«18. Kapitel»

158 5 0
                                    

*Felicitys Sicht*

Erschöpft ließ mich auf meinen reservierten Sitzplatz nieder. Die ganze Nacht hatte ich nicht geschlafen und ob ich Marcel dankbar sein sollte oder nicht, wusste ich auch nicht.

Ich holte meinen Bilderrahmen, welcher immer am Schreibtisch stand, aus meinem Rucksack und betrachtete ihn. Mein Vater, Carlotta, Anneke, das frische Paar Elisa und Luke und ich waren auf dem Bild. Bevor mein Zug kam, hatten wir dieses Bild geschossen. ,,Ob sie sich freuen, mich wiederzusehen?" Ich drehte den Bilderrahmen um und öffnete den hinteren Teil des Rahmens. Zwischen dem Teil und das Foto war noch etwas, noch ein Foto. Das Foto vom Abschlussball mit Shawn. Meine Mutter hatte es zerrissen, aber auf der Homepage der Schule konnte man sich die Bilder vom Ball anschauen. Ich hatte unser Bild gespeichert und mit Fotopapier ausgedruckt. Keiner wusste das, nicht mal Marcel. Verträumt schaute ich das Bild an. Es war einer der schönsten und schrecklichsten Tage, die ich bisher erlebte.

,,Nächster Halt: Münchener Hauptbahnhof", ertönte es. Ich hatte ein wenig geschlafen und nahm gähnend meinen Koffer und meinen Rucksack. Als ich ausstieg, schloss ich die Augen und atmete die Münchener Luft ein. Wie sehr ich die Gegend vermisst hatte und wie vetraut mir alles war, sogar der Boden am Hauptbahnhof. Sämtliche Erinnerungen schossen durch meinen Kopf. Wenn ich früher mit meiner Klasse auf Ausflügen war und wir mit dem Zug fahren mussten, hatte ich dauernd die Reste der Zigaretten und Kaugummi-Flecken auf dem Boden gezählt. Ein wenig neben der Spur, lief ich zum Ausgang, kaufte mir ein Ticket und stieg in die Straßenbahn ein. Immerhin verbrachte ich meine ersten 18 Jahre hier und verändert hatte sich, außer das Aussehen mancher Gebäude, nicht besonders viel. Ich holte eben mein Handy raus und schrieb Marcel, dass ich heil angekommen war und heute Abend mal anrufen würde. Danach rief ich Elisa an, die sofort dranging.

,,Hey Felicity, alles klar bei dir?", hörte ich sie mit gutgelaunter Stimme begrüßen. ,,Hey, ja alles gut. Bei dir?" ,,Ja! Ich bin gerade mit Anneke in meiner Wohnung und wollen gleich Döner bestellen" ,,Perfektes Timing..." ,,Ich will auch!", sagte ich beleidigt. Am anderen Ende der Leitung hörte ich nur das Gelächter der beiden. ,,Dann komm doch!" Wir unterhielten uns noch ein wenig, bis ich stehen blieb und sagte: ,,Ellie, gehe mal bitte raus auf den Balkon" ,,Wieso sollte ich mir die Mühe machen und auf meinen Bal... OH MEIN GOTT", hörte ich sie rufen. Ich schaute auf und sah auf ihrem Balkon eine geschockte Elisa mit einem Handy am Ohr. Sie begann mit voller Begeisterung zu winken. ,,Diggah, was machst du denn hier? Hätte ich mal früher gewusst, dass du wegen Döner extra hierher kommen würdest!", rief Anneke ironisch zu mir runter. Ich streckte ihr nur meine Zunge raus und die Haustür begann zu surren, die ich dann öffnete. Ich schleppte mich nach oben und hörte schon eilige Schritte, die immer lauter wurden. Schon kamen zwei menschliche, aufgedrehte Hühner auf mich zugerannt und schleuderten mich mit voller Wucht gegen die Wand. Wie sonst auch immer lachten wir, bis wir Bauchschmerzen bekamen. Danach nahm Elisa mir meinen Koffer ab und Anneke hielt mich am Handgelenk fest und zog mich Richtung Wohnung.

So saßen wir da und aßen am späten Nachmittag unser Essen. Topthema war natürlich der Grund für meine spontane Anreise. Während die beiden spekulierten, weshalb ich hier war, überlegte ich, wie ich das mit der Hochzeit am besten erzählen sollte. Am Ende entschied ich mich, es einfach direkt zu sagen. ,,Shawn und Scarlett heiraten bald", murmelte ich. Aber sie hatten es gehört, brachen ihre Diskussion ab und starrten mich entgeistert an ,,Bitte was? Sag mal spinnt der?", rief Elisa empört und sah so aus, als hätte ihren Döner am liebsten gegen die Wand geklatscht. Anneke war auch auf 180 und ihr armer Döner litt darunter. ,,Und ich dachte, dass er ein vernünftiger, netter Mann ist... Obwohl, vielleicht hatte er sich erhofft, dass du kommst", überlegte Elisa. ,,Das hat Marcel auch gesagt und deshalb den Zugticket gebucht" ,,Vernünftig", kommentierte Anneke. ,,Aber Leute, wie stellt ihr euch dass alle bitte vor? Soll ich da etwa ankommen und sagen ,Hey Freunde, ich denke, dass ich Shawn liebe und möchte jetzt einen auf Hochzeitsabbrecherin machen' oder was?" ,,Ein guter Ideenansatz", antwortete meine Freundin erneut mit vollem Mund. Genervt verdrehte ich die Augen und sagte: ,,Kind, kommentiere nicht so doof und sag was anständiges!" Sie hörte auf zu kauen, schaute mich sarkastisch an und kaute weiter. Das, meine Damen und Herren, war Anneke. ,,Aber was ist, wenn Shawn Scarlett wirklich aus Liebe heiraten will?" Ein Gedanke, den ich nie ausgesprochen hatte, aber realitätsnah war. Elisa nahm die Situation, im Gegensatz zu Anneke, ein wenig ernster und schmiedete einen Plan. ,,Du musst morgen Luke und deine Tante besuchen. Die beiden sind die geeigneten Personen um zu fragen, wie das alles zustande kam", sagte sie konzentriert, vielleicht, weil sie vor ein paar Jahren mit Luke Schluss gemacht hatte. ,,Keine so schlechte Idee, ich wollte sie eh besuchen" So unterhielten wir uns weiter über Gott und die Welt, bis Anneke sich gegen Abend von uns verabschiedete und nach Hause ging.

,,Ich ruf mal eben Marcel an", sagte ich, woraufhin Elisa mir das Festnetztelefon gab. ,,Marcel hier, mit wem spreche ich da?" ,,Hier ist Feliicityy", schrie ich ins Telefon. ,,Boar, das hättest du auch leiser sagen können", rief er noch lauter. Elisa und ich erzählten ihm von meinem Vorhaben, und er erzählte von seinem ersten Tag ohne mich. ,,Ach Ja, da gibt es noch etwas, was du wissen musst" ,,Ääähmm...Dann schieß mal los" ,,Ich hab mit James geschrieben und er kommt morgen vorbei, was er aber nicht weiß ist, dass ich in München bin" ,,DU. HAST. WAS?!", fragte er aufgebracht. Ich lachte nur und wünschte ihm viel Erfolg. Dann legte ich einfach auf, damit mein guter Kumpel nichts mehr sagen konnte und lachte mich mit Elisa schlapp.

James liebte Marcel, ein hübscher, sympathischer junger Mann. Die passen super zusammen, aber wenn James bei uns war, könnte ich mich danach umbringen. Jeder Blindfisch konnte die Liebe zwischen denen notfalls noch riechen, aber gerade die beiden sind einfach zu kompliziert dafür. Ob ich mit James im Einkaufszentrum war oder mit Marcel beim Abendessen, es war immer das gleiche: Beide jammerten rum, dass der andere ganz sicher nicht das gleiche empfand. Aber wenn sie sich dann gegenüber standen, dann musste man schon beten, dass niemand vor Nervosität umkippte oder so. ,,Der arme Junge. Der wird heute nicht schlafen können", sagte Elisa mitleidig. Danach machten wir uns bettfertig, unterhielten uns noch bis zwei Uhr morgens und schliefen dann auch irgendwann ein.

Lache das Leben an und es knurrt zurück (Shawn Mendes Ff) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt