Diegos Sicht
Kurz bevor die Sonne untergeht, wache ich auf und weiß nicht was passiert ist. Aber dann fällt mir wieder ein, was am Tag zuvor geschehen ist. Sara kommt mir wieder in den Sinn, dieses seltsame Mädchen, das eigentlich ganz nett ist, aber aus irgendeinem Grund vor der Polizei flüchtet und ich habe ihr dabei geholfen.
Mühsam richte ich mich auf und mir wird direkt schwarz vor Augen, da ich wohl zu schnell aufgestanden bin. Langsam begebe ich mich ins Bad, ziehe mich aus und stelle mich unter die Dusche. Mir ist völlig egal welche Temperatur das Wasser hat, hauptsache es weckt mich auf.
Als ich schließlich fertig bin, ziehe ich mir andere Sachen, ein weißes T-Shirt und schwarze Shorts, an und gehe mit einem Handtuch um die Schultern hinunter ins Wohnzimmer.
Dort sehe ich wie Jasmine, Joakim und Sara sitzen und eine Runde auf der Playstation spielen. Ich räuspere mich laut und lehne mich an die Wand. "Oh hey, Diego. Auch mal wach?", frägt Jasmine. Zur Antwort gebe ich irgendeinen Laut von mir und gehe weiter runter in die Küche. Bevor ich mit Menschen interagieren kann, muss ich satt sein.
Also öffne ich den Kühlschrank und nehme mir den Teller mit Wassermelonenstücken heraus. Von oben höre ich lauten Jubel, also hat Jasmine wahrscheinlich gewonnen, so wie immer bei Mario Kart. Ich setze mich auf einen Barhocker und höre wie sich die drei hinunter auf den Weg zu mir begeben. Sie lachen über irgendetwas was Sara gesagt haben muss, denn als sie unten ankommen läuft Sara rot an und lächelt beschämt.
Ich wende mich von ihrem Anblick ab und esse weiterhin friedlich meine Wassermelone, bis plötzlich Jasmine mich an den Schultern packt und ich zusammenzucke und mir auf die Zunge beiße. Wie in Zeitlupe lasse ich meine Hand mit dem Wassermelonen Stück wieder auf den Teller sinken und drehe mich langsam zu ihr um. Sie bemerkt, dass ich wütend bin und stottert, "E-es t-tut mir leid".
"Wie oft habe ich dir schon gesagt, mich nicht beim Essen zu überfallen?", rede ich und versuche meine Stimme ruhig klingen zu lassen, doch sie zittert vor unterdrücktem Zorn. "Oft", gibt sie kleinlaut von sich und blickt auf den Boden. Ich fixiere sie mit meinem Blick damit sie mich anschaut.
"Und wieso hörst du nicht auf mich? SIEH MICH GEFÄLLIGST AN, WENN ICH MIT DIR REDE!", brülle ich, weshalb dann alle zusammenzucken.
"Hey, es ist doch nicht so schli-", versucht Sara mich zu beschwichtigen, doch ich hebe die Hand damit sie schweigt.
"Ich hasse es, wenn du so bist", haucht Jasmine und blinzelt mich an, wobei ihr eine Träne die Wange hinab läuft.
"Du lässt mir nichts anderes übrig, wenn du dich in einem Augenblick, wie ein Kind und im nächsten wie eine Hure verhältst. Wen versuchst du zu beeindrucken, wenn du hier halbnackt durch meine Wohnung stolzierst? Meine Männer werden dich nicht anrühren, dafür habe ich gesorgt", ich schweige einen Moment und fahre dann weiter fort. "Du enttäuschst mich. Ich weiß, dass du zu uns gehören willst, doch mit solchen Aktionen beweist du mir umso mehr, dass du noch nicht reif genug dafür bist eine von uns zu sein", mit diesen Worten laufen ihr immer mehr Tränen die Wangen hinab und ihre Unterlippe zittert.
"Wer ist denn dir auf den Fuß getreten?", murmelt Sara leise und beim Umdrehen sehe ich gerade noch wie Joakim energisch den Kopf in ihre Richtung schüttelt und ihr bedeutet zu schweigen.
"Wenigstens du Joakim hast verstanden, wie es hier läuft", teile ich mit, stelle meinen Teller mit den übrigen Stücken Wassermelone zurück in den Kühlschrank und begebe mich nach oben. Sollen sie doch über mich reden, ist mir egal!
Saras Sicht
"Ist er öfters so?", frage ich Joakim, doch eigentlich will ich die Antwort gar nicht wissen. Ich fühle mich unbehaglich dieses Familiendrama miterlebt zu haben. "Fast nie", meint er und nimmt Jasmine in den Arm.
"Manchmal geht halt eine Sicherung bei ihm durch, vor allem wenn ihn etwas beschäftigt oder er unter Druck steht", fügt Jasmine wispernd hinzu.
"Aber das darf er doch nicht an dir auslassen!", keuche ich empört. "Ich habe mich schon daran gewöhnt", antwortet sie und wendet den Blick auf den Boden. Diese Worte machen mich auf einmal wütend.
"Und wieso gehst du dann nie dazwischen Joakim?", frage ich. Er wirkt überrumpelt von meiner plötzlichen Anrede und zuckt mit den Achseln. "Er ist mein Boss, ich darf ihm nicht widersprechen", redet er sich hinaus. "Wenigstens du, dachte ich, wärst ein stärkerer Mann, doch da habe ich mich wohl geirrt", bemerke ich enttäuscht und wende mich von ihnen ab. Schnell gehe ich die Treppen zum Wohnzimmer hoch.
"Wohin gehst du?", höre ich Jasmine hinter mir rufen. "Diego zur Rede stellen", rufe ich als Antwort und überquere mit hastigen Schritten das Wohnzimmer. Ich steuere die Treppe zu, die in die dritte Etage führt und nehme zwei Treppen auf einmal.
Stürmisch öffne ich die nächstbeste Tür und platze in das Zimmer, dass sich als Badezimmer herausstellt. Es besteht überwiegend aus schwarzem Marmor. Diego steht mit beiden Händen an eines der drei Waschbecken gelehnt und schaut überrascht bei meinem apruppten Eintreten in den Spiegel hinauf. Er besieht mich mit einem eiskalten Blick, der mir eine Gänsehaut einjagt.
"Ich weiß ich dürfte nicht so mit dir reden, da ich ja nur zu Gast bin und so weiter, aber du darfst so nicht mit Jasmine umgehen!", erwidere ich. "Ach darf ich nicht?", meint er kalt und dreht sich langsam in meine Richtung um.
"Ich darf und weißt du auch wieso?", mit jedem seiner Worte kommt er mir einen Schritt näher bis er unmittelbar vor mir stehen bleibt. Ich weiche etwas nach hinten aus.
"Ohne mich", er deutet mit dem Finger in Richtung Küche, "wären die beiden nichts", zischt er. "Das gibt dir noch lange nicht das Recht eine Frau anzuschreien", fauche ich und blicke ihn hasserfüllt an. Von dem netten Jungen gestern ist nichts mehr geblieben und meine Auffassung ihm gegenüber hat sich verändert. Ich habe für ihn nur noch Verachtung übrig.
"Na sie mal einer an, eine Feministin", spottet er belustigt, doch als ich nicht darauf eingehe, packt er mich an den Armen und stößt mich gegen die Wand, währenddessen er die einzige Fluchtmöglichkeit, die Tür, verschließt.
"Du solltest lernen dein vorlautes Mundwerk zu zügeln, wenn du nicht willst, dass ich die Bullen auf der Stelle rufe, capito?", knurrt er, wobei ich seinen heißen Atem an meinem Hals spüre. Ich antworte nicht. Auf einmal reißt er seinen Arm hoch und führt in zu meinem Hals, weshalb meine Luftzufuhr drastisch sinkt."Hast du mich verstanden?", flüstert er an meinem Ohr, doch ich verstehe jedes Wort. Mit meiner freien Hand greife ich seine, die sich schmerzhaft an meinen Hals geklammert hat, aber es nützt nichts. Meine Nackenhaare stellen sich auf und meine Handflächen werden schwitzig, die üblichen Anzeichen, wenn der Körper sich in einem Angstzustand befindet.
Da ich nun kaum Luft kriege, nicke ich. Daraufhin lässt er mich sofort los. Ich sinke jämmerlich auf den Boden und schnappe nach Luft. "Na geht doch", schnarrt er selbstzufrieden und verlässt das Bad.
Nachdem ich mich beruhigt habe, richte ich mich auf und begebe mich zum selben Waschbecken an dem auch Diego gestanden ist. Ich drehe das Wasser auf und lasse es kalt über meine Arme fließen, dann wasche ich mein Gesicht, um wieder klar denken zu können. Egal wer Diego gestern gewesen ist, oder es vorgegeben hat zu sein, soeben habe ich herausgefunden, dass er auch ganz anders sein kann. Und das jagt mir noch mehr Angst ein, als der Übergriff gerade eben, denn ich habe eine sehr gute Menschenkenntniss, die mich noch nie getäuscht hat, und ich hatte Diego eigentlich als netten Menschen eingestuft. Da habe ich wohl einen fatalen Fehler begangen.
Mein Blick wird von einer kleinen, orangen Plastikdose mit Medikamenten angezogen. Ich drehe den Wasserhahn zu und nehme die Plastikdose in die Hand, auf der steht:
Risperidon
Alle 8 Stunden einnehmen
Lobo, DiegoSoweit ich weiß, wird dieses Medikament nur im Zusammenhang mit Antidepressiva bei einer bipolaren Störung eingenommen. Und sofort wird mir dadurch Diegos Verhalten glasklar. Er hat eine bipolare Störung.
Wie fandet ihr das neue Kapitel? Ich weiß es hat länger gedauert bis das Neue heraus kam, aber ich hatte eine Schreibblockade. Ich hoffe, dass die jetzt zu Ende ist. Kommentiert gerne :)
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On the Run (Wolves Heart)
ChickLitDiego. Sara. Er ist gefährlich und wild. Sie ist provokant und rachsüchtig. Er ist ein Mafiaboss. Sie hat gerade erst die Highschool beendet. Zwei Menschen die unterschiedlicher nicht sein können. Auf der Suche nach dem Geheimniss ihrer Eltern und d...