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Diegos Sicht

"Okay, kann mir jemand mal sagen, wo zum Teufel meine Schwester ist?", schreie ich aufgebracht. Seit zwei Tagen schon lässt sie sich nicht mehr blicken. "Hey Mann, vielleicht ist sie auch nur einen draufmachen", meint Drake und versucht mich zu beruhigen. Das geht nach hinten los. Ich packe ihn am Kragen. "Hijo de puta.. meine Schwester ist keine dreckige Nutte, die rumhurrt. Wenn du nichts besseres beizutragen hast, hälst du jetzt lieber dein Maul", fauche ich wütend und lasse ihn wieder los. Er funkelt mich wütend an, wendet sich aber wortlos ab und stampft aus dem Raum.

Ich fahre mir genervt durch die Haare und werfe den nächstbesten Gegenstand zu Boden. Eine Vase mit Blumen​. "Diego, relájate. Die anderen suchen sie sch-", meint Joakim, aber plötzlich klingelt mein Telefon. Die Nummer ist unterdrückt.

"Diego"
"Hier ist Alpa. Deine Schwester wurde freigelassen. Du kannst sie am Highway zu Phoenix aufgabeln", sagt der Mann des Alpa-Ehepaars.

Wieso haben die meine Schwester? Wo ich sie doch aus dem ganzen Drogengeschäft so bemüht raus halten wollte. "Wer war-", fängt Joaquín an. "Vamos ich weiß wo sie ist", befehle ich und eile zum Auto.

*

Als ich auf dem Highway entlang fahre, kommen mir immer mehr Fragen in den Kopf. Wieso, verdammt nochmal, haben sie meine Schwester gefangen genommen, entführt, oder was weiß ich? Das ergibt alles keinen Sinn. Ich habe doch alles richtig gemacht. Das Kokain war doch Eins-A.

Niemand sonst fährt auf dem Highway, was sehr ungewöhnlich ist für Phoenix. Plötzlich sehe ich Jasmine, die am Rand des Highways steht und sich Luft zufächelt. Es ist unerträglich heiß um diese Uhrzeit in Arizona.

Ich fahre an den Rand und halte an, damit sie einsteigen kann. Die Klimaanlage läuft zu ihrem Glück auf Hochtouren. Sie steigt außer Atmen in den Wagen und flucht rum. "Diego, du weißt gar nicht wie sauer ich bin. Chloé und ich wollten uns treffen, als da diese Typen vor der Tür standen und meinten ich soll freiwillig mitkommen, oder sie nehmen mich gewaltsam mit. So ein Scheiß", ärgert sie sich und lehnt ihren Kopf an die kühle Autoscheibe. "Und? Bist du mitgegangen?", frägt Joaquín. "Natürlich nicht, ich wollte ihnen die Tür vor der Nase zuschlagen, aber dann, hat mich einer gepackt und mir irgendein Tuch vor das Gesicht gehalten. Bin dann in einer riesigen Villa aufgewacht. Das war schon fast ein Palast. Und dann kamen zwei Personen, ein Pärchen, zu mir und haben mich ausgefragt. Über alles mögliche. Sie haben mich nicht schlecht behandelt, aber ich konnte diesen Palast nicht verlassen und überall wohin ich ging, folgten mir Männer in Anzügen wie Hunde. Heute haben sie mich dann laufen lassen. Sie haben mir wahrscheinlich irgendetwas in mein Getränk getan denn daraufhin wurde ich müde und bin eingeschlafen. Sie haben mich an dem Highway hier ausgesetzt. Ich bin gerade mal zwei Stunden wieder wach. Diego, was hat das zu bedeuten? Und wer waren diese Leute?", endet sie ihren Vortrag. "Ich weiß es noch nicht ganz, aber ich hab so eine Ahnung, was das zu bedeuten haben könnte. Diese Leute sind unseren neuen Auftraggeber. Ziemlich hohe Tiere, ganz oben in der Nahrungskette", meine ich und nehme die nächste Abfahrt. "Chloé denkt wahrscheinlich ich bin gestorben", lacht sie plötzlich. "Mach über sowas keine Witze! Capito? ", zische ich. "Reg dich ab", erwidert sie gelangweilt und ich sehe im Rückspiegel, dass sie in ihre Hosentasche greift. Aber in der Tasche ist ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen nichts. "Okay, wo ist mein Handy?!", fragt sie hysterisch. "Wir kaufen dir ein neues", meine ich gestresst und drehe das Radio lauter. Ich darf mir nicht anmerken lassen, dass mich das alles ganz und gar beunruhigt. Sie haben ihr das Handy abgenommen als sie bewusstlos war, das heißt sie wissen jetzt alles über sie. Und sie haben jetzt noch mehr Möglichkeiten mich zu erpressen.

"Nein Diego darum geht es nicht. Da... Da waren Bilder drauf!", weint sie. "Sag nicht, dass zu Nacktbilder gemacht hast", lacht Joaquín, wie immer in den unpassendsten Momenten. "Nein, nicht solche Bilder. Bilder von Mum und Dad, Diego". Meine Knöchel treten weiß hervor, als ich das Lenkrad stärker umfasse.

Ich halte den Wagen an der Mall. "Die Bilder sind doch in der Cloud gesichert, oder nicht?", frägt Joaquín. "Ja, stimmt", schnieft Jasmine und steigt aus. Joaquín legt den Arm und sie und beruhigt sie. "Hey, das wird schon wieder", meint er. Ich schließe das Auto ab und laufe los.

*

Zuhause angekommen, lasse ich mich erschöpft der Länge nach aufs Sofa fallen. Jasmine und Joaquín kommen nach mir ins Wohnzimmer und unterhalten sich über Jasmins neues Handy, auf dem sie jetzt alles von vorne einrichtet. Ich schließe die Augen und lege meine Hand als Schutz vor der Sonne über sie. Joaquín setzt sich in einen Sessel in der Nähe und atmet hörbar aus. Die anderen Jungs stehen einfach so im Raum herum wie ein Schluck Wasser in der Kurve. "Okay, alle die nicht mit mir verwandt sind verpissen sich jetzt", befehle ich erschöpft und sie verschwinden daraufhin wortlos.

Meine Geschwister und ich liegen auf dem Sofa einfach und genießen die Ruhe, bis mein blödes Handy wieder klingelt. Ich schaue auf den Display. Hailey ruft an. Ich stöhne genervt und stecke das Telefon wieder weg. "Diego du kannst sie nicht ewig ignorieren, die Kleine ist verrückt nach dir", meint Joaquín. "Ich kann sie sehr wohl ewig ignorieren. Sie ist ja süß und so, aber sie ist so verdammt anstrengend mit ihrem Herumgekicher. Ich könnte ihr erzählen wie ich heute geschissen hab und sie würde lachen", erwidere ich frustriert. Joaquín lacht schallend. "Sie schaut mega heiß aus, aber hat halt nichts in der Birne, entiendes?", füge ich hinzu.

Er gibt ein 'mhm' von sich und schaltet den Fernseher ein. Es laufen die Nachrichten. "Die damalige Schülerin der Beacon High im Bundesstaat Washington, Sara Jordan wird vermisst. Sie verschwand in der Nacht auf heute. Es ließen sich keine Spuren für ein Gewaltverbrechen finden, allerdings wird mit einer Entführung gerechnet. Wenn sie Sara sehen, melden sie sich umgehend beim örtlichen Police Department. Heute wird in Washington D.C ein neues Klimaabkommen-", redet die Nachrichtensprecherin monoton. "Irgendwie ist das komisch. Sie ist nicht mal 24 Stunden weg, es gibt keine Anzeichen auf ein Verbrechen, aber trotzdem wird sie vermisst? Da ist etwas faul", kommentiert Joaquín. "Echt findest du? Für mich klingt es einleuchtend", antworte ich. Mein Halbbruder sieht mich verwundert an. "Na, es ist ganz einfach. Die Regierung, oder irgendeine andere hohe Organisation will sie im Auge behalten, wahrscheinlich hat sie Informationen, die sie brauchen. Oder sie ist eine Bedrohung", erwähne ich beiläufig. "Anders würden sie sich nicht so viel Mühen machen sie aufzuspüren".

Sie muss irgendetwas haben, was sie wollen. Oder sie ist eine Bedrohung.

Danke fürs Lesen! :)

On the Run (Wolves Heart)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt