruhigte mich.
Als ich den Baum erblickte, unter dem mich der Junge geküsst hatte, der gerade, im Moment darauf zu steuerte, hielt ich stockend inne. Zu viele Erinnerungen auf einmal kamen in mir auf. Kopfschüttelnd wandte ich mich zu Yugyeom, der immer noch auf den Baum zusteuerte, die Hand ausstreckte, um die grobe Rinde zu betasten. "Was machen wir hier?"
Schulterzuckend ließ er seine Hand wieder sinken und warf mir einen unerklärlichen Blick zu. "Hat sich nicht verändert, findest du nicht?" Es hatte sich so einiges verändert. "Yugyeom." Mehr musste ich nicht sagen. Man konnte aus jeder Silbe heraus hören, dass ich endlich die Wahrheit erfahren wollte. Seufzend stopfte er seine zusammengeballten Fäuste in seine Hosentaschen und starrte nach oben, in dem er statt den Himmel zu sehen, nur das grüntönige Blätterdach erblicken konnte. "Es tut mir leid, wegen dem Kuss." Meine Augenbraue schoss nach oben. "Nur das tut dir leid."
"Nein, natürlich nicht, aber damit hat es doch so ziemlich angefangen, oder?" Ich gesellte mich zu ihm, ließ mich an dem Stamm hinuntergleiten und versuchte zwischen den knorrigen Wurzeln einen geeigneten Sitzplatz zu finden. Mit meinen Kopf deutete ich ihn darauf hin, es sich genauso gemütlich zu machen, aber Gyeom schüttelte nur den Kopf. "Wie meinst du das?", fragte ich schließlich und bohrte meine nervösen Finger in die klumpige Erde. "Wenn ich dich nicht geküsst hätte, dann hätte ich mich bestimmt gemeldet!", brach es unkontrolliert aus ihm heraus. Verständnislos sah ich zu ihm nach oben. Er hatte seine Hände aus seine Taschen gezogen und versuchte sein gerötetes Gesicht dahinter zu verstecken. Ich kämpfte mich wieder nach oben, um so einigermaßen mit ihm auf Augenhöhe zu sein, was ziemlich schwierig war. Der Typ wollte einfach nicht aufhören zu wachsen. "Man, mir war das so peinlich. Ich weiß auch nicht was an dem Tag mit mir los. Vielleicht war ich einfach nur so glücklich?"
"Peinlich? Deswegen hast du dich nicht mehr gemeldet?!" Yugyeom öffnete einen Spalt breit seine Finger, um mich mit seinen unschuldigen und reuevollen Teddy-Augen anzublinzeln. Langsam nickte er und ließ seine Hände sinken. "Du bist meine beste Freundin Danbi. Und klar, liebe ich dich, aber nicht so." Empört blies ich meine Backen auf und fing an ihn gegen die Brust zu schlagen. "Du bist so ein verdammter Idiot, ist dir das eigentlich klar?! Weißt du wie verwirrt ich war? Du hättest wirklich anrufen sollen!"
"Ich weiß. Ich weiß!" Beschwichtigend versuchte er meine herumwirbelnden Fäuste wegzuschieben. "Aber weißt du wie peinlich das ist? Seine beste Freundin zu küssen und das ganze dann erklären zu müssen? Ober peinlich." Immer noch völlig entsetzt über seine hirnrissige Erklärung, wich ich von ihm zurück. "Ich war die beste Freundin, die du geküsst hast. Also ja, ich weiß, wie peinlich das war!"
"Siehst du!"
"Aber weißt du eigentlich wie verletzt ich war, dass du dich nicht gemeldet hast. Ich dachte.." Ich verschluckte mich an meinen eigenen Worten und versuchte die Tränen zu unterdrücken, die in mir hochkamen, wenn ich an die letzten paar Monate dachte, in der ich ohne Taehyung wahrscheinlich an Einsamkeit gestorben wäre. Yugyeom streckte seine Arme nach mir aus und drückte mein heißes Gesicht- ich versuchte immer noch meine verdammt unnötigen Tränen zu unterdrücken- gegen sein weiches T-Shirt. "Ich hasse dich.", nuschelte ich kaum verständlich. "Ich habe dich auch vermisst, Danbi." Er hatte seine Arme um mich geschlungen und drückte mich so fest an ihn, dass ich das Gefühl hatte, dass er mich überhaupt nicht mehr los lassen wollte. "Verzeihst du mir? Es tut mir wirklich schrecklich leid."
"Küss mich nie wieder!" Dieser Idiot fing wirklich an zu Lachen, dabei meinte ich es todernst. "Nur noch auf den Kopf.", schlug er vor. "Auf gar keinen Fall!" Er presste trotzdem fünf Sekunden seine eklig warmen Lippen gegen meine Stirn. Diese fünf Sekunden sollten noch so viel bewirken. Ich hatte ihm gesagt, dass er das lassen sollte, aber ich hatte ihn wieder. Meinen besten Freund und in dem Moment hätte ich niemals gedacht, dass mich ein weiterer Kuss, der fünf Sekunden dauerte und nur meine armselige Stirn getroffen hatte, so ein Chaos hinterlassen würde.
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Hat ihm Danbi zu schnell verziehen? Ahaha, aber Yugyeom dieses Riesen Baby, wie kann man ihn nicht lieben?