«12.Kapitel»

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*Felicitys Sicht*

,,Los, geh das anprobieren!", sagte Anneke ungeduldig, während Elisa mich Richtung Umkleide schob. Ich seufzte laut auf und befolgte Annekes Befehl. Es war schon über eine Woche her, dass ich Shawn in die Augen geschaut hatte und wie hypnotisiert da stand. Meine Freundinnen und ich kauften gerade alles mögliche für den Ballabend.

Lustlos kam ich aus der Umkleide raus und anhand der Blicke von den beiden, wusste ich, dass sie nicht sonderlich begeistert vom Kleid waren. Erneut seufzte ich und zog gefühlt das hundertste Kleid an. Ich hasste das Anprobieren von Kleidungen. Das Kleid was ich in der Hand hatte war bordeauxrot, glitzerte und war bodenlang. Die Unterschiede waren nur die kleinen Glitzersteinchen und die Länge des Kleides. Ich öffnete die Tür der Umkleide und schaute fragend in die Runde. Der Elisa fiel die Kinnlade runter und Annekes Augen begannen zu strahlen. ,,Perfect", sagten sie und klatschten begeistert. ,,Endlich!", sagte ich glücklich und zog mich dann um, während die anderen das Kleid kauften. Die Frisur wollte eine Freundin für uns machen und bei der Beratung der Accessoires flogen die Meinungen in verschiedenen Richtungen. Doch nach zwei Stunden Diskussion, Warteschlange und Suchen, war jeder zufrieden und gönnten uns alle Eis.

,,Mann, der Jonas wird aber Augen machen", sagte Elisa freudig. ,,Ach, und was ist mit Luke und Moritz?", fragte ich ironisch. Das Elisa und Luke gemeinsam zum Ball gingen, machte mir nichts aus. Ich wollte und sollte ihnen eine Chance geben. Anneke und Moritz waren seit einem halben Jahr ein sehr süßes Paar und Jonas und ich waren ganz gute Freunde. Mein Handy klingelte plötzlich und ich schaute verwundert auf mein Display, es war Jonas. Ich informierte die verwirrten Mädchen und ging dann dran. ,,Hey... Alles klar bei dir? Du klingst so, als wärst du todkrank... Oh, das wusste ich nicht! Tut mir leid, wie peinlich und unhöflich von mir... Autsch, natürlich bin ich dir nicht böse!... Hör mal, mach dir keinen Kopf um mich und werd erstmal gesund!... Nein, es alles gut, mach dir bitte keine Vorwürfe... Ja, gute Besserung und Ciao", sagte ich und legte auf. Neugierige Blicke lagen auf mir und ich schaute beide traurig an und sagte: ,,Jonas liegt mit einer fiesen Grippe im Bett und soll laut seinem Arzt nicht am Ball teilnehmen dürfen, da die Ansteckungsgefahr zu hoch ist. Also mit anderen Worten: Ich werde ohne Partner da sein" ,,Du kannst ja auch ohne Partner kommen", überlegte Elisa. ,,Klar kann ich das, und das werde ich auch machen. Aber es wäre mit Partner bestimmt cooler" ,,Wir schauen einfach mal... Ich denke, dass wird kein Weltuntergang", munterten Elisa und Anneke mich auf. Ich nickte nur und wechselte das Thema. Irgendwann beschlossen wir nach Hause zu fahren, wo mich Elisa dann auch absetzte.

Zu Hause war ich dann mit Kisten ausmisten beschäftigt um alte Sachen, wie Tagebücher, Fotos oder Postkarten zu lesen. Ich liebte es mich an alte Momente zurückzudenken. Auch wenn sie manchmal scheiße waren, dachte ich gerne zurück, denn es war manchmal wie eine Lektion fürs Leben. Doch manchmal war es für mich so emotional, dass ich weinte, aber es war auch irgendwie beruhigend. Besonders wenn es sich um meinen Onkel handelte, der Ehemann von Carlotta. Er starb an Lungenkrebs, weil er gegen Ende viel zu viel geraucht hatte. Wir hatten alles versucht und Tante Carlotta hatte sich am Ende sogar heftig mit ihm gestritten. Zwei Wochen später war er dann vom Menschsein befreit worden. Ich hatte ihn echt gern, denn er hatte einen genialen Humor, war sympathisch, hilfsbereit und ärgerte gerne andere Menschen, was man nie Ernst nehmen sollte. Carlotta warf sich immer noch vor, dass der heftige Streit daran schuld war. Der Arzt meinte, dass man Christian Bescheid gegeben hatte, aber er niemanden was davon erzählt hatte, warum auch immer. Er hatte jedem persönlich einen Brief geschrieben, durch den ich die Idee mit der Europareise hatte. Er schrieb mir, dass ich unbedingt viel von der Welt sehen sollte, da ich so interessiert an anderen Länder, Kulturen und Lebensstile war und ich kaum im Urlaub war.

Kurz schaute ich aus dem Fenster raus, wo es alles grau war und nieselte. Ich überlegte nicht lange, zog mir eine Jacke an, schnappte mir noch einen Regenschirm und machte mich auf den Weg. Im Brief stand auch, dass ich ihn gerne besuchen konnte, wenn ich das Bedürfnis hatte. Kurz vorm Ziel stoppte ich, da ich einen weinenden Luke sah. Er und sein Vater hatten ein sehr gutes Verhältnis. ,,Hey, alles klar?", fragte ich meinen Cousin besorgt und reichte ihm ein Taschentuch. ,,Ich vermisse ihn so... Letzte Nacht hab ich von ihm geträumt und es war so schrecklich", schniefte er leise. Ich umarmte ihn ganz fest und sprach ihn tröstend ein. ,,Weißt du was? Wir beide machen uns morgen einen schönen Abend! Wir suchen uns zusammen einen Film aus und machen uns es so gemütlich, hm?" Er lächelte ein wenig und nickte. ,, Danke, du bist so eine niedliche Cousine", sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. ,,Dafür doch nicht!", sagte ich verständnislos. ,,Doch, ich glaub Papa hat dich für meine Verzweiflung hierher geschickt", überlegte er. Die nächsten zehn Minuten schwiegen wir und betrachteten das Grab. Mein Kopf war gegen Lukes Körper gelehnt, während er in der einen Hand den Regenschirm hielt und der anderen mich festhielt. Er brachte mich am Ende nach Hause und freuten uns auf den morgigen Abend.

,,Wo warst du?", hörte ich eine kalte Stimme, als ich reinkam. ,,Bei Onkel Christian", sagte ich zu meiner Mutter. ,,Du hast deinen verstorbenen Onkel besucht? Wie albern von dir", begann sie zu lachen. ,,Ist mir egal... Außerdem bin ich morgen Abend bei Carlotta und übernachte dort" ,,Du kannst da doch direkt einziehen!", rief sie mir hinterher, doch ich reagierte nicht mehr darauf und verschwand in mein Zimmer.

Lache das Leben an und es knurrt zurück (Shawn Mendes Ff) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt